Fortschritt durch Wissenstransfer

Kommunale Unternehmen können wichtige Impulse in der Entwicklung von Ländern des globalen Südens geben. Einrichtungen der Abwasserentsorgung sind ein Beispiel dafür. Auch die Bundespolitik erkennt diese Leistung an und fordert die Kommunen zu starkem Engagement in der Entwicklungspolitik auf.

 

Mehr als zwei Drittel der kommunalen Abwasser auf der Erde bleiben unbehandelt. Ein Großteil der Weltbevölkerung ist damit einem gefährlichen, oft tödlichen Krankheitsrisiko ausgesetzt. Beim Know-how-Transfer könnten kommunale Unternehmen aus Deutschland eine wichtige Rolle spielen. Wie sehr dieses Wissen gefragt ist, belegt aktuell die Weltleitmesse für Wasser-, Abwasser-, Abfall- und Rohstoffwirtschaft IFAT. Die internationale politische Präsenz, die zahlreichen wirtschaftlichen Delegationen aus aller Welt und der Austausch von Technologieexperten auf der Messe Mitte Mai in München, all das zeige, so Stefan Rummel, Geschäftsführer der Messe München, „die IFAT treibt den gesellschaftlichen Diskurs aktiver voran denn je“.

Teil dieses Diskurses waren die gut besuchten Veranstaltungen, die das German WASH-Network gemeinsam mit der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) organisiert hatte. Mitglieder des WASH-Netzwerkes sind deutsche gemeinnützige Nichtregierungsorganisationen, die in der Entwicklungszusammenarbeit oder der humanitären Not- und Übergangshilfe tätig sind und sich im Arbeitsbereich Wasser, Sanitärversorgung, Hygiene (WASH) engagieren.

Bei einem dieser internationalen Foren ging es um die Frage, wie Versorgungsunternehmen im globalen Süden über Partnerschaften von Betreibern aus Deutschland so unterstützt werden können, dass sie eine sanitäre Grundversorgung in ihren Ländern besser und schneller erreichen können. Für Rüdiger Heidebrecht, Abteilungsleiter Bildung und internationale Zusammenarbeit bei der DWA, ist klar, dass gute Ausbildung und profundes Fachwissen der Schlüssel für nachhaltige Veränderungen sind. Heidebrecht beackert dieses Feld seit Jahren und berichtet darüber auf seiner Internetseite. Er ist Mitorganisator des internationalen Wettbewerbs „Water Skills Competition“, der unter anderem Teams aus Ägypten und Jordanien zu einem Besuch bei der IFAT verhalf. Die „Water Skills“ sprechen junge Menschen an und entwickeln die internationale Zusammenarbeit.

„Kommunale Unternehmen aus Deutschland können bei der Sanitärversorgung auch einen direkten Beitrag in der Entwicklungszusammenarbeit leisten“, sagt Stefan Reuter, Geschäftsführer von BORDA, einer zivilgesellschaftlichen Fachorganisation für kommunale Daseinsvorsorge. Möglich sei dies etwa durch Trainee- oder Freiwilligenprogramme, so Reuter. „Das wird von Unternehmen wie Hansewasser aus Bremen oder Hamburg Wasser angestrebt und teilweise schon praktiziert. Doch dafür muss ein klarer gesetzlicher Rahmen geschaffen werden“, fordert Reuter. Seine Organisation, die Bremen Overseas Development and Research Association, wurde 1977 in Bremen gegründet und ist heute mit 400 Mitarbeitern in 25 Ländern aktiv. In den rasant wachsenden Städten Afrikas und Asiens setzt BORDA auf dezentrale Abwassersysteme, die wartungsarm sind und ohne zusätzliche Energie funktionieren.

Kläranlage in Devanahalli

In der indischen Kleinstadt Devanahalli am Rande der Millionenmetropole Bangalore konnte BORDA seit 2016 gemeinsam mit der örtlichen Kommunalverwaltung das kreislauforientierte Fäkalschlamm-Management (FSM) umsetzen. Damit ist die verwaltungsrechtliche und operationelle Organisation der Abfuhr von Sickergruben und einer auf Wiedernutzung zielenden Behandlung der Fäkalschlämme gemeint. Nun soll dieses Konzept im Auftrag der Bill & Melinda Gates Foundation bis 2019 in 30 weiteren indischen Städten eingeführt werden und eine sichere Sanitärversorgung für rund eine Million Menschen gewährleisten. Der Beitrag von BORDA besteht vor allem in der Vermittlung von Expertise und im Training von Ingenieuren und Managern. Devanahalli zeigt vorbildlich, wie ein funktionierendes Modell für Sanitärversorgung im großen Stil skaliert werden kann.

Die Bedeutung der kommunalen Unternehmen für die Entwicklungszusammenarbeit erkennt auch die Bundesregierung. Bei der Jahrestagung 2017 des Verbandes der kommunalen Unternehmen (VKU) richtete Bundesminister Gerd Müller vom Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung einen geradezu flammenden Appell an die Unternehmen, sich in diesem Sektor stärker zu engagieren. „Ich möchte Entwicklungspolitik zur Normalität im kommunalen Alltag machen“, so Müller. „Wir müssen mithelfen, Probleme vor Ort zu lösen, sonst kommen die Folgen zu uns. Wir brauchen Entwicklungspolitik in neuen Dimensionen. Und dafür brauchen wir auch Sie, die Kommunen und ihre Unternehmen!“

Gesagt, getan? So einfach ist es dann doch nicht, erläuterte Christian Günner, Mitglied der Geschäftsleitung von Hamburg Wasser, Ende April bei einem Parlamentarischen Abend in Berlin. Das Unternehmen pflegt bereits verschiedene entwicklungspolitische Kooperationen, unter anderem mit der tansanischen Metropole Daressalam. Dabei geht es immer darum, gemeinsam mit Wasserbetreibern vor Ort Lösungen zur Betriebsoptimierung zu entwickeln und umzusetzen oder beim erstmaligen Betrieb neuer Anlagen zu unterstützen und Schulungen durchzuführen.

Politische Rahmenbedingungen verbessern

Das Ziel sei, bei den lokalen Unternehmen den dauerhaften Betrieb und die eigene Finanzierung sicherzustellen, so Günner. „Dieses Know-how haben wir und vermitteln es auch gerne. Aber die Politik muss dafür die Finanzierung gewährleisten. Denn die gemeinwohlorientierten kommunalen Unternehmen dürfen die Gebühren nicht ins Ausland tragen.“ Der Bund solle deshalb im Haushalt 2019 ein entsprechendes Budget bereitstellen, forderte Günner. Die German Water Partnership, ein Netzwerk von Unternehmen und Institutionen aus dem Wassersektor, unterstützt diese Initiative.

Bei den anwesenden Parlamentariern fand Christian Günner mit diesem Anliegen offene Ohren. Peter Stein, CDU-Bundestagsabgeordneter und ehemaliger Stadtplaner in Rostock, will sich für eine Anhörung im zuständigen Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit einsetzen. Stein hatte einen weiteren Vorschlag: Der Städte- und Gemeindetag soll einen Fonds auflegen, aus dem die Erstkontakte von kommunalen Unternehmen mit Partnern in der Entwicklungszusammenarbeit schnell und unbürokratisch finanziert werden können. Dafür hoffe er auf politische Unterstützung, auch von zivilgesellschaftlichen Organisationen. Der gesellschaftliche Diskurs über neue kommunale Partnerschaften in der Entwicklungszusammenarbeit ist also in vollem Gange.

Christoph Sodemann

Der Autor
Christoph Sodemann leitet die Öffentlichkeitsarbeit bei BORDA (Bremen Overseas Research and Development Association) in Bremen