Klärschlammvererdung auf Norderney

Zeit für Entspannung: Tourismus und ein schonender Umgang mit der Umwelt gehören für Norderneys Bürgermeister Frank Ulrichs zusammen. Foto: Adobe Stock/Steffen

Vor 30 Jahren war Norderney Pionier bei einem speziellen Umgang mit Klärschlamm. Dieses Jubiläum wird jetzt gefeiert – und der Bürgermeister erklärt, warum sich die umweltschonende Vererdung auf Schilfbeeten bewährt hat.

Klärschlamm assoziiert man nicht unbedingt mit dem Knallen von Sektkorken. Warum feiern Sie 30 Jahre Klärschlammvererdung auf Norderney?

Frank Ulrichs: Weil wir Umweltgeschichte geschrieben haben. Klärschlamm kann mit Schwermetallen belastet sein, der größte Teil ist aber landwirtschaftlich wiederverwertbar. Es gibt also den „guten“ Klärschlamm, den Landwirte als wirksamen Stickstoff und Phosphordünger schätzen. Und es gibt den „schlechten“ Klärschlamm, der normalerweise kosten- und energieintensiv thermisch entsorgt wird. Auf Norderney haben wir den guten, setzen jedoch zusätzlich auf Vererdung: Dabei wird unser Klärschlamm durch ein Vererdungsbeet entwässert, das mit speziellem Schilf bepflanzt ist. Dieses Verfahren betreibt Norderney seit 30 Jahren sehr erfolgreich – und jetzt feiern wir eine Innovation, die auf unserer Insel zum ersten Mal „Going Live“ geschaltet wurde.

Was bringt es, Klärschlamm auf speziellen Schilfbeeten zu verteilen?

Ulrichs: Die Entwässerung durch Schilf kostet nur Sonne, Zeit und Raum. Zudem wird die zu verwertende Restmasse durch Mineralisierungsprozesse im Boden erheblich reduziert. Mikrobiologische Prozesse führen dazu, dass wir am Ende eine nährstoffreiche Erde gewinnen, die wieder als wertvolle Ressource der Landwirtschaft, Rekultivierung und dem Landschaftsbau zugeführt werden kann. Zudem ist die Vererdung enorm kosten- und energiesparend, weil sie ohne Technik und Maschinen auskommt.

Über welches Einsparungspotenzial reden wir bei einer Klärschlammvererdung gegenüber den herkömmlichen Methoden?

Ulrichs: Seit 1991 wurden fast 500.000 Tonnen Klärschlamm über die neun Schilfbeete geleitet, die in der Zeit 22 Mal geräumt wurden. Doch nur knapp 27.000 Tonnen Klärschlammerde mussten abtransportiert und entsorgt werden – 94,5 Prozent wurden also durch die Natur verwertet. Gleichzeitig konnte die Insel durch das Verfahren der Vererdung über den Zeitraum von 30 Jahren rund 7000 Tonnen CO2 einsparen.

Vor 30 Jahren war das neu – was hat überzeugt?

Ulrichs: Damals fuhr der Norderneyer Stadtrat zu Dr. Pauly nach Witzenhausen: Dort waren die Ursprünge der Pauly Group, die uns seitdem begleitet. Es gab keine Pilotanlage, keine fachlichen Expertisen oder wissenschaftliche Empfehlungen, und der Stadtrat wollte sich vor Ort ein Bild machen. Man sah nur Schilf, keine Technik, nur biologische Prozesse, keine Chemie – das hat überzeugt.

Was waren dann Ihre ersten Schritte zur Klärschlammvererdung?

Ulrichs: Alles startete mit dem Bau von zunächst sechs Entwässerungs- und Trocknungsbeeten. Schon die ersten Beete bewiesen, dass das System der rein ökologischen Entwässerungstechnik bestens funktioniert. Es gab also kein Zurück mehr, selbst als im letzten Schritt große rechtliche Unsicherheiten aufkamen.

Was hat das bedeutet?

Ulrichs: Die Rahmenbedingungen für die landwirtschaftliche Verwertung von aufbereitetem Klärschlamm wurden mit der Änderung der Düngemittelverordnung 2013, der Düngeverordnung 2015 und der Abfallklärschlammverordnung 2017 stark eingeschränkt. In Deutschland brach darauf hin ein Klärschlammnotstand aus, der die Kommunen bis heute vor ernsthafte Probleme stellt und mancherorts für eine maßgebliche Verteuerung der Abwasserpreise geführt hat. Die landwirtschaftliche Verwertung wird auf dem Festland zunehmend problematischer und kostenintensiver. Eine thermische Verwertung macht aber auch keinen Sinn, da im Land die Kapazitäten dafür fehlen und die Kosten dafür die gewohnten Maßstäbe sprengen.

Wie sieht es da gegen mit der Klärschlammverwertung auf Norderney aus?

Ulrichs: Seit 2012 konnten wir in jedem Jahr den Klärschlamm der landwirtschaftlichen Verwertung zuführen – selbst in Zeiten, als andere Kommunen gezwungen waren, Klärschlämme zu sehr hohen Kosten einer Verbrennung zuzuführen.

Sehen Sie sich gewappnet für zukünftige Herausforderungen?

Ulrichs: Sicherlich wird die hohe Dynamik zwischen rechtlichen Anforderungen, unseren eigenen Ansprüchen an eine umweltschonende, nachhaltige Abwasserbeseitigung und der Klärschlammverwertung neue Herausforderungen bringen. Doch wir sind zuversichtlich, sie im konstruktiven Miteinander von Behörden, verantwortlichen Mitarbeitenden und der Pauly Group lösen zu können. Die Schilfbeete haben sich bewährt – wir werden in den nächsten Jahren nicht fürchten müssen, auf unserem vererdeten Klärschlamm sitzen zu bleiben.

Interview: Claudia Klaft

Zur Person: Frank Ulrichs (SPD) ist Bürgermeister von Norderney.

Foto: privat

Die Autorin: Claudia Klaft ist im Bereich Unternehmenskommunikation als freie Texterin tätig.