Um herauszufinden, wie sich Materialien bei Feuer verhalten, nutzt die Materialprüfungsanstalt Dresden einen Fassadenprüfstand. Die Messergebnis sind wichtig für Brandschutzplanungen bei Neubauten und Gebäudesanierungen.
Flammen züngeln entlang der Fassade, die entstehende Hitze ist deutlich zu spüren. Doch bevor sich das Feuer ausgebreitet hat, wird es schnell und effektiv gelöscht. Nicht von einem Feuerwehrmann, sondern von einem Mitarbeiter der Materialprüfungsanstalt (MPA) Dresden. Denn das Feuer ist an keinem echten Haus ausgebrochen, es wurde absichtlich gelegt in Europas modernsten Fassadenprüfstand, der kürzlich im sächsischen Freiberg eingeweiht worden ist.
Der weithin sichtbare Turm verfügt über beeindruckende Maße. Er ist 22 Meter hoch, 15 Meter lang, zwölf Meter breit und in dieser Größe europaweit wohl einzigartig. Die Spezialisten der MPA Dresden führen hier Brandtests zur Prüfung und Zertifizierung von Fassaden, Glasfassaden und Komponenten- oder Integralfassaden durch. Herausragend ist vor allem die nutzbare Höhe des Prüfstandes. Bis zu 15 Meter hohe Fassaden können hier aufgebaut und somit auch Wärmedämmverbundsysteme (WDVS), wie sie an Hochhäusern eingesetzt werden, besonders realistischen und genauen Tests unterzogen werden. Wie wichtig solche Prüfungen sind, haben unter anderem die tragisch verlaufenden Hochhausbrände in London unterstrichen.
Die Halle verfügt über feuerfeste Wände und zwei große Tore. Das Dach kann geöffnet werden, sodass die Tests einerseits bei jeder Witterung durchführbar sind, andererseits kann der entstehende Qualm schnell abziehen. Im Innenraum kommt Hightech zum Einsatz. Über 200 Temperatur-Messstellen ermöglichen eine genaue Analyse der Brandentwicklung, dazu zeichnen Kameras das Geschehen von jeder Seite auf. Die horizontale und vertikale Ausbreitung des Feuers wird lückenlos erfasst. Das ermöglicht eine sehr präzise Einschätzung des getesteten Materials.
Bei der Planung des rund eine Million Euro teuren Prüfstandes wurde von Anfang an viel Wert darauf gelegt, dass er besonders vielseitig nutzbar ist. Die Experten der MPA Dresden können hier nicht nur die Auswirkungen von Sockelbränden testen, auch Brände mit Brennkammer und Brände an Fassaden mit An- und Einbauten, wie etwa Fotovoltaik, sind möglich. Zum Einsatz kommen Prüfverfahren nach den Normen E DIN 4102-20, DIN EN 13501, DIN 18089-1, BS 8414-1, SP FIRE 10,5 und Önorm B 3800-5.
Die große Flexibilität des Testfeldes macht auch Sonderprüfungen möglich. So können etwa Brände in Hochregallagern, an Windkraftanlagen oder auch an Schiffswänden simuliert werden.
Thomas Hübler
Der Autor
Thomas Hübler ist Geschäftsführer der Materialprüfungsanstalt (MPA) Dresden
Info: Die MPA Dresden prüft, klassifiziert und zertifiziert Bauprodukte nach nationalen und europäischen Normen und verfügt über ein akkreditiertes Prüflabor für Feuerlöschgeräte und Feuerlöschmittel. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Brandschutzbewertung und Brandschutzplanung von Bestands- und Neubauten und gutachterlicher Stellungnahme zum Brandschutz.