Kommunale IT-Dienstleister und Start-ups stehen im Zentrum einer neuen Studie: In welchen Bereichen sind sie aktiv, mit welchen Strategien und für welche Kunden entwickeln sie Lösungen und Konzepte? Hier sind erste Antworten.
Interne Verwaltungsmodernisierung, OZG, demografischer Wandel und dazu Mobilitätswandel, Klimakrise, Flüchtlingsfrage – die Anforderungen an die Kommunen und ihre IT wachsen. Seit den 1960er Jahren übernehmen kommunale Dienstleister die IT-Versorgung von benachbarten Städten und Gemeinden. Durch Fusionen und Kooperation der kommunalen IT-Dienstleister sind in den vergangenen Jahren Unternehmen entstanden, die teils Kommunen ganzer Bundesländer versorgen. Ziel ist, Synergieeffekte zu nutzen, die Effizienz durch Standardisierungen, vor allem bei Fachanwendungen, zu erhöhen und Kosten einzusparen.
Die kommunalen IT-Dienstleister sind wichtige und verlässliche Partner für Städte und Gemeinden. Kommunale Träger, Mitglieder oder Gesellschafter können Aufträge direkt an ihre regionalen kommunalen IT-Dienstleister vergeben (Inhouse-Geschäft). So entsteht eine langjährige Zusammenarbeit bei geringem organisatorischem Aufwand.
Wettbewerb ist aber ein bedeutender Treiber für Innovationen in Smart Cities und Smart Regions und damit für innovative digitale Lösungen für Städte und Gemeinden. Junge, agile Start-ups bieten seit einigen Jahren ein breites Angebot für öffentliche Auftraggeber an. Die Abbildung auf Seite 28 stellt die Geschäftsfelder von 163 deutschen GovTech-Startups dar (kurz für Government Technology): Schwerpunkte zeigen sich bei Lösungen für die digitale Verwaltung sowie bei innovativen Produkten für Klimaschutz und Mobilität. In den speziellen Bereichen der kommunalen Versorger (Wasser, Abwasser und Entsorgung) ist die Anzahl noch gering.
Die Zusammenarbeit mit Start-ups bietet konkrete Vorteile für Kommunen. Sie arbeiten fokussiert in einem Problemfeld: Das bedeutet, dass sie einen konkreten Bedarf identifizieren und für diese Herausforderung eine technologische Lösung entwickeln. Außerdem arbeiten die kleinen Unternehmen flexibel und agil und gehen im Projektverlauf auf die Bedarfe der einzelnen Kommunen ein. Die Gründerinnen und Gründer betreuen ihre Kommune in ihrem Pilotprojekt sehr eng. Gleichzeitig unterstützen Städte und Gemeinden durch die Beauftragung von lokalen Start-ups die Gründerszene und kreative Ideen vor Ort.
Kollege KI hilft bereits vor Ort
Beispiele für die erfolgreiche Einführung von Start-up-Lösungen gibt es bereits in vielen Kommunen. Die baden-württembergische Großstadt Heilbronn hat ihr Stadtarchiv mit künstlicher Intelligenz digitalisiert, und in Bochum zeigt die Badeampel an, ob die Wasserqualität eines Sees zum Schwimmen ausreicht. Die hessische Mittelstadt Bad Hersfeld hat gemeinsam mit einem Start-up eine zentrale städtische Datenplattform aufgebaut. Die Gemeinde Kirchheim bei München überwacht mit den Sensoren eines Start-ups die Gesundheit der städtischen Bäume, und für die Hansestadt Hamburg übersetzt der Algorithmus eines Start-ups Inhalte der Website automatisch in sogenannte leichte Sprache. Mehrere Kommunen aus Baden-Württemberg haben ihre Straßenzustandserfassung mit künstlicher Intelligenz automatisiert.
Die Kommune ist die Hauptzielgruppe von GovTech-Start-ups. Die Hälfte der von uns untersuchten 163 jungen Unternehmen hat die kommunale Ebene als alleinige Zielgruppe, 95 Prozent bieten Lösungen unter anderem für sie an. In einer repräsentativen Untersuchung deutscher Kommunen erklärten jedoch nur sieben Prozent der Befragten, bereits IT-Aufträge an Start-ups vergeben zu haben (Stadt. Land.Digital-Kommunalstudie 2022: „Kommunale Herausforderungen digital meistern“).
Zum Nachlesen
Das Wissenschaftliche Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste (WIK) hat in einer neuen Studie kommunale IT-Dienstleister hinsichtlich ihres Angebots, ihrer Kunden und Entwicklungsstrategien untersucht. Zudem wurden in Deutschland 163 GovTech-Start ups identifiziert und analysiert.
Am WIK entstand auch die aktuelle Stadt.Land.Digital Kommunalstudie 2022 mit repräsentativen Daten zum Digitalisierungsstand von Kommunen in Deutschland „Kommunale Herausforderungen digital meistern“.
Eine Hürde der Zusammenarbeit von Kommunen und Start-ups liegt in der innovativen Beschaffung und dem Vergabeprozess. Für Kommunen ist es eine He-rausforderung, Vergabeverfahren so zu gestalten, dass sich Start-ups bewerben können. Es gibt aber Stellschrauben für eine innovationsoffene Beschaffung:
- Funktionale Leistungsbeschreibungen bieten Raum für innovative Ideen: Es wird das zu lösende Problem beschrieben, anstatt einen konkreten Lösungsweg vorzugeben. Das erlaubt Unternehmen, einen eigenen innovativen Weg vorzuschlagen.
- Eignungskriterien sind oft eine unüberwindbare Hürde für Start-ups: Umsatzzahlen der letzten drei Geschäftsjahre, spezielle Zertifikate oder Referenzaufträge können viele junge Unternehmen noch nicht erfüllen. Es lohnt sich, kritisch zu hinterfragen, welche Kriterien für die Auswahl eines Auftragnehmers wirklich erforderlich sind.
- Zuschlagskriterien: Innovative Lösungen haben oft einen höheren Anschaffungspreis, dafür können Kommunen Einsparungen über die Nutzungsdauer erzielen.
Es kann für größere Kommunen sinnvoll sein, die Zusammenarbeit mit Start-ups organisatorisch zu unterstützen. Beispiele dafür finden sich in Hamburg und in Leipzig. Die sächsische Metropole sucht jährlich in der Smart City Challenge Leipzig nach innovativen Lösungen für städtische Herausforderungen. Jeweils die drei besten Ideen werden gemeinsam weiterentwickelt. So gibt es bereits drei mögliche Vergleichsangebote, und die beste Idee wird schließlich erprobt und eingesetzt.
Die Start-up-Einheit GovTecHH der Freien und Hansestadt Hamburg ist ein zentraler Ansprechpartner für Start-ups. Sie schafft einen Überblick über Bedarfe in der Verwaltung und sucht nach passenden Lösungen im Markt.
Starthilfe für junge Unternehmen – und frischer Wind für die Kommune
Kommunale IT-Dienstleister sind wichtige und verlässliche Partner für die Kommunen. Der Aufgabenbereich der kommunalen IT wächst jedoch, und die Komplexität nimmt zu. Junge, innovative Start-ups bieten besonders viele Lösungen im Bereich Smart City und Smart Region an. Die kommunalen IT-Dienstleister sind hier bisher weniger aktiv, sodass die Start-ups ein ergänzendes Angebot bereitstellen. Es ist ratsam für Kommunen, mit mehr Mut vielfältige Quellen für ihre digitale Transformation zu suchen.
Annette Hillebrand, Jana Stuck
Die Autorinnen
Annette Hillebrand ist stellvertretende Leiterin der Geschäftsstelle Stadt.Land.Digital und Projektleiterin bei WIK Wissenschaftliches Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste/WIK-Consult. Jana Stuck ist als Wirtschaftswissenschaftlerin bei Stadt.Land.Digital und WIK tätig.