Natur- und Umweltschutzprojekte bieten vielfältige Potenziale zum gegenseitigen Kennenlernen von Einheimischen und Zuwanderern. Der erste Schritt zur Integration kann beim Gärtnern oder einer Müllsammelaktion gemeistert werden. Beispiele kommen etwa aus Osnabrück, Ludwigsburg und Eberswalde.
Die Integration geflüchteter Menschen ist eine Querschnittaufgabe, die auf alle gesellschaftlichen Bereiche zielt. Vielfältige Chancen bietet der Natur- und Umweltschutz. Vor diesem Hintergrund hat die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) 2015 ein Sonderprogramm aufgelegt und bundesweit 55 Projekte mit 2,5 Millionen Euro gefördert. „Und dieses Programm wirkt“, betonte der stellvertretende DBU-Generalsekretär Prof. Werner Wahmhoff anlässlich der Jahrespressekonferenz der Stiftung im Juli 2017.
Sichtbar wird dies beispielhaft am 2016 gestarteten Projekt „Querbeet“ in Osnabrück (Niedersachsen), dessen Konzept vom Kinderhilfswerk Terre des Hommes entwickelt wurde. Verantwortlich für die Umsetzung vor Ort ist die gemeinnützige Kinder- und Jugendhilfe Outlaw, die zu diesem Zweck mit den beiden Schrebergartenvereinen Deutsche Scholle und Kleingartenverein Süd kooperiert.
Bislang erhielten fünf Familien aus Syrien die Möglichkeit, eigene Parzellen zu bewirtschaften. Da die Grundstücke über viele Jahre brachlagen und verwildert waren, stand den Freiwilligen anfangs ein Landschaftsgärtner zur Seite. „Inzwischen haben sich neue Kontakte und Aktivitäten ergeben“, stellt Outlaw-Bereichsleiterin Gabi Gaschina fest und berichtet von zwei älteren Frauen, denen die Gartenarbeit im Verein zu anstrengend geworden war. „Jetzt teilen sie sich ihre Parzellen mit zwei weiteren Flüchtlingsfamilien.“
Das gemeinnützige Unternehmen Outlaw versteht seine Funktion in erster Linie darin, Brücken zwischen den Vereinsmitgliedern und den neuen Akteuren zu bauen. Das Projekt werde nach und nach zum Selbstläufer. Anfangs habe es vereinzelt auch kritische Stimmen gegeben. Doch inzwischen seien gute und tragfähige Verbindungen zu den Nachbarn entstanden, betont Gaschina. „Die Tatsache, dass die Geflüchteten seit rund zwei Jahren in Deutschland leben und über gute Deutschkenntnisse verfügen, hat diesen Prozess erleichtert.“
Integration könne nicht von oben verordnet werden, sondern finde im Kleinen statt, sozusagen beim Gespräch über den Gartenzaun hinweg. „Sich gegenseitig bei der Gartenarbeit zu helfen, zu sehen, was andere säen, die Ernte miteinander zu teilen – all das verbindet und baut Berührungsängste ab“, so ihre Beobachtung. Nutzgärten seien den Geflüchteten aus ihrer Heimat vertraut, ganz im Gegensatz zum Umweltschutz. Daher vermittelt Projektmitarbeiterin Farina Schubert auf praxisorientierte Weise, welche Vorteile der biologische Anbau bietet und gibt Einblicke in Sinn und Zweck des Kompostierens. Außerdem klärt sie darüber auf, welche heimischen Pflanzen giftig sind.
Gemeinsames Gärtnern verbindet
Bereichsleiterin Gaschina spricht von einem Lernprozess für beide Seiten. Anfangs sei es den Flüchtlingsfamilien nicht leicht gefallen, das für sie ungewohnte Regelwerk der Vereine zu verstehen. „Doch auch manche Vereinsmitglieder mussten sich in Geduld üben, weil die Verschönerung der Gärten einiges an Zeit beanspruchte.“ Die Stadt Osnabrück sei zwar nicht in das Projekt eingebunden, begrüße diese Initiative zur Integration von Flüchtlingsfamilien jedoch außerordentlich.
Doch auch über die DBU-Integrationsprojekte hinaus existiert eine Vielzahl an Aktivitäten, die auf den Umwelt- und Naturschutz setzen. So fand im März und April 2016 anlässlich des Weltwassertags der Vereinten Nationen die vierte Müllsammelaktion „Mein Main muss sauber sein“ statt. Es beteiligten sich über 25 Vereine und Organisationen, und erstmalig auch Geflüchtete aus Syrien, Afghanistan und mehreren afrikanischen Ländern.
„Es war erfreulich, dass wir auf niedrigschwellige Weise zum Mitmachen anregen konnten“, sagt Anne Schmitt, Geschäftsführerin vom Verein Flussparadies Franken. Der Kontakt war durch Aushänge in arabischer Sprache sowie durch die Betreuer in den Flüchtlingsunterkünften zustande gekommen. Diese hatten sich zuvor in der örtlichen Presse über das Vorhaben informiert und dafür gesorgt, dass die Helfer pünktlich zum Treffpunkt gelangten.
Organisatorische Unterstützung leisteten außerdem die Verwaltungen der Abfallwirtschaft in den bayerischen Landkreisen Bamberg und Lichtenfels sowie die Flussmeisterstelle Lichtenfels. Dazu gehört auch ein Brotzeitgeld als Dankeschön. „Die Aktion kam bei allen Beteiligten gut an“, resümiert Schmitt. Gerade während der Wanderungen durch die Natur hätten sich viele Gelegenheiten ergeben, auf entspannte Weise miteinander ins Gespräch zu kommen. Das Interesse sei beim darauffolgenden Aktionstag etwas geringer gewesen als beim ersten Mal.
Zugang zum Arbeitsmarkt
Einen anderen Ansatz verfolgten die Technischen Dienste (TDL) der Stadt Ludwigsburg (Baden-Württemberg). Dort verknüpften Mitarbeiter der Grünpflege verschiedene Tätigkeitsbereiche im Garten- und Landschaftsbau sowie im Natur- und Landschaftsschutz mit Integrationsmaßnahmen in den Arbeitsmarkt. Eingeteilt in Einsatztruppen, lernten junge Flüchtlinge von März 2016 an ein Jahr lang, wie man Bäume schneidet, Teiche entkrautet oder fachgerecht mit einer Motorsense umgeht. Außerdem beteiligten sie sich an Pflanzaktionen. Zusätzlich erteilte ihnen eine Englisch und Arabisch sprechende Mitarbeiterin der Stadt an vier Tagen in der Woche für jeweils zwei Stunden Deutschunterricht.
Allerdings waren die verschiedenen Arbeitseinsätze, wie Bereichsleiter Thomas Kaltwasser schildert, nicht für jeden das Richtige gewesen. „Erfreulicherweise sind vier junge Männer aus Afghanistan über das Projektende hinaus bei uns geblieben. Sie nehmen weiter am Deutschunterricht teil und werden in Kürze einen festen Arbeitsvertrag als Gartenbauhelfer bei den TDL erhalten.“ Sollten sich deren Deutschkenntnisse weiter verbessern, sei künftig eine Ausbildung denkbar.
Den Ansatz der beruflichen Integration einschließlich des Deutschunterrichts verfolgte auch die Stiftung Waldwelten am Standort Eberswalde (Brandenburg). Allerdings mit dem Unterschied, dass Geflüchtete aus Eritrea und Somalia ihre Fähigkeiten – neben dem Garten- und Landschaftsbau – zusätzlich in der Forstwirtschaft sowie in der Zimmerei und Tischlerei erproben konnten.
Michaela Allgeier
Die Autorin
Michaela Allgeier, Essen, ist Autorin und Beraterin in den Themenfeldern Demografische Entwicklung und Gerontologie sowie Integration
Info: Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt fördert innovative Projekte rund um die Umwelt. Dazu gehören der Bereich Umweltschutz, -technik und -forschung. Außerdem sind Themen wie Naturschutz sowie Umweltkommunikation und Kulturgüterschutz Schwerpunkte. Seit der Aufnahme der Stiftungsarbeit im Jahr 1991 hat die Stiftung mehr als 9000 Projekte unterstützt. Sie hat ihren Sitz in Osnabrück.
Geld für Deutschkurse: Das Land Baden-Württemberg stellt den Stadt- und Landkreisen weitere 4,2 Millionen Euro für Deutschkurse für Geflüchtete zur Verfügung. Ziel des Förderprogramms ist es, die Lücken des Bundes bei der Sprachförderung für Geflüchtete zu schließen. Denn Sprachkenntnisse sind die wesentliche Voraussetzung für eine erfolgversprechende Integration. Sie erleichtern den Zugang zum Arbeitsmarkt und ermöglichen eine bessere Teilhabe an der Gesellschaft. Laut Sozial- und Integrationsminister Manne Lucha sind die geförderten Sprachkurse ein wichtiger Baustein, um aus Geflüchteten Bürger zu machen. Insgesamt stellt das Land Baden-Württemberg den Kreisen in diesem Jahr 6,2 Millionen Euro über das Programm „Verwaltungsvorschrift Deutsch für Flüchtlinge“ zur Verfügung. Über das Programm können Kreise Fördermittel vom Land für ihr Angebot an Deutsch-Sprachkursen für Geflüchtete erhalten. Dazu kommen weitere Mittel aus dem Pakt für Integration mit den Kommunen.