Gerd Landsberg: „Wir brauchen Vereinfachungen“

Gerd Landsberg vom Deutschen Städte- und Gemeindebund sieht im Planungsbeschleunigungsgesetz einen richtigen Schritt, um bei wichtigen Investitionsprojekten Tempo zu machen. Es müssten aber auch die Kommunen in die Lage kommen, ihren Investitionsstau schneller abbauen zu können.

Herr Landsberg, knapp 160 Milliarden Euro Investitionsrückstand bei den Kommunen, davon über 38 Milliarden im Bereich der Straßen- und Verkehrsinfrastruktur, aber im Entwurf des Planungsbeschleunigungsgesetzes der Bundesregierung werden die drängenden Investitionsanliegen der Städte und Gemeinden nicht einmal erwähnt. Verstehen Sie das?

Landsberg: Grundsätzlich ist es ein richtiger Schritt, Planungsverfahren zu beschleunigen, die insbesondere bei sehr großen Vorhaben ein kaum handhabbares Maß an Komplexität erreicht haben. Dies haben auch wir immer wieder gefordert. In einem nächsten Schritt muss es aber darum gehen, auch die Kommunen in die Lage zu versetzen, schneller, unbürokratischer und effizienter investieren zu können.

Was halten Sie generell vom Vorstoß des Bundesverkehrsministers in Sachen Planungsbeschleunigung?

Landsberg: Wir begrüßen diesen Vorschlag. Es muss zukünftig Projekte von besonderer gesellschaftlicher Relevanz geben, die eben Vorrang gegenüber anderen Interessen haben. Sonst verlieren wir in Deutschland gegenüber anderen Staaten an Boden.

Was wäre mit Blick auf den kommunalen Sektor erforderlich, um dringend benötigte Investitionen in die Infrastruktur schneller voranzubringen?

Landsberg: Dazu haben wir gerade Vorschläge vorgelegt. Vereinfachungen sind aus unserer Sicht besonders bei Ausschreibungen und Vergaben notwendig. In diesem Bereich brauchen wir diese jetzt, um schneller investieren zu können. Derzeit können wir trotz steigender Investitionen nicht mit dem Sanierungsbedarf Schritt halten. Konkret fordern wir, dass für die Sanierung von Schulen und Sportstätten für Aufträge bis zu einer Höhe von zwei Millionen Euro im Baubereich und 150 000 Euro im Liefer- und Dienstleistungsbereich eine Beschränkte Vergabe ohne vorherige öffentliche Bekanntmachung ermöglicht werden soll. Dies sollte nach kurzfristiger Aufforderung einer begrenzten Anzahl geeigneter Unternehmen und einem schnell vorzunehmenden Wirtschaftlichkeitsvergleich zulässig sein.

In welchen Investitionsbereichen drückt die Kommunen der Schuh am stärksten?

Landsberg: Gerade bei den Schulen und Bildungseinrichtungen ist ein immenser Sanierungs- und Investitionsstau aufgelaufen. Wir sprechen hier nach den Ergebnissen des diesjährigen KfW-Kommunalpanel von beinahe 50 Milliarden Euro alleine in diesem Bereich.

Das Planungsbeschleunigungsgesetz sieht die Möglichkeit vor, künftig auf Erörterungstermine als Mitwirkungsmöglichkeit für Bürger und Umweltverbände verzichten zu können. Können Sie gutheißen, dass mit dem Abbau bürokratischer Hürden gleichzeitig auch Rechtsschutz- und Beteiligungsstandards reduziert werden?

Landsberg: Da müssen wir von Fall zu Fall genau hinschauen. Wir haben in Deutschland im Bau- und Planungsrecht gute und umfassende Beteiligungsmöglichkeiten. Allerdings darf man auch nicht übersehen, dass diese Möglichkeiten die Verfahren sehr in die Länge ziehen können. Hier müssen wir zwischen dem Ausmaß der Partizipationsmöglichkeiten und der notwendigen Effizienz sorgfältig abwägen und darauf achten, dass beides ausgewogen zueinander steht.

Ist am Ende nicht mit noch größeren zeitlichen Verzögerungen zu rechnen, wenn Bürger und Umweltverbände, die nicht umfassend an Vorhabenplanungen beteiligt werden, den Weg der gerichtlichen Klärung einschlagen?

Landsberg: Es war und ist auf kommunaler Ebene gute Praxis, die Bürgerinnen und Bürger möglichst frühzeitig in die Prozesse einzubeziehen. Das funktioniert in aller Regel auch sehr gut. Allerdings ist auch in diesen Fällen nicht immer sichergestellt, dass am Ende von einzelnen Personen dennoch der Klageweg beschritten wird.

Das Baugewerbe beklagt, dass die Planungskapazitäten in den Rathäusern für die Umsetzung von Investitionsvorhaben zu gering sind. Müssten nicht zunächst die Planungs- und Genehmigungsbehörden personell aufgestockt werden, wenn Bauvorhaben beschleunigt werden sollen?

Landsberg: Natürlich fehlt es vielfach auch an Personal. Kommunen waren über viele Jahre zum Sparen gezwungen, denn wir haben ja vor nicht allzu langer Zeit massive Defizite in den Kommunalhaushalten zu beklagen gehabt. Auch heute gibt es viele Städte, die immer noch keinen ausgeglichenen Haushalt vorlegen können. Nicht zuletzt deshalb fordern wir ja auch die Möglichkeit, unbürokratisch zu investieren. Denn klar ist, dass wir das notwendige Personal auch nicht über Nacht finden, selbst wenn die Finanzmittel dafür vorhanden sind.

Selbst dort, wo Bund und Länder finanzschwachen Städten und Gemeinden in diversen Programmen großzügig Zuschüsse für Investitionen bereitstellen, ist nicht selten kein Geld da, weil die Kreditaufnahme gedeckelt wurde und sich der kommunale Eigenanteil nicht stemmen lässt. Wie könnte der Weg aus diesem Dilemma aussehen?

Landsberg: In diesen Fällen müssen wir schleunigst Regelungen finden, die es ermöglichen, in diesen Fällen auf den Eigenanteil zu verzichten. Auch diese Kommunen müssen in die Lage versetzt werden zu investieren. Wenn wir das nicht schaffen wird sich die Schere zwischen armen und reichen Kommunen, auch mit Blick auf die Lebens- und Standortqualität, immer weiter öffnen.
Interview: Wolfram Markus

Zur Person: Dr. Gerd Landsberg (Jg. 1952; (gerd.landsberg@dstgb.de) ist Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB). Die berufliche Laufbahn des Rechts- und Politikwissenschaftlers führten über das Richteramt am Landgericht Bonn, die Mitarbeit im nordrhein-westfälischen Justizministerium sowie seine Referentenstelle im Bundesministerium der Justiz über das Richteramt am Oberlandesgericht Düsseldorf zum DStGB. Dort wurde er 1992 zum Beigeordneten und 1996 zum =Hauptgeschäftsführer gewählt. Landsberg ist verheiratet und hat drei Kinder.