Kurz nach der Flutkatastrophe im Sommer 2021 haben die Kommunen im Ahrtal damit begonnen, ein Hochwasservorsorgekonzept zu erstellen. Unterstützung erhalten sie dabei vom Klimaschutzministerium Rheinland-Pfalz.
Die verheerende Flutkatastrophe vom Juli 2021 ist wortwörtlich als einschneidend zu bezeichnen. Rheinland-Pfalz kann im Bereich der Hochwasservorsorge zwar in vielen Bereichen als Vorreiter betrachtet werden, dennoch müssen wir das System der Hochwasservorsorge angesichts dieses Ereignisses neu bewerten und weiterentwickeln. Dies betrifft das gesamte Hochwasserrisikomanagement – von der Vorsorge über die Bewältigung im Ereignisfall bis hin zur Nachsorge.
Der Klimawandel wird in Zukunft häufiger Extremereignisse mit sich bringen. Hierauf müssen sich Verwaltungen und Bürger einstellen und aus Erfahrungen lernen – nicht ohne Grund wird das Hochwasserrisikomanagement als Kreislauf dargestellt.
Überörtliches Hochwasservorsorgekonzept
Viele Bewohnerinnen und Bewohner in den betroffenen Flusstälern fragen sich im Nachgang zu den Julihochwassern mit Sorge, ob sich eine solche Katastrophe wiederholen oder bei ihnen ereignen könnte. Die Antwort: Die Hochwasservorsorge kann auf vielen Ebenen angepasst und verbessert werden. Doch bei allen Anstrengungen muss man ehrlich eingestehen, dass ein hundertprozentiger Schutz vor Hochwasser sich nicht erreichen lässt.
Hierfür sind Extremwetterereignisse in ihrer lokalen Ausprägung zu schwer prognostizierbar. Daher ist das Ziel der Hochwasservorsorge die Risikominimierung. Beim Wiederaufbau bietet sich zugleich die Chance, Entscheidungen mit Blick auf die voranschreitende Erderwärmung zu treffen. Bei der „Zukunftsregion Ahrtal“ wird der Klimaschutz daher vielerorts mitgedacht. Darin liegt eine Chance für die gesamte Region.
Die Phase des Wiederaufbaus aus Sicht der Hochwasservorsorge wurde mit der Sitzung der Hochwasserpartnerschaft Ahr (HWP) am 25. Oktober 2021 eingeleitet. Nach der Flutkatastrophe wurde als direkte Reaktion die Erstellung eines überörtlichen Hochwasservorsorgekonzeptes (HWVK) beschlossen.
Darauf haben sich die Mitglieder der Hochwasserpartnerschaft, die Kommunen des Landkreises Ahrweiler sowie weitere Kommunen des Einzugsgebiets im Landkreis Vulkaneifel verständigt. Der Landkreis Euskirchen in Nordrhein-Westfalen ist ebenfalls eingebunden. Die Partnerschaft reicht also über Grenzen der Bundesländer hinaus.
Gefahren beseitigen, Gewässerökologie wiederherstellen
Bei der HWP geht es nicht nur um die Entwicklung technischer Schutzeinrichtungen. Ein Vorsorgekonzept umfasst alle Elemente des Hochwasserrisikomanagements und vereint verschiedene Bausteine zum Thema Hochwasservorsorge. Hierzu gehören unter anderem:
- Sensibilisierung durch gemeinsame Übungen und Infoveranstaltungen,
- Überarbeitung der Alarm- und Einsatzpläne,
- Flächennutzungsplanung,
- Zusammenarbeit mit weiteren Akteuren, zum Beispiel Landwirtschaft, Weinbau, Forst oder auch Campingplatzbetreiber,
- Rückhaltepotenziale in der Fläche,
- Planung von überörtlich wirksamen Maßnahmen des Wasserrückhalts,
- Informationen zu Pegel- und Meldewesen,
- gemeinsames Gewässerwiederherstellungskonzept.
Ein erster wichtiger Baustein ist das Gewässerwiederherstellungskonzept. Hierbei stehen neben der Gefahrenbeseitigung die Wiederherstellung der Gewässerökologie, die Aktivierung von Auenstrukturen, die Schaffung von Rückhaltefunktionen sowie die Schaffung von Abflussflächen in besiedelten Bereichen im Vordergrund.
Die Konzepterstellung wurde bereits, in fünf Teilabschnitte aufgeteilt, vergeben. Zusätzlich übernimmt ein Ingenieurbüro die Projektkoordination, um die einheitliche und ineinandergreifende Erstellung zu gewährleisten. Dies ist wichtig, denn Wasser macht nicht an Verwaltungsgrenzen halt.
Unterstützt nach der Förderrichtlinie der Wasserwirtschaftsverwaltung
Die anschließende Umsetzung der Maßnahmen liegt bei den Kommunen, die für den Gewässerunterhalt zuständig sind. Die Zuständigkeit wird im Landeswassergesetz (LWG) in § 35 geregelt. Da die erforderlichen Maßnahmen mitunter hohe Kosten verursachen, werden sie gemäß der Förderrichtlinie der Wasserwirtschaftsverwaltung gefördert.
Eine Katastrophe wie das Hochwasser 2021 darf niemals ohne Folgen bleiben. Hier sind alle Ebenen gefragt – das Land, die Kommunen und auch die Bürger müssen Wege finden, sich auf künftige Extremereignisse besser vorzubereiten. Naturnahe Gewässer mit Rückhaltepotenzialen, die im Hochwasserfall aktiviert werden können, und ein angepasster Gewässerunterhalt sind essenzielle Bausteine einer effektiven Hochwasser- und Starkregenvorsorge.
Eine angepasste Flächennutzung kann dazu beitragen, Schadenspotenziale zu vermindern und trotzdem ein Leben am Fluss zu ermöglichen. Eins ist klar: Die große Aufgabe der nachhaltigen Hochwasservorsorge kann nur von einer Solidargemeinschaft der kommunalen Familie bewältigt werden. Annalena Goll
Die Autorin: Dr. Annalena Goll ist Referentin für Hochwasser- und Starkregenvorsorge im Klimaschutzministerium Rheinland-Pfalz und Leiterin des Kompetenzzentrums Hochwasservorsorge und Hochwasserrisikomanagement.