Finanzierung der Notfallversorgung über eigenen Fonds

Kommunen, Länder und Institutionen des Gesundheitswesens müssen die Strukturen der Notfallversorgung den sich wandelnden Bedürfnissen der Bevölkerung anpassen. In Teil 2 des Beitrags über die Neuordnung der Notfallversorgung werden Fragen der Finanzierung und Vergütung sowie rechtliche Aspekte behandelt.

Bestellen Sie hier Teil 1 des Beitrags in der Doppelausgabe Dezember 2017 / Januar 2018

Das derzeit bestehende Finanzierungs- und Vergütungssystem der Notfallversorgung muss für die integrierten, erweiterten Leitstellen erweitert werden. Benötigt werden zusätzliche Abrechnungsmöglichkeiten für medizinische Erstberatung und Disposition in den ärztlichen Bereitschaftsdienst abseits der individuell vereinbarten Gebührenordnungen. Weiterhin muss die Vergütung einer durch den Rettungsdienst durchgeführten ambulanten Versorgung von (vermeintlichen) Notfallpatienten auch ohne anschließende Krankenhauseinweisung möglich sein.

Den Krankenhäusern ist der bei ambulanten Notfallpatienten durch eine Triage (Priorisierung medizinischer Hilfeleistung) entstehende Aufwand leistungsgerecht zu vergüten, beispielsweise in Form einer „Triagepauschale“. Dies sollte auch gelten, wenn der Patient nicht in den niedergelassenen Bereich verwiesen wird. Eine Eigenbeteiligung der Patienten im Sinne einer „Notfallgebühr“ kann in diesem Kontext ebenfalls diskutiert werden.

Perspektivisch jedoch sieht ein integriertes System der Notfallversorgung die Finanzierung über einen „Notfallfonds“ vor. Die Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung (GVK) für Betriebskosten aller Säulen der Notfallversorgung sind dazu einschließlich der zuvor genannten zusätzlichen Vergütungsanreize herauszulösen und in einen gemeinsamen Fonds zu überführen. Dies ermöglicht eine Gesamtvergütung der Notfallversorgung für GKV-Leistungen.

Damit einhergehen muss die Entwicklung eines einheitlichen Vergütungskataloges mit differenzierten und aufwandsgerechten Abrechnungsziffern für die jeweilige Versorgung. Leistungsausweitungen der und Leistungsverlagerungen in die Notfallversorgung sollen durch jährlich stattfindende Budgetgespräche zur Entwicklung der Mengen- und/oder Preiskomponenten gesteuert werden.

Flächendeckende und integrierte Bedarfsplanung

Ein weiterer Bestandteil einer echten integrierten Notfallversorgung ist die flächendeckende und integrierte Bedarfsplanung. Sie sollte unter Beteiligung der Träger der Rettungsdienste, Kassenärztlichen Vereinigungen, Krankenhausgesellschaften und mit Einbezug der Bundesländer erfolgen. Dieser Bedarfsplan dient der Sicherstellung einer einheitlichen Notfallversorgung, umfasst also neben dem Rettungsdienst auch die Planung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes der Kassenärztlichen Vereinigungen sowie der (ambulanten) Notfallpatienten der Krankenhäuser und Patientenleitstellen. Die Vereinbarung einer Gesamtvergütung des Notfallfonds setzt den Einbezug der Kostenträger voraus.

Integrierte Notfallversorgung meint eine Verzahnung und Verbindung unterschiedlicher Leistungsbereiche aus den „traditionellen“ Sektoren ambulant, stationär und Rettungsdienst. Hierbei ist eine Integration nur möglich, wenn der Leistungsbereich Notfallversorgung im Sozialgesetzbuch V als einheitlicher Leistungsanspruch erfasst wird. An die Stelle des Passus, wonach Patienten im Notfall auch andere als Vertragsärzte aufsuchen dürfen (§ 76 Abs. 1 SGB V) und unter bestimmten Bedingungen Anspruch auf Erstattung von Fahrtkosten (§§ 60 und 133 SGB V) haben, sollte ein Leistungsanspruch auf ärztliche Notfallbehandlung und -rettung sowie mobile ärztliche Behandlung und Transport aufgenommen wird. Eine Leistungsausweitung ist damit nicht notwendig verbunden, allerdings eine stärkere Verpflichtung der Krankenkassen, bei der Verwirklichung dieses Leistungsanspruchs mitzuwirken.

Auch die bisherige rechtliche Verortung der Notfallversorgung als ambulante Leistung bedarf der Korrektur. Notfallversorgung ist eine übergreifende Aufgabe. Löst man sich vom Dogma der Notfallrettung als Annex der vertragsärztlichen Versorgung, muss aber auch der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen hinterfragt werden. Mit ihrer gesetzlichen Aufgabe, die Interessen der Vertragsärzte wahrzunehmen, sind die Kassenärztlichen Vereinigungen keine neutralen Sachwalter einer Notfallversorgung, die Sektorengrenzen überwindet.

Für die Sicherstellung der Notfallversorgung ist es im Übrigen nicht ausreichend, lediglich eine Kapazitätenplanung für den vertragsärztlichen Bereich durchzuführen – und Lücken mit Krankenhausambulanzen abzudecken. Es bedarf einer flächendeckenden Bedarfsplanung – übergreifend für den Rettungsdienst, die Krankenhäuser und die ambulante Versorgung.

Länder sind am Zug

Diese Planung ist in erster Linie bei den Bundesländern zu verorten. Die Länder planen bereits die Krankenhausversorgung und den Rettungsdienst. Hierbei sollten in einem ersten Schritt die Landesgremien nach Paragraf 90a des Sozialgesetzbuchs (SGB) V die Grundlagen einer bedarfsorientierten, übergreifenden Strukturplanung erarbeiten. Diese sollen dann von den Bundesländern regional planerisch umgesetzt werden. Bei der Sicherstellung sollten die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenhäuser durch die Planungsbehörde herangezogen werden dürfen, um auf der Grundlage der Bedarfsplanung bei der Sicherstellung mitzuwirken.

Zur Schaffung und Verbesserung der Infrastruktur in der Notfallversorgung ist bereits derzeit ein Strukturprogramm von Bund und Ländern erforderlich. Dieses soll beispielsweise die Einrichtung von bedarfsgerechten Notdienstpraxen und Notfallambulanzen an Krankenhausstandorten oder deren Verlagerung dorthin finanziell fördern. Daneben ist der Auf- und Ausbau von Leitstellen mit erweiterten Steuerungsfunktionen zu fördern.

Auch bei der Vergütung der Notfallversorgung sollten bisherige Strukturen aufgegeben werden. Es bedarf eines einheitlichen Vergütungsrahmens. Dieser könnte, wie etwa auch beim Ambulanten Operieren, in einem mehrseitigen Vertrag von den Kostenträgern und Leistungserbringern niedergelegt werden. Dieses Konstrukt gewährleistet eine über alle Teilbereiche der Notfallversorgung einheitliche Vergütung, die von den Vertragsparteien „auf Augenhöhe“ unter Berücksichtigung von Besonderheiten der Notfallversorgung verhandelt werden kann.

Alexander Morton / Stephan Porten / Andreas Schöpfer

Die Autoren
Alexander Morton und Andreas Schöpfer sind Berater und Gesundheitsökonomen im Fachbereich Gesundheitswirtschaft bei der BDO Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Köln, Dr. Stephan Porten ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht bei der BDO Legal Rechtsanwaltsgesellschaft, Köln