Superwahljahr 2024 in den Kommunen, möglicherweise mit ungewollten Nebenwirkungen: Es ist nicht nur eine zunehmende Gewaltbereitschaft zu beobachten, es wird auch mit anderen unlauteren Mitteln gekämpft. Aber man kann – und sollte – sich darauf einstellen.
In diesem Jahr finden in acht Bundesländern Kommunalwahlen statt. Auch wenn die breite Öffentlichkeit in Deutschland wohl eher auf die Europawahl und insbesondere die drei ostdeutschen Landtagswahlen im September blickt, haben diese Wahlen eine höhere Beachtung verdient. Schließlich werden auch auf kommunaler Ebene weitreichende Entscheidungen getroffen.
Beispielhaft sei die große Batteriezellfabrik des schwedischen Unternehmens Northvolt genannt, dessen Investition letztlich von den Entscheidungen der Gemeindevertreter in den schleswig-holsteinischen Gemeinden Lohe-Rickelshof und Norderwöhrden abhing. Ein anderes Beispiel ist die Erweiterung des Tesla-Werkes im brandenburgischen Grünheide. Der Bebauungsplan musste abgespeckt werden, nachdem ein negatives Bürgervotum die Gemeindevertreter dazu bewegt hatte, den Plan in der vorbereiteten Form nicht zu beschließen.
Je mehr kommunale Entscheidungen an Bedeutung gewinnen, um so wichtiger wird die Zusammensetzung der Entscheidungsgremien. Dabei ist zu beobachten, dass mit immer härteren Bandagen gekämpft wird – bis hin zur Wahlanfechtung.
Die Begründungen derartiger Wahleinsprüche variieren. So wird etwa vorgetragen, dass eine Bewerberin, ein Bewerber eine bestimmte Berufsbezeichnung auf dem Abstimmungsbogen aufweise, die ihr oder ihm entweder nicht zustehe oder aber die Wahl beeinflusse.
Wiederholt wird zudem der Einwand erhoben, dass es bei der Briefwahl zu Beeinflussungen gekommen sei, etwa weil ein Bewerber vor der Wahl besonders häufig das örtliche Altenheim besucht habe und – so das Gerücht – mit den älteren Damen und Herren gemeinsam die Wahlscheine ausgefüllt haben soll. Kritisiert wird häufig auch, dass Briefwahlunterlagen nicht gesondert ausgewertet werden, sondern in die Wahlurnen vorab eingelegt werden – was nach den Kommunalwahlgesetzen jedoch vielfach zulässig ist.
Haltlose Vorwürfe, aber mit Folgen
Die meisten Einwendungen haben eines gemein: Sie bleiben Behauptungen, ohne dass auch nur im Ansatz tatsächlich ein Wahlfehler nachgewiesen worden ist. Derartige Behauptungen reichen aber schon aus, um die Kommunalwahl vor Ort in Misskredit zu bringen. Dabei ist es fast schon egal, ob hierüber lediglich in den sozialen Medien diskutiert wird oder die Regionalzeitungen über die erhobenen Wahleinsprüche berichten. Für die Wählerinnen und Wähler bleibt immer etwas hängen.
Natürlich kann es bei Kommunalwahlen zu Fehlern kommen. Das Kommunalwahlrecht sieht hierfür jedoch umfassende Regelungen vor, wie damit umzugehen ist. Das Verfahren läuft in zwei Stufen ab: Zunächst muss festgestellt werden, ob überhaupt ein Wahlfehler nachgewiesen werden kann. Das setzt voraus, dass sich entweder aus den Wahlunterlagen oder aber aus den Protokollen der einzelnen Stimmbezirke konkrete Fehler nachweisen lassen. Denkbar sind Rechen- oder Auszählungsfehler, die sich aber durch Nachzählen oder Nachrechnen regelmäßig durch die Wahlausschüsse korrigieren lassen.
Was ist dran an den Einsprüchen?
Problematischer sind hingegen Wahleinsprüche, die sich mit dem konkreten Verhalten Einzelner während der Wahl befassen. Hier ist der Nachweis nur schwer zu führen. Meist kommen lediglich Zeugenaussagen in Frage. Wenn sie sich widersprechen, was nicht selten vorkommt, ist der konkrete Fehler nicht festzustellen.
Aber selbst wenn ein Wahlfehler objektiv festgestellt wird, muss er auch schwerwiegend sein, um sich auf die Gültigkeit der Wahl auszuwirken. Das bedeutet: Es hätte zu einem wesentlich anderen Wahlergebnis gekommen sein müssen, wenn die Wahl einwandfrei abgelaufen wäre. Eine solche Mandatsrelevanz weisen die meisten nachgewiesenen Fehler nicht auf.
Aber auch wenn die Wahlprüfungen ins Leere laufen, nutzen sie bestimmte politische Kräfte für ihre Zwecke, indem sie beispielsweise die Legitimation künftiger Wahlen infrage stellen.
Kommunen müssen sich deshalb vor den Kommunalwahlen 2024 mit besonderer Sorgfalt der Vorbereitung und Durchführung der Wahlen widmen. Das ist keine leichte Aufgabe, denn auch das Amt des Wahlhelfers ist in den vergangenen Jahren immer schwerer zu besetzen – auch das ist ein Ergebnis des demographischen und politischen Wandels im Land.
Wahlhelfer sollten geschult sein
Gleichwohl sollten die Kommunen darauf achten, die Wahlhelferinnen und Wahlhelfer im Vorfeld umfassend über die rechtlichen Vorgaben aufzuklären und zu schulen. Bei den Auszählungen sollte eine breite Öffentlichkeit anwesend sein, damit sich die Wahlhelfer nicht von wenigen lauten kritischen Bürgerinnen und Bürgern beeinflussen lassen.
Sollten dennoch Wahlfehler auftreten oder im Rahmen von Wahleinsprüchen behauptet werden, sollten diese unmittelbar nach der Wahl genau daraufhin überprüft werden, ob sie sich tatsächlich nachweisen lassen und ob sie Auswirkungen auf die Gültigkeit der Wahl hatten.
Dominik Lück
Der Autor
Dr. Dominik Lück ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner der auf öffentliches Recht spezialisierten Kanzlei Dombert Rechtsanwälte mit Sitz in Potsdam und Düsseldorf. Er berät schwerpunktmäßig zum Kommunalrecht.