Kommunen online im Kosmos digitaler Medien

Der Einsatz von Social-Media-Kanälen bedarf heute keiner Erklärung mehr. Interessant bleibt allerdings die schwerpunktmäßige Nutzung der möglichen Kommunikations-wege. Kommunen vermeiden auf ihren Kanälen die Frage nach sensiblen Daten. Instagram und Co. dienen primär der Öffentlichkeitsarbeit.

Zaghafte Anfänge in Sachen soziales Netzwerk gab es innerhalb von Behörden schon vor rund 20 Jahren. Zur internen Kommunikation wurde seit Beginn des IT-Zeitalters das Intranet genutzt. Ein geschlossenes System zum Datentransfer, das ab den frühen 90er-Jahren auch im großen Stil Rechner miteinander verband und als Internet tiefgreifende Folgen zeitigte – bekanntermaßen bis heute. Durch das Aufkommen der mobilen Endgeräte reicht diese einst klassische Variante der Vernetzung längst über die Grenzen der eigenen Wohnung oder des Dienstzimmers hinaus. Die meisten Rathäuser kommunizieren mittlerweile via Social Media mit den Bürgern, allerdings mit unterschiedlicher Intensität.

Einige Kommunen beweisen ihren Willen zur ausgedehnten Diskussion, andere beschränken sich auf die Übermittlung von Informationen. Letzteres trifft auf die meisten zu, vom Mittelzentrum über die Großstadt bis zur Metropolregion. Das kann ungeahnte Folgen haben.

Dank relativer Anonymität gerät Bürgern die Kritik an Entscheidungen der Rathäuser oftmals zum Erlebnis. Es dauert nicht lange und andere machen mit – schon rollt der Shitstorm. Kleinigkeiten geben den Ausschlag, die zwar juristisch korrekt sind, aber irgendwie als unangemessen empfunden werden.

Digitale Beschwerdestelle

Als beispielhafter Fall kann der des Ordnungsamtes Frankfurt am Main gelten. Das Amt hatte Obdachlose, die sich einer Nacht in der Notunterkunft verweigerten, im Dezember 2017 mit einem Verwarngeld belegt und dieses als „Barverwarnung“ an Ort und Stelle aus dem obligatorischen Spendenbecher eingezogen. Das negative Facebook-Feedback ließ nicht lange auf sich warten. Erwartungsgemäß ruderte die Stadtverwaltung zurück. Sie passt sich in der Bürgerkommunikation allerdings auch den Gegebenheiten an und bietet mit der „Online-Anhörung“ gleich eine digitale Beschwerdestelle an.

Das Betroffensein und Anstoßnehmen an politischen Entscheidungen bezieht sogar die Pflanzenwelt ein und zeigt eine weitere Option im Umgang mit Social-Media-Kanälen: das Durchstechen von Interna. In Mülheim an der Ruhr etwa postete der Ratspolitiker Werner Oesterwind vergangenen Herbst, verärgert über eine vom Grünflächenamt geplante Reduzierung der öffentlichen Begrünung, die entsprechende Vorlage kurzerhand auf
Facebook. Das Thema war sofort publik, einige Nutzer wegen fehlender Blumenkübel zutiefst empört, und im Handumdrehen erklärte der Oberbürgermeister das Vorhaben für gegenstandslos. Bis zum nächsten Blumenkübel-Shitstorm.

Die zielgerichtete Nutzung von Social-Media-Kanälen durch die Kommune setzt den Willen zum Aufbrechen des üblichen Rede-Gegenrede-Schemas voraus. Endet bei vielen kommunalen Profilen die Interaktionsbereitschaft mit dem Aussortieren unangenehmer Kommentare oder dem ängstlichen Korrigieren getroffener Entscheidungen, demonstrierte die Tourismusabteilung des australischen Bundesstaates Victoria bereits im Herbst 2013, was möglich ist. Melbourne-Fans aus aller Welt konnten über die üblichen Kanäle Wünsche an ein zweiköpfiges Team der Tourismusbehörde übermitteln. Dieses zog daraufhin los, quer durch die Stadt und mit einer Helmkamera ausgestattet. Als eine Art Vorhut für potenzielle Besucher testete es Restaurants, besuchte Boutiquen, Museen und Sehenswürdigkeiten und probierte dabei die eine oder andere kulinarische Köstlichkeit. Nach fünf Tagen endete die Kampagne mit einer Bilanz von rund 80 Stunden Live-Stream-Übertragung.

Konzentration aufs Wesentliche

Die Idee hat internationales Potenzial: Wenn Interessenten heutzutage ohnehin online nach einer geeigneten Übernachtungsmöglichkeit, Ausgeh-Adresse und überhaupt nach etwas Außergewöhnlichem suchen, dann sollten sie noch im Netz abgeholt werden. Der „Remote Control Tourist“ hat gezeigt, wie soziale Netzwerke in Echtzeit genutzt werden können.

Die Potenziale eines abgestimmten Social-Media-Marketings sind gigantisch, keine Frage. Aber auch teuer. Kampagnenfähig sind die wenigsten Rathäuser, schließlich geben sie das Geld der öffentlichen Hand aus und stehen keineswegs in einem Konkurrenzkampf wie es bei Unternehmen der Fall ist.

Die Vermittlung von Informationen dürfte daher auf lange Sicht die einzige Aufgabe kommunaler Kanäle darstellen und die Kommunen damit ohnehin vor eine große Herausforderung stellen. Feste Stellen für Social-Media-Manager zu schaffen, liegt außerhalb der Möglichkeiten gerade kleiner Rathäuser – und sie sind überdies schlicht überflüssig.

Ein Online-Team oder ein aus den eigenen Reihen rekrutierter Beauftragter reicht für den souveränen Grundlagenbetrieb völlig aus. Solange das E-Government vom Gros der Bürger nur schwach genutzt wird, sollten sich Rathäuser mit ausufernden Social-Media-Initiativen zurückhalten.

Till Röcke

Der Autor
Till Röcke, Remagen, ist Autor und freier Journalist

Info: Soziale Medien

Welche Kanäle sozialer Medien eignen sich besonders für die Aufgaben der Kommunen? Die Einbindung kommerzieller Dienste wie Twitter, Facebook oder Instagram in die Kommunikation der Ämter bereitet technologisch betrachtet keine Schwierigkeiten – doch rechtlich sieht die Lage anders aus. Die Kontrolle über sämtliche übermittelte Daten ist schlichtweg nicht vorhanden. Für die Politik ein aktuelles Anliegen, denn vom 25. Mai dieses Jahres an sind Rathäuser deutschlandweit verpflichtet, die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) anzuwenden. Abseits der Kommunikation sensibler Daten dient Social-Media der unkomplizierten Außendarstellung von Kommunen auf unterschiedliche Weise.

Twitter: Die schnellste Kommunikationsmöglichkeit. Begrenzt im Umfang, sind Behörden gezwungen, ihre Mitteilungen präzise formuliert zu verfassen. Besonders bei einer Kommunikation in Echtzeit, etwa im Rahmen von Terrorwarnungen oder Zwischenfällen bei Großereignissen, sorgt Twitter für den direkten Kontakt mit den Bürgern.

Facebook: Der Klassiker der digitalen Sphäre und die beste Möglichkeit, Basis-Informationen zu verbreiten. Öffnungszeiten, Anliegen, Termine, Rufnummern, sortierte E-Mail-Kontakte sind kompakt aufbereitet abrufbar. Mit der Messenger-Option ist auch eine Echtzeit-Kommunikation vorhanden, die datenschutzrechtlich allerdings höchst fragwürdig ist. Berühmt-berüchtigt ist vor allem die Funktion „Bewertungen“, mit der Straßenbahnausfälle, Baustellen, lange Wartezeiten beim Bürgerservice öffentlich gemacht werden.

Instagram: Neben Flickr und Youtube zählt der Online-Dienst zu den bildgewaltigen Präsentationsflächen des Internets – der interaktive Modus ist dem visuellen klar untergeordnet. Aus touristischen oder Marketinggründen die Nummer eins.