Das Ziel von „Komm.A“: stark werden im Umgang mit Rassismus und Hass. Wie werden die beteiligten Modellkommunen dabei unterstützt – und wie können interessierte Städte und Gemeinden von ihren Erfahrungen profitieren?
Worum geht es bei Komm.A: „Kommunale Allianzen & Strategien gegen Rassismus und Hass“?
Daniel Bartel: Anfeindungen, Hass und Bedrohung haben zu genommen. Rassismus und Rechtsextremismus sind häufige Motive. Das bekommen auch kommunale Spitzen sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung zu spüren, die Haltung zeigen und für demokratische Werte einstehen. Das Anliegen von Komm.A ist es, die Menschen vor Ort zu vernetzen und und zu stärken, um so nachhaltige Veränderung zu bewirken.
Was heißt das konkret?
Bartel: Die konkreten Bedarfe sind unterschiedlich, und genau das ist für uns grundlegend: Wir wollen ein möglichst weitreichendes Spektrum. Für eine unserer großen Modellkommunen war es beispielsweise zentral, mit einer Mitarbeiterbefragung Aufmerksamkeit und mehr Wissen zu schaffen: Welche Erfahrungen haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Hass und Rassismus gemacht, wie gehen sie damit um, welche Ansprechpartner haben sie gefunden, was fehlt? Anderen geht es insbesondere um Prävention oder darum, sich als Kommune besser aufzustellen, indem Zuständigkeiten und Abläufe erarbeitet und Ansprechpersonen sichtbar werden. Oftmals ist es auch ein Ziel, Mitarbeiter und Führungskräfte zu sensibilisieren und sie im Umgang mit Bürgerinnen und Bürgern, aber auch im Umgang miteinander zu stärken.
Nach welchen Kriterien haben Sie die zehn Modellkommunen ausgewählt?
Bartel: Wie bei den Bedarfen ist es uns wichtig, auch bei den Rahmenbedingungen und Strukturen ein möglichst großes Spektrum abzubilden. Ausgewählt haben wir zehn Kommunen aus acht Bundesländern verteilt über das ganze Bundesgebiet. Es sind Landkreise dabei, kreisfreie Städte, kleine und große Kommunen aus dem ländlichen und dem urbanen Raum: Berlin Mitte ebenso wie Görlitz, Wismar, Dinslaken oder Heilbronn.
Beim Projekt Komm.A sind neben den Modellkommunen 65 Netzwerkkommunen dabei. Wie arbeiten Sie mit ihnen zusammen?
Bartel: Mit den zehn Modellkommunen arbeiten wir vor Ort: an bis zu 80 Beratungstagen. Für die Netzwerkkommunen bieten wir verschiedene Austausch- und Vernetzungsformate an. Dazu gehören unter anderem Themenworkshops, kollegiale Beratungen und Kommunen-Tandems. Die Netzwerkkommunen bilden keine geschlossene Gruppe: Wir freuen uns, wenn weitere Gemeinden dazukommen und sich mit anderen zusammenschließen.
Gibt es Themen, die für alle beteiligten Kommunen gleich sind?
Bartel: Ein Anliegen verbindet alle: Rassismus und Hass und damit verbundene Anfeindungen zum Thema zu machen und als Kommune Verantwortung zu übernehmen. Diese Themen gehören nicht oder jedenfalls nicht nur in Kaffeepausen und in den informellen Austausch. Die Botschaft lautet: Wer Hass und Rassismus erlebt, ist nicht allein und erhält Unterstützung.
Was kann Komm.A hier leisten?
Bartel: Das Projekt begleitet die Modellkommunen auf ihrem Weg. Die drei Eckpfeiler unseres Angebotes sind: Aufbau und Pflege handlungsfähiger Allianzen zwischen Verwaltung, Sicherheitsbehörden und der Zivilgesellschaft; Entwicklung von verwaltungsinternen Strategien und Konzepte für den Umgang mit Anfeindungen; und die Stärkung von Führungskräften sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durch Schulungsangebote. Dabei können Kommunen oftmals auch schon auf Vorhandenes zurückgreifen und es weiterentwickeln. Am Anfang steht die Frage: Was braucht die Kommune? Welche Maßnahmen sind notwendig und sinnvoll?
Wo stehen Sie aktuell bei Komm.A?
Bartel: Aktuell sind wir mitten in der Umsetzungsphase und lernen gemeinsam. Der gesamte Prozess wird durch einen Lenkungskreis aus der Kommune getragen und eng begleitet. Konkret können das komplexe Prozesse wie die Erarbeitung eines Übergriffsmanagements sein, aber auch kleine Dinge. In einem Landkreis, mit dem ich arbeite, ist „die laminierte Doppelseite in der Schublade“ zum geflügelten Wort geworden. Hier geht es um ein Papier für die Bürgermeister und Bürgermeisterinnen, das die wesentlichen Ansprechpersonen und Telefonnummern bündelt. In beiden Beispielen geht es um die Beantwortung der Frage: Was geschieht, wenn etwas passiert? An wen kann man sich wenden, wenn man selbst oder Mitarbeiter mit Hass und Rassismus konfrontiert sind? Was ist der erste Schritt? Wer kennt sich aus? Wer ist zuständig?
Wie steht es in diesem Kontext um Bürgermeisterinnen und Bürgermeister?
Bartel: Viele verstehen sich als Einzelkämpfer und machen zunächst viel mit sich selbst aus. Sie sind zwar mit Kollegen und Kolleginnen vernetzt. Aber auch hier sind erlebte Bedrohungen und Anfeindungen eher etwas für den informellen Austausch in kleiner Runde. Grundsätzlich ist das eine wichtige Ressource, aber nicht alle haben sie, und nicht immer ist sie ausreichend. Es ist hilfreich und entlastend, wenn es in der Gruppe beispielsweise zudem explizite Ansprechpartner gibt. Auch hier beraten wir, machen Vorschläge und ermutigen zu Vernetzung und Erfahrungsaustausch.
Sie haben bereits einiges an Erfahrungen sammeln können — was ist für Sie zentral bei Komm.A?
Bartel: Genau hinzuschauen, was jede Kommune braucht. Grundlegend geht es aber eben darum, Wege zu ebnen, Strukturen zu schaffen, Ansprechpartner zu benennen oder sichtbar zu machen. Der erste Schritt muss klar sein — und da geht es darum, für jede Kommune und auch für den Bürgermeister, die Bürgermeisterin, das zu finden, was für sie genau jetzt passt. Neben Strukturen und Rahmenbedingungen ist das die Sensibilisierung für demokratische Werte und den Schutz von Mitarbeitern, und es kann eben erst einmal entscheidend sein, ein Papier mit Telefonnummern zusammenzustellen. Ziel ist es, den Modellkommunen so genau und so individuell wie möglich zu helfen – und diese Maßnahmen und Erfahrungen mit anderen Kommunen in unseren Workshops zu teilen.
Zur Person
Daniel Bartel ist als Berater beim Institut IMAP für das Projekt Komm.A tätig.
Interview: Sabine Schmidt