Partnerschaften zur energetischen Quartierssanierung leisten einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der Energiewende auf lokaler Ebene. Wenn sich Mieter, Wohnungseigentümer, Energieversorger und Kommunen zusammentun, um gemeinsam Strom zu produzieren, können am Ende alle Akteure gewinnen.
Der energetische Umbau von Quartieren und Stadtvierteln ist eine der größten Herausforderungen, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Eine Herausforderung, die alle Akteure einbezieht, Kommunen, Energieversorger, die Wohnungswirtschaft, Haus- und Wohnungseigentümer. Zwei Aspekte spielen eine entscheidende Rolle: Erstens die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum und die Möglichkeit der Partizipation. Denn Veränderungen funktionieren nur, wenn alle relevanten Akteure ihren Nutzen erkennen und mitgestalten können. Zweitens das Stiften von Identität für Mieter und Bewohner mit der Immobilie, dem Quartier und der Stadt.
Vor allem Mieterstrommodelle erlauben eine intensive Beteiligung. Der Grundgedanke des Mieterstroms ist, dass der Strom der lokal produziert wird, den Wohnungs- oder Gewerbeflächenmietern angeboten wird und von ihnen vor Ort verbraucht wird.
Mieterstrom kann durch Fotovoltaik- und kombinierte Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (z. B. Blockheizkraftwerke) erzeugt werden. Eine Kombination beider Technologien (ggf. ergänzt um einen Batteriespeicher), ermöglicht den höchsten Eigenverbrauch und damit die größte Menge Mieterstrom. Möglich, wenn auch selten, ist die Nutzung von Windkraft- und Biogas-Anlagen.
In der Praxis lassen sich durch Mieterstrom „Win-Win-Win“-Situationen zwischen Mietern, Immobilieneigentümern, Stadtwerken und lokalen Versorgern schaffen. Ein erfolgreiches Modell verbindet einen günstigen und langfristig stabilen Stromversorgungspreis mit den Renditeinteressen der lokalen Investorengruppen (Eigentümer, Versorger, Bürger). Die Eigentümer der Immobilien und Betreiber der Anlagen verfolgen dabei die gleichen Ziele wie etwa eine Wertsteigerung, eine Imageverbesserung, eine optimierte Mieter-/Kundenkommunikation und natürlich den günstigeren und „grün“ vor Ort produzierten Strom. Da lokal erzeugte erneuerbare Energie keine Vollversorgung gewährleisten kann und die Akzeptanz von Mieterstrom bei den Mietern von zentraler Bedeutung ist, müssen auch die örtlichen Versorger und die jeweilige Gebietskörperschaft frühzeitig eingebunden werden.
Bei der Gestaltung von Mieterstromprojekten gilt es, Entwicklung, Planung und Realisierung sowie eine Vielzahl an Unteraspekten gleichermaßen zu beachten. Neben der Frage der Wirtschaftlichkeit und Akzeptanz müssen Energie-, Förder-, Steuer- sowie Gesellschafts- und Vertragsrecht berücksichtigt werden. Es empfiehlt sich, zunächst tragfähige Geschäfts- und Beteiligungsmodelle mit den Interessenvertretern (Energieversorger, Immobilieneigentümer, Banken) zu entwickeln und klare gesellschaftsrechtliche und vertragsrechtliche Strukturen zu schaffen.
Damit die Wirtschaftlichkeit sichergestellt wird, müssen die Finanzplanungen im Detail modelliert werden. Zudem müssen eine Beteiligungsstruktur aufgebaut, die Gesamtfinanzierung sichergestelt und die Renditeinteressen der lokalen Investoren berücksichtigt werden. Die Kalkuklation eines attraktiven Mieterstromtarif schafft die Grundlage dafür, das Modell am Markt zu etablieren.
Durch transparente Kommunikation sollten der ökologische Nutzen des Projekts sowie die ökonomischen und sozialen Vorteile herausgestellt werden. Das schafft Vertrauen der Mieter und unter den Investorengruppen. Meist empfiehlt es sich, für die Projektentwicklung und das Projektmanagement einen neutralen Dritten hinzuzuziehen, der Erfahrungen im Mieterstrom mitbringt und den Dialog der Akteure moderieren kann.
Die wirtschaftlichen Risiken stellen oft eine große Herausforderung bei der Realisierung von Mieterstromprojekten dar. Das Hauptrisiko besteht in der Wechselfreudigkeit der Stromabnehmer. Sobald der Anteil der Verbraucher, die sich nicht mehr an der Mieterstromlösung beteiligen oder Mieterstrom beziehen wollen sinkt, verschlechtert sich auch die Rentabilität.
In der Praxis hat sich gezeigt, dass Fotovoltaik-Portfolien mit einer installierten Leistung von rund 600 Kilowattpeak wirtschaftlich interessant sind und eine gute Risikodiversifikation bieten. Wirtschaftlich tragfähig können natürlich auch kleinere Portfolien sein. Dies ist immer abhängig von den jeweiligen Gegebenheiten, den Renditeinteressen der Beteiligten, der Finanzierungsstruktur der Investition, dem Verbrauchsverhalten und der Abnahmemenge des Mieterstroms (Partizipationsquote). Größere Einzelobjekte mit einer Gesamtdachfläche von etwa 1400 Quadratmetern und einer installierten Leistung von rund 60 Kilowattpeak tragen besonders zur Wirtschaftlichkeit bei.
Ein Portfolio der genannten Größenordnung verbessert auch die Verhandlungsposition gegenüber den Modulherstellern. Außerdem kann das Portfolio mit einem Bestand begonnen und später auf weitere Anlageninvestitionen ausgedehnt werden (z. B. wird eine Fotovoltaiklösung durch einen Speicher und eine KWK-Lösung ergänzt). Eine weitere Risikodiversifikation wird bei kommunaler Beteiligung erzielt, indem kommunal genutzte oder vermietete Immobilienobjekte in das Portfolio eingebracht werden.
Ein Beispiel für ein erfolgreiches Mieterstrommodell findet sich im Ruhrgebiet. Im Rahmen des Projekts „Innovation City roll out“ werden dort in 20 Stadtquartieren Konzepte zur energetischen Sanierung entwickelt, die den CO2-Ausstoß reduzieren und die Lebens- und Arbeitsqualität steigern sollen. Der vom Bertungsunternehmen Agiplan entwickelte Fotovoltaik-Mieterstrom-Ansatz besteht aus einem Geschäfts- und Beteiligungsmodell, das die lokalen Investoren überzeugt, Einzeleigentümer mit nur einem oder wenigen Mietobjekten mitberücksichtigt und einen von den Mietern angenommenen Mieterstromtarif anbietet. Das Vorhaben wird aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gefördert.
Thomas Baues
Die Autor
Thomas Baues ist Senior Consultant Public Management beim Beratungsunternehmen Agiplan in Mülheim an der Ruhr (tbaues@agiplan.de)