Freie Räume schaffen

Kinder zeigen den Verantwortlichen für
 die Spielleitplanung in Städten und Gemeinden, wo sich ihre Geheimverstecke befinden. Foto: Planungsbüro Stadtkinder GmbH

Kinder brauchen die Möglichkeit, draußen spielen zu können. Damit die jungen Bürger ihrem Bewegungsdrang in ihrem Wohnort nachgehen können, gibt es die Spielleitplanung – ein Instrument für die Umsetzung kind- und jugendgerechter Städte und Gemeinden.

Stadtentwicklung und Dorferneuerung bedeuten in erster Linie das Aushandeln von unterschiedlichen Interessen. Für die vielfältigsten Belange gibt es die dazu passenden Instrumente und Verfahren, in der Regel auch mit einer gesetzlichen Verankerung. Auch die Belange von Kindern und Jugendlichen sind mit der Spielleitplanung planungsinstrumentell unterlegt. Kinder müssen – auch wenn derzeit Corona-Richtlinien zu berücksichtigen sind – draußen spielen, in ihrem Wohnumfeld, in ihrem Quartier. Spiel, Bewegung und Aufenthalt im Freien sind existenzielle Grundbedingungen für ein gesundes Aufwachsen von Kindern. Das freie Spiel mit Gleichaltrigen macht Kinder zu starken, empathiegeleiteten Persönlichkeiten. Freies Draußenspiel braucht Freiräume. Die für ein gesundes Aufwachsen von Kindern so wichtigen Freiräume umfassen mehr als nur mit Geräten möblierte Spielplätze. Betrachtet man das Nutzungsverhalten von Kindern, lässt sich beobachten, dass Kinder sämtliche Freiräume wie Straßen, Wege, Fußgängerzonen, Stadtplätze, aber auch brachliegende Flächen für Spiel, Bewegung und Begegnung mit Gleichaltrigen nutzen.

Die gesamten Freiräume einer Stadt und Gemeinde sind für Kinder Spiel-, Bewegungs- und Erfahrungsräume. Um die Belange von Kindern angemessen in die Stadtentwicklung und Dorferneuerung einbeziehen zu können, ist es notwendig zu wissen, wo sich Kinder aufhalten, welche Freiräume für sie die Funktion eines informellen Spielraums haben und wie sie diese sicher erreichen können. Diese Aspekte sind Teil des umfassenden Ansatzes der Spielleitplanung.

STÄRKUNG DER ALLTAGSDEMOKRATIE

Die Spielleitplanung verknüpft systematisch die Beteiligung von Kindern mit der planerisch-konzeptionellen Ebene – das ist ihre Stärke. Von Beginn an werden Kinder und Jugendliche in den Planungsprozess einbezogen. So zeigen beispielsweise Kinder auf ihren Streifzügen – eine erfahrungsintensive Methode zur Spielraumanalyse von Quartieren – den sie begleitenden Planern ihre Lieblingsorte. Es sind naturbelassene Freiräume am Rande und zwischen den bebauten Siedlungsbereichen, in denen Kinder ihre „Geheimverstecke“ haben.

Diese freien naturnahen Freiräume werden im Rahmen der Spielleitplanung systematisch erfasst, in ihrem Spielwert dargestellt und in Abhängigkeit von ihrer Bedeutung als Naturerfahrungsraum gesichert. Über kind- und jugendgerechte Beteiligungsformate werden junge Bewohner in die Entwicklung und Erneuerung von Quartieren einbezogen.

Immer wieder überraschen die Ergebnisse: So sind die Themen Sicherheit, Sauberkeit und Grün für Jugendliche in ihren Quartieren wichtige Anliegen – die Überschneidung in diesem Bereich mit Interessen von Senioren ist augenscheinlich. Werden beide demografische Gruppen zusammengebracht, entsteht etwas Neues: Senioren unterstützen Jugendliche bei der Umsetzung ihrer Projekte. Kinder und Jugendliche, die sich im Rahmen beteiligungsorientierter Prozesse der Spielleitplanung ernst genommen fühlen, bekommen eine Anbindung an die Politik und übernehmen Verantwortung. Die systematische und kontinuierliche Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen bindet zudem junge Menschen an das Gemeinwesen und dient der Stärkung der Alltagsdemokratie – auch das zeigt die Praxis der Spielleitplanungen.

Spielleitplanung ist kein starres Regelverfahren, sondern wird passgenau auf die lokalen Verwaltungsstrukturen, die örtlichen Akteure sowie auf die städtebaulichen Besonderheiten abgestimmt. Spielleitplanung ist kooperativ angelegt: Die Jugendämter, Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit sowie die Schulen werden zu verlässlichen Partnern der Stadtentwicklung und Dorferneuerung. Das Produkt der Spielleitplanung ist ein Planwerk mit dezidierten Aussagen für die Sicherung, Weiterentwicklung und Neuschaffung von Spiel-, Bewegungs- und Aufenthaltsräumen sowie deren Vernetzung.

Bestandteil des Planwerks ist zudem die zusammenfassende Darstellung von Maßnahmen mit einer groben Kostenübersicht, die als brauchbare Grundlage für die mittelfristige Haushaltsplanung dient. Die Verabschiedung der Spielleitplanung im Rat ist ein Zwischenschritt: Die Spielleitplanung ist von ihrer strategischen Ausrichtung von Beginn an auf die strukturelle Verankerung der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen angelegt. In vielen Städten und Gemeinden wird diese Beteiligung als ein fester Bestandteil der Planungskultur verankert. Mit der Anschlussfähigkeit an integrierte Planungen der Stadtentwicklung und der Dorferneuerung ist die Spielleitplanung eine zielführende Strategie für die erfolgreiche Akquirierung von finanziellen Mitteln aus der Städtebauförderung und der Dorferneuerung.

MENSCHENGERECHTE KOMMUNEN

Kinderfreundlichkeit eröffnet Handlungshorizonte für menschengerechte Städte und Gemeinden – sie steht für die Lebensqualität aller Generationen. Die Spielleitplanung entwirft ein Bild für menschengerechte Kommunen und überträgt es auf die Ebene kommunaler Entwicklungsplanungen – praxisbezogen, beteiligungsorientiert, strategisch ausgerichtet und motivierend. Die Spielleitplanung ist eine integrierte Fachplanung, vergleichbar mit zugehörigen Handlungskonzepten oder Dorferneuerungen. Zur Sicherung der erforderlichen Qualität sollten Spielleitplanungen extern an Planungsbüros mit einer entsprechenden Expertise vergeben werden – bestehende Förderprogramme der Städtebauförderung und der Dorferneuerung können für die Finanzierung der Spielleitplanung erschlossen werden.

 

So sieht ein detaillierter Entwurf für eine Spielleitplanung für Kinder und Jugendliche aus. Hier eine Karte von Bad Salzuflen in Nordrhein-Westfalen. Alle grün und blau markierten Stellen sind für den Nachwuchs interessant. Foto: Planungsbüro Stadtkinder GmbH

 

Pascale Schulte, Teamleiterin
Peter Apel, Geschäftsführer des Planungsbüros Stadtkinder in Dortmund