Nachtaktive Insekten orientieren sich an Mond oder Sternen, werden aber von der Straßenbeleuchtung von ihrem Weg abgebracht, mit Folgen auch für Mensch und Umwelt. Forscherin Sybille Schroer sucht nach Beleuchtungsalternativen. Kommunen wirken dabei engagiert mit.
Betrachtet man das nächtliche Umherschwirren von Insekten an einer Straßenleuchte mit den Augen einer Wissenschaftlerin, die ihr Wirken dem Schutz der Insekten verschrieben hat, dann möchte man die Leuchte einfach nur ausschalten: die Insekten aus den „Staubsaugern“ befreien, die Nacht für Nacht millionenfach an Straßen und Wegen die Tiere aus ihren wichtigen ökologischen Aufgaben saugen.
Aber Beleuchtung ist wichtig, sie kann Wohlbefinden spenden, lässt uns nach Sonnenuntergang aktiv sein und gibt vielen das Gefühl von Sicherheit. Ohne geht es wohl nicht – aber kann nicht etwas gegen das nächtliche Licht direkt in der Flugbahn von Insekten, auf Schlafzimmerfenstern und in Grünbereichen getan werden?
Das Aktionsprogramm Insektenschutz hat bewirkt, diese Überlegung in ein Straßenbeleuchtungsdesign umzusetzen. Im Verbundprojekt „Artenschutz durch umweltverträgliche Beleuchtung (AuBe)“ wurde im Rahmen des Bundesprogramms Biologische Vielfalt eine neue Leuchte entwickelt. Beteiligt ist die Arbeitsgruppe Lichtverschmutzung und Ökophysiologie am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin (IGB) in Kooperation mit dem Fachgebiet Lichttechnik der TU Berlin. Diese neu entwickelte Leuchte soll in der Flugbahn der Insekten kaum wahrnehmbar, trotzdem verkehrssicher sein und normgerecht Straßen beleuchten.
Als Auftragsarbeit fertigte die Firma Selux in Berlin nach den Vorgaben des Verbundes 24 Leuchten: für das Experimentalfeld des IGB, auf dem seit 2012 die Auswirkungen von unterschiedlichen Leuchten auf ein gewässernahes Ökosystem getestet werden. Zudem wurden Leuchten für vier Partnergemeinden hergestellt.
Die Gemeinden, die im Verbundprojekt AuBe kooperieren, sind bereits zertifiziert oder möchten eine Zertifizierung als sogenannter Sternenpark erhalten. Das sind Auszeichnungen für Gebiete, die sich für den Erhalt eines sichtbaren Sternenhimmels einsetzen.
Die Stadt Fulda ist in Europa die erste ausgezeichnete „Sternenstadt“. Gülpe in Brandenburg liegt im „Sternenpark Westhavelland“. Neuglobsow am Stechlinsee und die Stadt Krakow am See in Mecklenburg-Vorpommern bemühen sich derzeit um die Auszeichnung.
Diese vier Gemeinden stellen je eine Straße in Gewässernähe zur Verfügung, an der vier Jahre lang Versuche durchgeführt werden. Es geht darum, mit Fallen an den Leuchten und im Gewässer herauszufinden, wie sich das Verhalten der Insekten an der neuen Beleuchtung im Vergleich zur alten verändert. Eine geeignete Lage der Versuchsgebiete in Gewässernähe war Voraussetzung, weil sich dadurch die Herkunft von aquatischen Insekten gut bestimmen lässt.
Viele Helfer sind vor Ort dabei
Bei den Untersuchungen geht es der IGB-Arbeitsgruppe nicht nur um die Attraktionswirkung der Leuchten, sondern auch um die Barrierewirkung, die in Reihe geschaltete Leuchten auf Insekten ausüben können. Die Anziehungsradien sind meist so hoch, dass sie von der einen oder anderen Leuchte angezogen werden und nur selten den Lebensraum hinter der Straßenbeleuchtung erreichen.
Straßenbeleuchtung wird für die Bevölkerung betrieben, daher ist es wichtig, sie auch einzubeziehen. Die Partizipation im Projekt erfolgt auf unterschiedliche Weise. In Fulda bot sich beispielsweise der Kanu-Club an, die Insektenproben aus dem gleichnamigen Fluss zu nehmen. Beim ersten Hochwasser zeigte sich diese Beteiligung als äußerst hilfreich.
Im Westhavelland beteiligen sich Experten für Insektenkunde an der taxonomischen Bestimmung der gefangenen Insekten. Was Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler oft mühselig erarbeiten müssen, erkennen die Insektenspezialisten auf den ersten Blick.
In Krakow am See beteiligen sich Kita-Kinder an den Untersuchungen und staunen über ihre Großeltern, die so viel mehr über die Sechsbeiner wissen als ihre Eltern. In Neuglobsow haben Schülerinnen die Untersuchungen mit eigenen Ideen und Experimenten bereichert.
Das neue Lichtkonzept geht auf
Die Erwartungen der Arbeitsgruppe wurden übertroffen. Die ersten Ergebnisse legen dar, dass nicht nur weniger Insekten von den Leuchten angezogen werden, sondern dass sie sich so verhalten, als wäre das Licht aus. Die Messungen der TU Berlin zeigen, dass durch das neue Beleuchtungsdesign mehr Licht auf der Straße ankommt und weniger in die Umgebung scheint. Wir können also in Zukunft unsere Wege verkehrssicher beleuchten und Rücksicht auf den Lebensraum der Insekten nehmen.
Die Erfahrungen bei den Umrüstungen haben uns gelehrt, dass die Erneuerung öffentlicher Beleuchtungsanlagen hochkomplex und das Geld für Investitionen in den Kommunen oftmals knapp ist. Es führt allerdings oft zu Mehrkosten, wenn man an Beleuchtungsexpertise spart. Durch eine lichttechnische Planung der Anlagen und regionale Beleuchtungskonzepte lassen sich Kosten und Energieverbrauch reduzieren. Durch Ausschreibungen, die von Fachpersonal geleitet sind, können Beanstandungen vermieden oder im Nachhinein durchgesetzt werden, womit Kommunen sonst oft überfordert sind.
Am besten Fachpersonal einschalten
Wir empfehlen daher, mit Lichtplanern Beleuchtungskonzepte zu entwickeln und nur unter fachlicher Begleitung in eine neue Technologie zu investieren, um die Innovationen voll ausnutzen zu können. Sollte das Budget dafür zu knapp sein, lohnt es sich, vorerst durch Beleuchtungsstärkeregelung, die sich in jeden Stromschrank einbauen lässt, Energie und Geld zu sparen. Denn unter zu hellem Licht in der Nacht leiden die meisten Gemeinden ebenso wie Mensch und Tier.
Sibylle Schroer
Die Autorin
Dr. Sibylle Schroer ist Wissenschaftliche Koordinatorin für Nachhaltigkeitsforschung am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei.