Ist Highspeed-Internet auf der Zielgeraden?

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Das Ziel: Glasfaser bis in den letzten Winkel in den nächsten Jahren. Noch aber sieht Professor Jens Böcker Gesprächs- und Handlungsbedarf. Foto: Adobe stock/Christian Schwier

Die Gigabitstrategie 2.0 des Bundes ist gestartet, Highspeed-Internet auf dem Weg. Wie ist dieser Weg zu beurteilen? Jens Böcker – Autor von Analysen des Bundesverbands Breitbandkommunikation (BREKO) – kommentiert.

Der Aufbau von Telekommunikationsinfrastruktur ist ein langfristiges und gut planbares Geschäft. Doch dieses Image hat seit Ende 2022 Kratzer abbekommen, da mit Hello Fiber und Glasfaser Direkt gleich zwei ausbauende Unternehmen den Markt verlassen haben. Seitdem wird spekuliert, welche Auswirkungen damit verbunden sind und wie es mit dem Ausbau von Highspeed-Internet in Deutschland weitergeht.

Doch zunächst zu den Fakten: Mitte 2022 betrug die Glasfaserquote in Deutschland 26 Prozent. Gemäß der Definition von Homes Passed − Glasfaserkabel ist in der Straße verlegt, jedoch noch nicht an die Häuser angeschlossen − haben etwas mehr als ein Viertel aller Haushalte, Unternehmen und Behörden in Deutschland Zugriff auf Highspeed-Internet.

Damit hat sich der Ausbaustatus im Vergleich zu den vergangenen Jahren sichtlich verbessert. Bleibt es bei der aktuellen Ausbaugeschwindigkeit, sind nach aktuellen Einschätzungen die politischen Ausbauziele, also 50 Prozent Homes Passed bis 2025, erreichbar. Allerdings existieren Risiken, die das Erreichen dieser Ziele gefährden können. Exemplarisch seien die folgenden Punkte genannt:

  • Preissteigerungen durch die hohe Inflation und Nachfrage: Kostensteigerungen lassen sich insbesondere in den Bereichen Tiefbau (rund 20 bis 30 Prozent), Personal und Material feststellen. Ein derartiger Kostendruck führt üblicherweise zu einer Anpassung der Preise im Markt. Aufgrund der vorherrschenden Wettbewerbssituation lassen sich allerdings nur wenige Preiserhöhungen feststellen. Diese Situation führt dazu, dass mancher Business Case bei den Netzbetreibern neu gerechnet werden muss und sich die Amortisationszeiträume von Investitionen erheblich verlängern.
  • Langsame und nicht-digitalisierte Genehmigungsverfahren: Die Planungszyklen sind in Deutschland nach wie vor lang. Bestrebungen des Bundes und der Bundesländer, insbesondere Hessen und Rheinland-Pfalz, sollen dies ändern. Das im Rahmen des Onlinezugangsgesetzes (OZG) entwickelte bundesweite Breitbandportal wird dazu beitragen, Beantragung und Genehmigungsprozess des Breitbandausbaus zu vereinfachen. Das Breitbandportal unterstützt damit das in der Gigabitstrategie des Bundes geäußerte Ziel, die Genehmigungsverfahren zukünftig zu beschleunigen.
  • Fachkräftemangel in allen Bereichen des Glasfaserausbaus: Der Fachkräftemangel ist auch im Telekommunikationsmarkt spürbar. Vor diesem Hintergrund verstärken Netzbetreiber erheblich ihre Anstrengungen, sich als attraktive Arbeitgeber zu positionieren. Zusätzlich werden die Kontakte zu Universitäten und Hochschulen intensiviert, um bei Bachelor- und Masterabsolventen frühzeitig die gewünschte Aufmerksamkeit zu bekommen.

Angesichts dieser Entwicklungen lässt sich folgende mittelfristige Prognose ableiten: Das Tempo des Ausbaus von Highspeed-Internet in Deutschland wird sich fortsetzen. Sowohl das Ausscheiden von kleineren Netzbetreibern als auch die genannten Risikofaktoren werden voraussichtlich keine spürbaren Auswirkungen auf den flächendeckenden Ausbau haben.

Abgelegene Orte sollen dabei sein

Eine wichtige Rahmenbedingung für den Glasfaserausbau in Deutschland sind die durch die Politik geschaffenen Förderbedingungen. Eine Befragung der Netzbetreiber hat gezeigt, dass der eigenwirtschaftliche Ausbau klare Priorität hat. Er verspricht mehr Flexibilität für die Netzbetreiber und Highspeed-Internet.

Aktuell zeichnet sich ab, dass sich die Förderung in Zukunft stärker an den regionalen Ausgangsbedingungen orientieren wird. Das heißt: Dort zu unterstützen, wo ansonsten kein oder erst sehr spät ein Netzausbau erfolgen würde. Die neue Förderrichtlinie ist am 3. April 2023 in Kraft getreten. Zielsetzung der Novelle der Gigabitrichtlinie ist es, ein funktionierendes Nebeneinander zwischen eigenwirtschaftlichem und gefördertem Ausbau sicherzustellen.

Bei Open Access ist Luft nach oben

Die Zusammenarbeit zwischen Netzbetreibern kommt beim Open Access zum Ausdruck. Open Access wird als freiwillige Öffnung eines Netzes für Wettbewerber verstanden. Mit anderen Worten: Ein Netzbetreiber verlegt Glasfaserkabel, ein oder mehrere Wettbewerber dürfen in diesem Fall das Netz mitnutzen. Voraussetzung ist, dass sowohl die technischen als auch die ökonomischen Aspekte bilateral abgestimmt werden und ein Wille zur Zusammenarbeit existiert.

In der Theorie liest sich dieser Ansatz gut. In der Praxis zeigt sich, dass technische Hürden − etwa Durchgängigkeit der Service Level Agreements, Angebot von Layer 2-Bitstrom als Vorleistungsprodukt − und teilweise unattraktive kaufmännische Angebote die Umsetzung erschweren.

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Bei den BREKO Fiberdays 2023 wurde hierfür folgendes Beispiel zitiert: Im Rahmen von bilateralen Verhandlungen zwischen Netzbetreibern wurde ein Wholesale Angebot von 35 Euro pro Anschluss und Monat unterbreitet. Der Open Access anbietende Netzbetreiber hatte jedoch ein vergleichbares eigenes Angebot in Höhe von 29 Euro im Markt. Dieses Pricing hat prohibitiven Charakter. Denn es zielt darauf ab, dass keine Einigung zwischen den Netzbetreibern gewollt ist.

Der Blick in andere Länder zeigt, dass sich Open Access durchaus zum Standard entwickeln kann. Wird dieser Ansatz umgesetzt, findet anstelle eines Wettbewerbs bei der Infrastruktur ein Wettbewerb bei den Diensten statt. Der Vorteil für den Kunden ist in der Regel ein attraktives Preisniveau für die Dienste.

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Zu den strittigen Punkten im Markt zählt eine mögliche Open Access-Regulierung: Der überwiegende Anteil der Carrier vertraut auf funktionierende Marktmechanismen und fordert derzeit keine Regulierung in diesem Geschäftsfeld. Service Provider – also Diensteanbieter ohne eigenes Netz – befürworten demgegenüber eher eine Regulierung, um sich den langfristigen Zugang zu anderen Netzen abzusichern.

Nachjustierungen in Sachen Highspeed-Internet sind erwünscht

Die Deutsche Telekom hat ihre Ausbauziele für Glasfaser − rund drei Millionen Homes Passed für 2023 − erheblich nach oben gesetzt. Dabei wird es unvermeidlich zum Doppelausbau von Glasfaserinfrastruktur kommen, was volkswirtschaftlich kritisch zu bewerten ist. Die aktuelle Marktsituation ermöglicht jedoch diesen Wettbewerb. Ein funktionierendes und attraktives Open Access-Geschäft ist eine wichtige Stellschraube, um einem Überbau in der Kommune entgegenzuwirken.

Ziel für die Kommunen ist ein zügiger Ausbau des Glasfasernetzes, um den privaten Haushalten und Unternehmen einen performanten Internetzugang zu bieten und so die Chancen der Digitalisierung nutzen zu können. Jedoch müssen die Kommunen sich angesichts der genannten Entwicklungen mit verschiedenen Fragen auseinandersetzen:

  • Wer ist der geeignete Netzbetreiber für den Glasfaserausbau vor Ort?
  • Welche Zeitplanung ist angesichts des geplanten Ausbaus realistisch?
  • Was wird bis wann gebaut, wann sind die einzelnen Gebäude angeschlossen und der Dienst für den Nutzer verfügbar?
  • Welchen Stellenwert hat Open Access für den Netzbetreiber?
  • Wird möglicherweise Glasfaserinfrastruktur überbaut und welche Konsequenzen wird das nach sich ziehen?
  • Sind die auszubauenden Gebiete förderungswürdig? Welches Verhältnis zwischen eigenwirtschaftlichem und gefördertem Ausbau lässt sich daraus mit welchen Konsequenzen ableiten?
  • In welcher Weise sollten die Tiefbauarbeiten durchgeführt werden und können sie mit anderen Leistungen kombiniert werden?
  • Welchen Stellenwert hat Nachhaltigkeit für den Netzbetreiber und werden nachhaltige Kriterien beim Ausbau berücksichtigt?

Insgesamt läuft dies auf ein umfassendes Screening und eine sorgfältige Auswahl der Netzbetreiber hinaus. Detaillierte Gespräche mit den in Frage kommenden Unternehmen sind unausweichlich. Messlatte für den Ausbau sind verbindliche Ausbaupläne auf Basis von Homes Connected. Erst dann ist der Dienst für den Kunden verfügbar und kann beauftragt werden.

Netzbetreiber und Kommunen können weiterhin die Vorteilhaftigkeit von Highspeed-Internet im Vergleich zu anderen Technologien herausstellen. Auf diese Weise kann die Take-up-Rate − das Verhältnis der zur Verfügung stehenden Anschlüsse und der tatsächlich aktivierten Anschlüsse − positiv beeinflusst werden.

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Vorteile von Glasfaser sind zum Beispiel bessere Stabilität, Zuverlässigkeit und Geschwindigkeit im Vergleich zu anderen Technologien, steigender Immobilienwert. Von den Nutzern wird das zu- nehmend erkannt: So lag die Take-up-Rate erstmals in Deutschland bei 47 Prozent und damit nur noch knapp unter dem europäischen Durchschnitt von 49 Prozent. Letztlich können Kommunen unterstützen, indem sie Netzbetreibern mögliche Zeitfenster für die Arbeiten nennen, die durchzuführen sind. So erhalten Netzbetreiber die für sie wichtige Planungssicherheit.

Die Nutzer sind zunehmend dabei

Insgesamt lässt sich feststellen, dass der Glasfaserausbau in Deutschland vorankommt. Der erste Schritt ist Homes Passed, was Voraussetzung dafür ist, dass Haushalte und Unternehmen angeschlossen werden (Connected) und später den Dienst nutzen können (Activated). Nutzer erkennen zunehmend die Vorteile von Glasfaser, was in der steigendenden Take-up-Rate zum Ausdruck kommt.

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Zum Beispiel bei der Metallverarbeitung weiß man die Vorteile von Glasfaser zu schätzen: Sie bietet bessere Stabilität und Geschwindigkeit im Vergleich zu anderen Technologien, betont Jens Böcker. Foto: Adobe Stock/FotoArtist

Highspeed-Internet gern schneller

Kommunen sind gefordert, diesen Prozess in ihrem Verantwortungsbereich aktiv mitzugestalten und ihre Spielräume zu nutzen. Hierzu zählt insbesondere, mit den Netzbetreibern in einen konstruktiven Dialog zu treten und die geeigneten zu identifizieren. Ebenso wichtig ist es, den gesamten Entscheidungs- und Planungsprozess zu vereinfachen und zu beschleunigen.

Jens Böcker


Der Autor

Dr. Jens Böcker ist Marketing-Professor mit dem Schwerpunkt innovative Technologien an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Zudem ist er wissenschaftlicher Beirat in der Managementberatung Böcker Ziemen in Bonn.