Beim Stichwort „Entwicklungszusammenarbeit“ beherrscht noch immer der in ferne Länder reisende Entwicklungshelfer das Bild der Öffentlichkeit. Die Tätigkeitsfelder und Akteure haben sich aber stetig erweitert und gewandelt. Im Einkauf können heute auch die Kommunen ihren Beitrag leisten.
Unter dem Stichwort „Global denken, lokal handeln“ werden auch immer mehr deutsche Kommunen in der Entwicklungszusammenarbeit aktiv: Eine Möglichkeit hierzu bietet der faire Handel und die faire Beschaffung. Konkret heißt das, dass Städte und Gemeinden bei ihrer Beschaffung auf faire, das heißt ökologisch und sozial unbedenkliche Produkte setzen.
Wie wirkungsmächtig dieser Ansatz sein kann, zeigen die Zahlen: Rund 350 Milliarden Euro investiert der Staat jährlich in öffentliche Beschaffung. Etwa 60 Prozent davon und damit etwa 210 Milliarden Euro entfallen auf die Kommunen. Mit dieser Wirtschaftskraft können Städte und Gemeinden gegen ausbeuterische Kinderarbeit oder die Verletzung sozialer Mindeststandards und Lohndumping vorgehen.
Die genaue Zahl der deutschen Kommunen, die auf faire Beschaffung setzen, ist unbekannt. Es gibt aber valide Hinweise darauf, dass ihre Zahl zunimmt. So ist die Zahl der deutschen Fairtrade-Städte seit der ersten Vergabe des Titels durch den Verein Transfair (Fairtrade Deutschland) im Jahr 2009 auf rund 580 gestiegen. Auch die Zahl der teilnehmenden Kommunen am Wettbewerb „Hauptstadt des Fairen Handels“ hat sich in 2017 auf über 100 gesteigert. Beim Start des von der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) durchgeführten Projekts im Jahr 2003 waren es nur 31 Kommunen.
Keine Steine aus Kinderarbeit
Neben der Zahl fair beschaffender Kommunen ist auch die Anzahl der fair gehandelten Produkte gewachsen: Neben Klassikern wie fairem Kaffee und Bananen für die Verwaltung, Schulen und Kitas ist hier etwa die Arbeitskleidung für Feuerwehren oder die Forst- und Grünflächenämter zu nennen. Selbstverständlich genügt die fair hergestellte Dienst- und Schutzkleidung dabei allen gesetzlichen Ansprüchen des Arbeitsschutzes.
Zunehmend ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerät auch die Beschaffung von fairen Pflastersteinen. Vele im Straßen- und Städtebau verbaute Natursteine stammen aus Steinbrüchen in China, Indien oder Vietnam, in denen Kernnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) wie Arbeitssicherheit und das Verbot von Kinder- oder Zwangsarbeit verletzt werden.
Die Informationstechnologie (IT) ist ein weiteres Feld fairer Beschaffung. Die Crux ist, dass es im Moment faktisch keine IT-Produkte gibt, die durch alle Lieferketten hindurch den sozialen und ökologischen Kriterien der Nachhaltigkeit entsprechen. Doch gerade deshalb ist es wichtig, dass Kommunen auf Alternativen setzen, die faire Bedingungen in der IT-Herstellung durchsetzen wollen.
Anbieter wie Fairphone oder Shift versuchen etwa, faire Smartphones anzubieten. Das bedeutet zum Beispiel, dass auf die Nutzung von Coltan aus dubiosen Quellen verzichtet werden soll. Das Mineralerz wird beispielsweise in der Demokratischen Republik Kongo unter menschenunwürdigen Bedingungen abgebaut und dient dort der Finanzierung von Bürgerkriegsparteien. Auch beim Zusammenbau von Smartphones und anderen IT-Produkten gibt es erste Verbesserungsansätze, die auf Lohndumping, exzessive Überstunden und Kinderarbeit verzichten.
Faire Beschaffung muss nicht teurer sein
Immer wieder wird der Grundsatz der sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung als Argument gegen ein nachhaltiges Beschaffungswesen genannt. Auch galt die Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards lange als „vergabefremdes Kriterium“. Diese Rechtsunsicherheit gibt es nicht mehr. Die EU-Vergaberichtlinien von 2014 erlauben die Aufnahme von umwelt- und sozialrechtlichen Kriterien in öffentliche Ausschreibungen. Diese Richtlinien wurden 2016 in das deutsche Vergaberecht übernommen.
Hinzu kommt, dass faire Beschaffung gar nicht teurer sein muss. So konnte bei einer Ausschreibung für geleaste Arbeitskleidung für den Bauhof der Stadt Langenzenn (Bayern) trotz der Einbeziehung fairer Kriterien der Preis im Vergleich zum alten Leasingvertrag sogar unterboten werden. In Bonn lag am Ende der Preisanstieg für die beschaffte faire Arbeitskleidung für das Grünamt bei unter drei Prozent. In beiden Fällen wurden allerdings die Anforderungen an die Lieferungen leicht geändert oder qualitativ erhöht, sodass man den jeweils alten und neuen Preis nicht direkt vergleichen kann.
Eine Möglichkeit, Geld bei fairer Beschaffung einzusparen, ist die Bündelung von Aufträgen. So sammelt Mainz die Anschaffung vieler Produkte (z. B. Bürobedarf, Lebensmittel) in einem zentralen Onlinekatalog, der auch nach Nachhaltigkeitskriterien strukturiert ist. Dortmund nutzt ebenfalls eine zentrale Beschaffungsstelle. Diese bündelt alle Ausschreibungen ab 5000 Euro für verschiedene Ämter und kann so gute Angebote durch die Anbieter generieren. Das kommt etwa den städtischen Kitas und Schulen zugute, die vermehrt auf faire Produkte setzen.
Konstanze Arp
Die Autorin
Dr. Konstanze Arp ist Abteilungsleiterin Mobilisierung kommunal und Fachbereichsaufgaben bei Engagement Global, der Servicestelle für Entwicklungsinitiativen
Info: Hauptstadt des fairen Handels
Im Wettbewerb „Hauptstadt des fairen Handels“ werden alle zwei Jahre Kommunen ausgezeichnet, die sich in herausragender Weise für fairen Handel und faire Beschaffung einsetzen. Dass auch „kleine“ Kommunen Großes bewirken können, zeigte das zweitplatzierte Neumarkt in der Oberpfalz (39.000). Die Stadt sorgte unter anderem für eine faire Arbeitskleidung ihres Bauhofs und ein umfangreiches, nachhaltig-faires Getränkeangebot in der Verwaltung. Die von Bund, Ländern, Kommunen und Nichtregierungsorganisationen getragene Servicestelle Kommunen in der Einen Welt organisiert den Wettbewerb.
Hilfe bei der Umsetzung kommunaler nachhaltiger Beschaffung bietet die Servicestelle beispielsweise mit dem Netzwerk „Faires Beschaffungswesen“ und dem Kompass Nachhaltigkeit. – Weitere Informationen