Eine Frage des Geldes

Für die nordrhein-westfälische Stadt Winterberg ist der Tourismus ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Jährlich verbucht sie mehr als eine Million Übernachtungen. Die regelmäßigen städtischen Aufwendungen für die Tourismuswirtschaft belaufen sich auf eine Jahressumme von gut 3,8 Millionen Euro.

Als höchstgelegene Stadt im bevölkerungsreichsten Bundesland macht Winterberg mit dem Kahlen Asten, auf dem seit fast 100 Jahren das Wetter in gut 842 Meter Höhe beobachtet wird, im Wetterstudio vor der Tagesschau auf sich aufmerksam. Natürlich reicht das allein nicht aus, um für das Urlaubsziel zu werben.

Der Urlaub ist in Winterberg „Chefsache“. Werner Eickler, seit 1999 als Bürgermeister in der heute gut 13 700 Einwohner zählenden Stadt verantwortlich, ist seit 2011 Vorsitzender der Gesellschafterversammlung der im Jahr zuvor gegründeten Winterberg Touristik und Wirtschaft GmbH (WTW). Bis dahin waren die Sachgebiete Tourismus, Wirtschaftsförderung, Sport- und Kulturförderung im Fachbereich V der Stadtverwaltung organisiert.

Verwaltung und Politik verfolgten mit der Ausgliederung der für Winterberg existenziell wichtigen Themenbereiche eine finanzielle und organisatorische Eigenständigkeit der WTW. Entscheidungswege sollten verkürzt und damit die Möglichkeit eröffnet werden, auf die sich rasch verändernden Marktbedingungen im Tourismus agieren und reagieren zu können.

Seit 13 Jahren leitet Tourismusdirektor Michael Beckmann, heute Geschäftsführer der WTW, die Geschicke der touristischen und wirtschaftlichen Entwicklung in der Ferienwelt Winterberg. Er setzt mit seinem 25-köpfigen Team vor allem auf begeisternde Urlaubserlebnisse und unterfüttert dieses mit Produkten, die bei den Gästen und auch den Einwohnern sehr gut ankommen. Längst wurde in Winterberg erkannt, dass eine gute touristische Infrastruktur auch das Lebensumfeld der Einwohner positiv beeinflusst und damit insgesamt die Lebensqualität auf einem hohen Level hält.

Die Veränderungen der Gesellschaft, die landauf, landab mit dem Schlagwort „Demografie“ betitelt werden, gehen auch an einer kleinen Stadt wie Winterberg nicht spurlos vorüber. Aber auch hier ist Winterberg nicht untätig, denn seit 2008 sitzen Akteure aus Verwaltung, Politik, Unternehmerschaft, Vereinen und weiteren gesellschaftlichen Gruppen zusammen, um im gemeinsamen „Demografieprozess“ die Auswirkungen zu identifizieren, die sich verändernden Bedarfe zu erfassen und daraus Projekte und Produkte mit Nachhaltigkeit zu entwickeln. Organisatorisch wird dieses vor allem beim Stadtmarketingverein Winterberg mit seinen Dörfern gebündelt, der 2003 auf Initiative des Bürgermeisters gegründet wurde.

Synergien erschließen

Neben unzähligen erfolgreichen Projekten – „Ab in die Mitte“ sei beispielhaft erwähnt – stellt der Stadtmarketingverein regelmäßig Großveranstaltungen, wie das Winterberger Stadterlebnis mit mehr als 25 000 Besuchern auf die Beine und sorgt in Winterberg und in der Region für liebgewonnene Aktionen.

Heute sind rund 300 Mitglieder dem Stadtmarketingverein angeschlossen. Dessen Geschäfte führt ebenfalls Michael Beckmann in Personalunion. Der Stadtmarketingverein unterhält ein eigenes Projektbüro mit einer Mitarbeiterin.

Die genannten Institutionen Winterbergs sind gewollt personell eng verknüpft. Damit ist sichergestellt, dass es keine Reibungsverluste gibt, Synergien bestmöglich genutzt werden können und damit auch die personellen und finanziellen Ressourcen sinnvoll und nachhaltig eingesetzt werden.

Gesamtstädtisch gesehen spielt die Tourismuswirtschaft in Winterberg die tragende Rolle. Hängt doch von einem florierenden Tourismus nicht nur das Wohl oder Übel eines Hotels ab. Denn die Wertschöpfung des Tourismus ist mit rund 200 Millionen Euro Bruttoumsatz enorm. 3743 Vollarbeitsplätze hängen direkt und indirekt vom Tourismus ab.

Der Einzelhandel – Winterberg bringt es auf eine Einzelhandelszentralität von mehr als 120 (lt. GfK) – lockt Touristen und bringt Attraktivität in die Stadt. Die überwiegend inhabergeführten Geschäfte sind wichtiger Bestandteil der Arbeitgeberschaft in Winterberg. Kleine und mittelständische Unternehmen aus dem Handwerk sind Auftragnehmer der Tourismusbranche, und auch viele Dienstleistungsunternehmen verdienen einen Großteil ihres Geldes mit Kunden aus der Tourismuswirtschaft.

Wirtschaftliches Standbein

Touristisch spielt Winterberg nicht nur topografisch ganz oben mit. Im produzierenden Gewerbe kann die Stadt mit Betrieben werben, die im nationalen und internationalen Markt führend sind. Knapp 22 Prozent aller Beschäftigten in Winterberg sind in diesem Wirtschaftszweig beschäftigt. Rund 76 Prozent entfallen auf Handel, Gastgewerbe, Verkehr und sonstige Dienstleistungen.

Neben dem „großen Ganzen“ haben es die Winterberger allerdings nicht unterlassen, auch die insgesamt 15 Ortsteile mitzunehmen. Der kleinste Ortsteil zählt gerade einmal zwölf Einwohner, die Höhendörfer am Fuße des Kahlen Asten beheimaten jeweils 300 bis 400 Einwohner. Drei größere Orte, die eine wichtige Rolle bei der Nahversorgung spielen, kommen jeweils auf 1500 bis 2000 Einwohner. Die Kernstadt bringt es auf rund 4100 Bewohner.

Wer Winterberg hört, denkt an Weltmeisterschaften, Weltcups und internationale Wettbewerbe an der Bob- und Rodelbahn. Zuletzt war 2015 die Bob- und Skeleton-Weltmeisterschaft an der Veltins-Eisarena zu Gast, 2019 folgt die Weltmeisterschaft im Rennrodeln.

Viel Beachtung hat Winterberg auch durch die Ausrichtung des Snowboard-Weltcups in den Jahren 2015 und 2016 erhalten. Die FIS hat sich bereits für 2017 eingebucht. Die Qualität im Winter ist enorm ausgebaut worden. Die privaten Skiliftbetreiber haben in den vergangenen 13 Jahren nahezu 100 Millionen Euro in die Skiliftanlagen, gastronomischen Angebote und damit auch in Personal investiert. Die Übernachtungen sind in der grünen Jahreszeit ebenso hoch wie im Winter. Aber bei den Einnahmen hat der Winter mit einem Anteil von 60 Prozent die Nase vorn.

Die Strategie der Touristiker, auf die grüne Jahreszeit zu setzen, ist aufgegangen. Premiumangebote wie der privat betriebene Bike-Park Winterberg, die private Wasserskianlage Hillebachsee, der Rothaarsteig, der Trailpark Winterberg oder die Hochheide am Fuße des höchsten Berges in Nordrhein-Wetfalen, dem Langenberg (843 Meter), locken viele Gäste. Die Millionengrenze an Übernachtungen wird seit 2012 geknackt. Mit rund 1,9 Millionen Tagesgästen ist Winterberg ein sehr gefragter Tagesausflugsort.

Angespannte Haushaltslage

Zählt man alle regelmäßigen städtischen Aufwendungen, die für die Tourismuswirtschaft eingesetzt werden, ergibt sich eine Jahressumme von gut 3,8 Millionen Euro. Eine halbe Million Euro wird durch private Entgelte erlöst. Es gilt also, 3,3 Millionen Euro gegenzufinanzieren. In Winterberg werden die touristisch bedingten Aufwendungen unterschiedlich finanziert. In diesem Zusammenhang ist die Tourismuswirtschaft ganzheitlich zu betrachten.

Die öffentlichen Einnahmeeffekte der Tourismuswirtschaft in Winterberg spiegeln den Wirtschaftsfaktor Nummer eins wider: Indirekt fließen Mehrwertsteuer- und Lohnsteueranteile in den Stadtsäckel. Das Land zahlt eine Kurortehilfe, und die Stadt selbst erhebt als eine der damals ersten Kommunen eine Zweitwohnungssteuer. Für Übernachtungen in einem der drei heilklimatischen Kurorte oder der vier Luftkurorte wird ein Kurbeitrag erhoben, und seit 2013 zahlen Personen und Unternehmen, denen durch den Fremdenverkehr unmittelbar oder mittelbar besondere wirtschaftliche Vorteile geboten werden, einen Fremdenverkehrsbeitrag.

Gewerbe- und Grundsteuern gehören ebenso zu den Erträgen der Stadt wie auch die Einnahmen aus Parkgebühren. Da viele touristische Leistungen auf städtischen Flächen angeboten werden (Beispiel: Skilifte) gehören auch Pachteinnahmen zur Finanzierung der städtischen Ausgaben.

Die touristischen Ausgaben werden operativ über die WTW getätigt, die hierfür rund drei Millionen Euro an Einnahmen aus Kurbeiträgen, privaten Entgelten und zweckgebundenen Zuschüssen erhält. Damit werden alle Aufgaben erledigt, die der WTW per Gesellschaftsvertrag übertragen wurden und den Tourismusort nach vorne bringen sollen. Für die Kernaufgaben der WTW wendet diese jährlich 2,2 Millionen Euro auf. Dies sind vor allem Kosten für Marketing, Veranstaltungen, Gästeservice, Leistungsträgerservice sowie für die Unterhaltung der touristischen Infrastruktur. Die restlichen 800 000 Euro entfallen auf den Betriebskostenanteil für die Bob- und Rodelbahn, Grünflächenpflege in den Kur- und Erholungsgebieten sowie die Unterhaltung der touristisch genutzten Gebäude.

Nicht zum Aufgabenumfang gehört die Schaffung, also der Bau touristischer Infrastruktur. Hier betrifft es im Falle einer Landes- oder EU-Förderung zum Beispiel die Eigenanteile, die aus dem Kernhaushalt der Stadt Winterberg zu finanzieren sind.

Überdies verbleibt ein Teil der Aufwendungen für touristische Aufgaben im Kernhaushalt. Beispielhaft sei hier das Bewegungsbad zu nennen, das eines von mehreren Pflichtangeboten für den heilklimatischen Kurort darstellt und im Gesamtangebot des städtischen Schwimmbades ein weiteres Beispiel für ein hervorragendes Bürgerangebot ist.

Und die Zukunft? Die Finanzlage ist auch in Winterberg brisant und ein Dauerthema. Erst im Jahr 2015 hat der Stadtrat nach 1997, 2001, 2003 und 2011 das bereits fünfte Haushaltskonsolidierungspaket beschlossen. Ab 2016 bringen Sparmaßnahmen und Einnahmeverbesserungen 1,4 Millionen Euro für den Winterberger Haushalt.

Winfried Borgmann

Der Autor
Winfried Borgmann ist Wirtschaftsförderer der nordrhein-westfälischen Stadt Winterberg und stv. Tourismusdirektor der Ferienwelt Winterberg