Keine Krise der Kommunen

Um den Bundeshaushalt steht es nicht so gut, die Schuldenquote steigt. Foto: Adobe Stock/bluedesign

Wie groß ist der Einfluss der Corona-Pandemie auf die kommunalen Haushalte – heute und in zehn Jahren? Wie können Städte und Gemeinden die Megatrends von morgen finanziell stemmen? Lars P. Feld, ehemaliger Wirtschaftsweiser und Berater der Regierung, erläutert seine Sicht.

Wie können die Kommunen die Folgen der Corona-Krise für Wirtschaft und Tourismus auffangen?
Lars P. Feld: Die Kommunen müssen dafür sorgen, dass sie für Wirtschaftsansiedlungen attraktiv bleiben. Dazu ist es notwendig, sich zu fragen: Stehen genügend Gewerbeflächen zur Verfügung? Was können wir im Hinblick auf die Erschließung tun? Wie lässt sich die Attraktivität der Innenstädte sicherstellen, beispielweise mit guten Verkehrskonzepten? Kommunen können mit den Unternehmen vor Ort, die durch die Corona-Pandemie besonders betroffen sind, attraktive Konzepte entwickeln und das Einkaufserlebnis für die Kunden sichtbar machen, sodass diese gerne wieder in die Innenstädte kommen. Aber da lässt sich mit den Gewerbetreibenden vor Ort und den Verbänden gut zusammenarbeiten, um die Ausfälle aus der Corona-Krise relativ rasch wieder aufzuholen.
Meinen Sie, ein rasches Aufholen ist tatsächlich realistisch?
Feld: Ja, wir werden rasch wiederaufholen können. Man muss ja sehen, dass Marktein- und austritte in den besonders stark von Corona betroffenen Branchen eher leichter möglich sind. Im Vergleich: Wenn ein Unternehmen aus dem verarbeitenden Gewerbe aufgeben muss, ist es deutlich schwieriger, eine Neuansiedlung zu erreichen und jemand Neues zu finden, der bereit ist, als geschäftstüchtiger, risikobereiter Unternehmer einzuspringen.
Bedarf es dafür weniger Regularien und Bürokratie?
Feld: In der Tat behindern diese die Innovation gerade im Sinne von Markteintritten. Ich möchte aber nicht einfach nur sagen: Bürokratieabbau, Deregulierung. Ich will eine effektive Regulierung auf das Ziel hin, das erreicht werden soll. Nur haben wir häufig ein Ressortdenken in unterschiedlichen Regulierungsbereichen, die sich gegenseitig in ihrer hemmenden Wirkung verstärken. Eine bessere Koordination und eine systemische Betrachtung, beides zusammen, ist wahnsinnig wichtig. Der Bund überweist die durch die Corona-Beschränkungen ausgefallenen Gewerbesteuern an die Kommunen und verschuldet sich damit selbst weiter. Ist das der einzige Weg zum Ziel?
Feld: Man muss zunächst feststellen, dass die Kommunen die einzige gebietskörperschaftliche Ebene sind, die im Jahr 2020 in ihrer Gesamtheit Überschüsse realisiert haben. Also bei allen Sorgen, die die kommunalen Spitzenverbände nach Berlin tragen, ist das durchaus mit etwas mehr Zurückhaltung zu betrachten. Das bedeutet auch, dass die Investitionstätigkeit der Kommunen angesichts der Entwicklung aus den vergangenen Jahren nicht zurückgefahren werden muss. Klar ist die kommunale Familie sehr unterschiedlich. Es gibt Städte, denen es schlecht geht, denen es auch schon vor der Krise schlecht ging. Und es gibt Städte, denen es hervorragend geht. Aber das bedeutet nicht, dass wir die anderen gebietskörperschaftlichen Ebenen dauerhaft in Geißelhaft nehmen dürfen, um das Geschäft der Kommunen zu übernehmen. Die Zahlung der Gewerbesteuerausfälle ist aus meiner Sicht in Ordnung. Wir werden dieses Jahr noch einmal überlegen müssen, was so ein Nachhalleffekt bei der Gewerbesteuer ausmachen wird. Dann reicht es aber vorerst mal.

Kommunale Altschulden bleiben wo sie sind

Bietet sich jetzt eine Verhandlung über eine Übernahme der Altschulden an?
Feld: Von einer Übernahme der kommunalen Altschulden halte ich überhaupt nichts und rate weiterhin dazu, das keinesfalls zu machen. Das entlässt bestimmte Länder aus der Pflicht. Und ich denke, dass wir im Hinblick auf die Strukturbereinigung bei den Kommunalfinanzen vor allem auf die Länderkompetenz setzen müssen. Länder wie Nordrhein-Westfalen, das Saarland und Rheinland-Pfalz haben hier noch Hausaufgaben, die sie vor der Krise nicht erledigt haben und die jetzt anstehen. Aber ich sehe keine Krise der Kommunen am Horizont aufziehen. Das vergangene Jahr spricht eigentlich für das Gegenteil.
Die Schuldenbremse ist aktuell ausgesetzt. Wie lange können wir uns das leisten?
Feld: Wir sind, was die Verschuldung betrifft, noch in einer relativ komfortablen Position. Wir haben eine sehr solide Finanzpolitik in den letzten zehn Jahren betrieben und sind von einer Schuldenquote in Höhe von 82,7 Prozent im Jahr 2010 runter auf 59 Prozent im Jahr 2019. Das ist immerhin eine Konsolidierung von mehr als 20 Prozentpunkten des Bruttoinlandsprodukts. Das stützt die Erwartung aller Finanzmarktteilnehmer, dass Deutschland weiterhin einer der solidesten Schuldner auf den internationalen Märkten bleibt. Im letzten Jahr sind wir mit der Schuldenquote zwar kräftig nach oben gegangen, von 59 auf 70 Prozent. Da stecken aber auch Garantien, Bürgschaften und Kredite mit drin, die der Staat vergibt. In einem gewissen Umfang müssen diese ja in die Schuldenquote eingerechnet werden.
Wann wird die Schuldenquote wieder im gesetzlichen Rahmen sein?
Feld: Wir werden dieses Jahr, und wenn die Ausnahmeklausel der Schuldenbremse auch noch 2022 gezogen wird, noch nächstes Jahr eine weitere zusätzliche Verschuldung haben, sodass wir bei knapp 75 Prozent Schuldenquote landen könnten. Ich sage das sehr vorsichtig, weil viel davon abhängt, was von den Mitteln, die ins Schaufenster gestellt werden, tatsächlich auch abfließt. Ich empfehle insgesamt in diesen ganzen Diskussionen eine Finanzpolitik der ruhigen Hand – in alle Richtungen: in Richtung derjenigen, die jetzt sparen wollen, und derjenigen, die Steuererhöhungen fordern. Ich würde seitens der Finanzminister und Kämmerer abwarten, was in diesem Jahr passiert, und mich dann darauf einstellen, in den kommenden zehn Jahren wieder zu konsolidieren.
Das heißt konkret?
Feld: Ich denke, ab 2023 wird man zur Regelgrenze der Schuldenbremse zurückkehren. Dann sind meines Erachtens nennenswerte Puffer in den öffentlichen Haushalten vorhanden, insbesondere beim Bund, sodass die Regelgrenze ohne massive Ausgabenkürzungen oder Steuererhöhungen erreichbar ist. Dann werden wir trotzdem in den folgenden zehn bis 15 Jahren aufpassen müssen, dass die Ausgaben nicht aus dem Ruder laufen. Das liegt daran, dass die finanzpolitischen Herausforderungen in dieser längeren Frist größer sind als in den vergangenen zehn Jahren, wenn man beispielsweise an die Demografie denkt.

Vier Megatrends bringen neue Herausforderungen

Welche Herausforderungen warten in diesen zehn bis 15 Jahren?
Feld: Neben der Demografie und der Digitalisierung steht der Klimawandel ganz oben auf der Agenda. Als vierter Megatrend gehört noch alles dazu, was im Bereich internationale Wirtschaft angesiedelt ist. Es ist notwendig, bei diesen vier Megatrends genau hinzuschauen: Was ist die Herausforderung, was davon muss staatliche Maßnahmen auslösen und sind das Maßnahmen, die Mehrausgaben darstellen? Ich finde, dass man an manchen Stellen zu pauschal diskutiert. Die Vorstellung, wir brauchen einen 500 Milliarden-Euro-Fonds für öffentliche Investitionen ist meines Erachtens nur eine Umgehung der Schuldenbremse. Ich stelle fest, dass wir Jahr für Jahr seitens des Bundes höhere Investitionen ins Schaufenster stellen und die Mittel nicht oder unzureichend abfließen.
Woran liegt das?
Feld: Wir haben eine ganze Reihe von Hemmnissen bei öffentlichen und privaten Investitionen. Deshalb rate ich dazu, das sehr differenziert zu betrachten. Beispiel Klimaschutz: Das wichtigste Element des Klimaschutzes ist der CO2-Preis. Damit nimmt man Geld ein. Diese Mehreinnahmen können dafür verwendet werden, Menschen mit niedrigen Einkommen zu unterstützen, um dadurch die Akzeptanz der Klimaschutzpolitik zu fördern.

Interview: Dirk Täuber

 

Zur Person: Lars P. Feld ist Professor für Wirtschaftpolitik an der Uni Freiburg und Leiter des dortigen Walter-Eucken-Instituts.

Foto: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirt. Entwicklung