Energieversorgung der Zukunft

Noch haben Wasserstoffleitungen Seltenheitswert, das Wasserstoff-Kernnetz ist aber in der Planung: der Startpunkt für den Aufbau der entsprechenden Infrastruktur. Im November 2023 haben die Fernleitungsbetreiber Gas ihren Entwurf der Bundesnetzagentur übergeben. das Kernnetz ermöglicht. Mit eiFoto: Adobe Stock/Tirtonirmolo

Der Entwurf für das Wasserstoff-Kernnetz steht: ein Netz, das sich durch ganz Deutschland ziehen soll. Erarbeitet haben ihn die Fernleitungsnetzbetreiber (FNB). Das Konzept erklärt FNB Gas-Geschäftsführerein Barbara Fischer – und streicht die Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Deutschland heraus.

Die Fernleitungsnetzbetreiber (FNB) beschäftigen sich bereits seit 2019 mit der Entwicklung der entsprechenden Infrastruktur. Aufgrund eines fehlenden rechtlichen Rahmens konnten diese Planungen nicht umgesetzt werden. Gleichzeitig standen Netzbetreiber und Projektentwickler vor dem „Henne-Ei Problem“, wonach der Markt auf die Entwicklung der Infrastruktur wartet und der Netzausbau wiederum auf die Marktentwicklung.

Die Bundesregierung hat sich dieses Problems im Frühjahr 2023 angenommen. Mit einer Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) hat sie die nötigen netzplanerischen und kartellrechtlichen Hürden beseitigt.

Die Novelle sieht ein klares gesetzliches Mandat für die FNB vor, bis zum Jahr 2032 ein deutschlandweites, effizientes, skalierbares und schnell realisierbares Wasserstoffnetz zu planen und zu errichten. Seit dem Frühjahr 2023 haben die FNB mit Hochdruck an der Planung gearbeitet. Dafür wurde auf Basis von Kriterien, die im EnWG verankert sind, ein Szenario entwickelt. Es ist Basis für die Planung des Kernnetzes und definiert die Transportaufgabe des Netzes.

Im Sommer 2023 wurde ein erster Planungsstand veröffentlicht. Über den Herbst wurden die Netzrechnungen optimiert, und Mitte November wurde der Entwurf für das Kernnetz der Bundesnetzagentur (BNetzA) übergeben. Damit ist ein wichtiger Meilenstein erreicht.

Der Entwurf ist für eine Länge von rund 9700 Kilometer ausgelegt. Der überwiegende Teil des Netzes – etwa 60 Prozent – wird aus umgestellten Erdgasleitungen bestehen. Rund 40 Prozent der Leitungen müssen neu gebaut werden. Die Transportkapazität beträgt 178 TWh. Damit setzt sich Deutschland an die Spitze Europas beim Aufbau der Wasserstoffinfrastruktur.

Der Entwurf auf dem Prüfstand

Noch bis zum 8. Januar 2024 konsultiert die BNetzA den Entwurf des Kernnetzes mit Markt und breiter Öffentlichkeit. Der aktuelle Entwurf entspricht also noch nicht dem finalen Kernnetz. Die BNetzA kann auf Basis der Konsultation Änderungen verlangen.

Anschließend werden die Netzbetreiber ihren formellen Antrag einreichen, vorausgesetzt, dass bis dahin auch der Rahmen für die Finanzierung des Kernnetzes klar geregelt ist und ein kapitalmarkfähiges Finanzierungsmodell die notwendigen privaten Investitionen in das Kernnetz ermöglicht. Mit einer Genehmigung rechnen die Netzbetreiber noch vor der Sommerpause 2024.

Danach kann mit der Realisierung der Infrastruktur begonnen werden. Für den Neubau einer Wasserstoffleitung rechnen die FNB mit etwa fünf bis acht Jahren einschließlich der Planungs- und Genehmigungsverfahren. Hierfür ist es wichtig, dass das von der Bundesregierung bereits angekündigte Planungs- und Beschleunigungsgesetz für Wasserstoff auch tatsächlich schnell verabschiedet wird und seine Wirkung entfalten kann.

Von Erdgas zu Wasserstoff

Etwas schneller kann die Inbetriebnahme von Leitungen erfolgen, die von Erdgas auf Wasserstoff umgestellt werden können. Über 5600 Kilometer des Kernnetzes bestehen aus solchen Leitungen, durch die zukünftig nur noch Wasserstoff fließen soll.

Diese Umstellung hat zeitliche Vorteile: Sie ist deutlich schneller umsetzbar als ein Neubau, da hier keine neuen Genehmigungsverfahren notwendig sind. Die Fernleitungsnetzbetreiber rechnen bei der Umstellung mit bis zu drei Jahren. Zudem ist sie kosteneffizient und ressourcenschonend mit Blick auf den Flächenund Materialverbrauch.

Technisch stellt die Umstellung von Erdgas auf Wasserstoff keine Hürde dar. Alle FNB haben ihre Leitungen auf die Umstellbarkeit geprüft. Die Stähle der Fernleitungen sind für den Wasserstofftransport geeignet. Einzelne Komponenten, wie etwa Messgeräte oder Verdichter, werden neu zu errichten sein.

Appell an die Bundesregierung

Mit Sorge blicken die Netzbetreiber auf die möglichen Folgen des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes zum Klima- und Transformationsfonds, auch wenn die Finanzierung des Kernnetzes davon nicht direkt betroffen ist. Das H2-Kernnetz legt die Grundlage für die Realisierung zahlreicher Wasserstoffprojekte, die aus dem Fonds gefördert werden sollten und Grundlage für die zukünftige Wasserstoffwirtschaft darstellen.

Durch das Urteil sind zumindest Verzögerungen beim Hochlauf zu erwarten. Die Bundesregierung sollte hier schnellstmöglich Lösungen finden, um den klimapolitischen Zielen Deutschlands gerecht zu werden.

Das H2-Kernnetz ist der Startpunkt für den Aufbau der Wasserstoffinfrastruktur in Deutschland. Bildlich gesprochen stellt das Kernnetz die Autobahnverbindung für den Transport von Wasserstoff dar. Im nächsten Schritt wird es darum gehen, ihn in die Fläche zu bringen und die Bedarfe auf allen Ebenen zu integrieren.

Der Szenariorahmen für den ersten regulären integrierten Netzentwicklungsplan Gas und Wasserstoff soll bereits am 30. Juni 2024 durch die Netzbetreiber an die BNetzA übergeben werden. In diesem Zuge können auch weitere Branchen und Sektoren bei der Netzplanung für Wasserstoff berücksichtigt werden, die beim Kernnetz noch nicht berücksichtigt werden konnten. Im Rahmen der Erstellung dieses Szenariorahmens werden die FNB Anfang 2024 eine neue Marktabfrage für die Wasserstoffbedarfe im Bereich Erzeugung und Verbrauch durchführen. Hier sind alle Marktakteure aufgerufen, sich zu beteiligen und ihre zukünftigen Wasserstoffbedarfe zu melden.

Barbara Fischer


Die Autorin

Barbara Fischer ist Geschäftsführerin der Vereinigung der Fernleitungsnetzbetreiber Gas e.V. (FNB Gas).