Hochschulen für den öffentlichen Dienst setzen auf Blended-Learning

Viele Hochschulen greifen auch in der Pandemie auf Präsenzprüfungen zurück. Die Herausforderung dabei ist die Einhaltung der Hygienemaßnahmen und Abstandsregeln. Foto: Adobe Stock/Brastock Images

Seit Pandemiebeginn haben Formen des digitalen Unterrichts an Bedeutung gewonnen. Dennoch können sie die Präsenzlehre nicht vollständig ersetzen. Die Lösung: Mischformate, die digitale und analoge Lehrveranstaltungen kombinieren.

Mit mehr als 60.000 Studierenden, fast 700 Professoren, über 1000 hauptamtlichen Dozenten und noch mehr Lehrbeauftragten stellen die 37 Hochschulen für den öffentlichen Dienst (HöD) in Deutschland einen bedeutenden Hochschulbereich dar. Dieser bildet für die tragende Säule der Mitarbeitenden in den Verwaltungen von Bund, Ländern und Kommunen im ehemals gehobenen Dienst aus. Die Hochschulen für den öffentlichen Dienst sind in fast allen Bundesländern und beim Bund den fachlichen Bereichen der allgemeinen Verwaltung, der Polizei, der Rechtspflege und der Finanzen zugeordnet.

Kaum ein Ereignis hat die Hochschullandschaft in Deutschland so tief und nachhaltig tangiert wie die Pandemie. Wie für nahezu alle Hochschulen trat im März 2020 der erste Lockdown in Kraft, wodurch die meisten Einrichtungen geschlossen wurden. Die Lehre wurde nahezu komplett auf Online umgestellt, was in der Summe gut funktionierte und nicht zuletzt dem wertvollen Beitrag der Bundesarbeitsgemeinschaft „Digitale Lehre“ geschuldet war. Der ersten Euphorie folgte jedoch bis heute eine deutliche Ernüchterung. Im Laufe der Zeit wurden zahlreiche Hochschulen wieder ganz oder teilweise geöffnet und die Präsenzlehre wieder aufgenommen.

Online-Lehre erst nur als Notbetrieb

Bislang wurde die Digitalisierung als langsamer Veränderungsprozess im Sinne einer schrittweisen Organisationsentwicklung betrachtet. Die Pandemie brachte jedoch ein „Business Re-Engineering“, mit dem alles in kurzer Zeit neu gemischt, gedacht, organisiert und gehandelt werden musste. Die zwangsweise ausschließliche Online-Lehre während der Pandemie muss jedoch als Notbetrieb angesehen werden.

Die HöD wollen weder Fern-, noch Online-Hochschulen werden. Digitalisierung bedeutet nicht den Abschied von, sondern die Bereicherung der Präsenzlehre. Die Lehre der Zukunft wird deshalb im Regelfall aus „Blended-Lösungen“ bestehen – analog und digital.

So kann das Beste aus beiden Welten genutzt werden. „Blended Learning“ eröffnet einen weiten Anwendungsbereich und kann Potenziale erschließen, besonders für die HöD. Das Centrum für Hochschulentwicklung stellte 2020 eine Bestandsaufnahme für das erste Online-Semester zusammen, die auch für die HöD zutrifft:

  1. Das digitale Sommersemester 2020 war für Hochschulverwaltung, Lehrende und Studierende ein Kraftakt, hat aber funktioniert. Der Anteil der ausgefallenen oder verschobenen Veranstaltungen an den HöD lag bei unter fünf Prozent.
  2. Die Grundvoraussetzungen zur Teilnahme an digitaler Lehre sind nicht flächendeckend vorhanden.
  3. Für Lehrende und Studierende zeigte sich eine erhöhte Arbeitsbelastung.
  4. Der aktuelle Lernerfolg bei den Studierenden war nicht schlechter als in der analogen Präsenzlehre.
  5. Die Umstellung auf den Online-Lehrbetrieb ging zu Lasten der Chancengerechtigkeit für Studierende. Wer bereits vor dem Corona-Semester studierte, hat nun bessere Chancen.
  6. Viele Hochschulen greifen weiter auf Präsenzprüfungen zurück.

In der ersten Phase 2020 haben sich zahlreiche Lehrkräfte zusammengefunden, um ein Alternativmodell zum bestehenden Präsenzmodell des Unterrichts zu entwickeln. Alle Beteiligten waren sich nach kurzer Diskussion darüber einig, dass die Corona-Pandemie eine einmalige Chance darstellt, die Möglichkeiten einer umfassenden Modernisierung der Lehre an den HöD zu nutzen.

Sonderkonferenz „Post-Corona-Zeit“

Mit der Ausbildung der weiteren Wellen der Pandemie wurde klar, dass dieses Thema immer wichtiger werden würde. Und so wurde Anfang Januar 2021 eine Sonderkonferenz der HöD mit dem Titel „Post-Corona-Zeit – Strategien für ein modernes Blended-Learning“ durchgeführt, die einen Blick auf die Nach-Coronazeit eröffnen sollte.

Nicht zuletzt wurde aufgrund der großen Ambivalenz und unterschiedlichen Entwicklungen und Vorgaben in den Bundesländern ein RK-HöD-Monitor entwickelt, der in regelmäßigen Abständen die aktuelle Situation sowie die Planungen und Einschätzungen der Hochschulleitungen standardisiert abfragt und veröffentlicht.

Die Community der „Blended-HöD“ wuchs in der Pandemie von Tag zu Tag an, sodass der dringliche Wunsch entstand, die bisherigen Ergebnisse und Aktivitäten der HöD bis heute in einem wissenschaftlichen Band zusammenzufassen. Dieser wird in Kürze erscheinen. Jürgen Stember

Der Autor: Prof. Dr. Jürgen Stember ist Präsident der Rektorenkonferenz der Hochschulen für den öffentlichen Dienst (RKHöD).