Wenn es darum geht, Fahrverbote in Großstädten für Diesel-Pkw wegen zu hoher Stickoxidbelastung zu vermeiden, fällt der Blick schnell auf den kommunalen Fuhrpark. Hat er nennenswertes Potenzial zur Reduzierung – oder ist die Debatte um dessen Optimierung und Modernisierung ein Ablenkungsmanöver?
Was kann die Kommunalflotte in Orange, Rot oder den Hausfarben der Verkehrsbetriebe zur Minderung der Stickoxidbelastung in Städten und Ballungsräumen beitragen? Versuchen wir ein Zahlenmodell. Ein Abfallsammelfahrzeug verbraucht im Jahr 27.500 Liter Diesel (pro Tag rund 80 Liter auf Sammeltour zuzüglich zwei Fahrten zur Deponie), ein Kehrfahrzeug 19.000, ein Geräteträger bei durchschnittlich 1000 Einsatzstunden zwischen 6000 (Beispiel Ladog) und 12.000 Litern (Beispiel Unimog). Der Linienbus bringt es bei rund 100 Litern am Tag (40 Liter Verbrauch auf 100 Kilometern, durchschnittliche Tagesstrecke rund 230 Kilometer) auf 36.500 Liter. Geht man davon aus, dass ein Diesel-Pkw von Einwohnern oder Pendlern in der Stadt rund 50 Kilometer täglich unterwegs ist und dabei rund vier Liter verbraucht, kommen rund 1460 Liter im Jahr zusammen.
Nach dieser – zugegebenermaßen etwas groben – Rechnung belastet ein Linienbus die Luft wie 25 Pkw, das Abfallsammelfahrzeug wie 19 Pkw, das Kehrfahrzeug wie acht und der Geräteträger wie sieben. Für Feuerwehr und Rettungsdienst lassen sich Kilometerleistungen oder Einsatzstunden kaum allgemeingültig eruieren, da die Einsatzfelder sehr unterschiedlich sind. Manche Einsatzfahrzeuge bei Großstadtfeuerwehren haben nach zwei Jahren 500, andere 10.000 Kilometer auf dem Tacho, im Rettungsdienst sind die Fahrleistungen allerdings höher.
Das sind zum Teil auch theoretische Werte, denn die kommunalen Fahrzeuge belasten die Umwelt nicht alle gleichermaßen. Auch würde die Belastung nicht auf null sinken, wenn ältere Fahrzeuge nachgerüstet oder zügig ersetzt würden. Übertragen auf den berüchtigt-verkehrsreichen Platz Neckartor in Stuttgart und die dortige kommunale Flotte heißt dies alles: Rund 35 000 Diesel-Pkw rollen am Tag über den Platz und durch die Stadt. In Stuttgart sind werktäglich 80 Abfallsammelfahrzeuge, 27 größere Kehrfahrzeuge und bei Winterdienst außerdem 20 Geräteträger und Lkw im Einsatz. Die 270 Busse fahren täglich, Feuerwehr und Winterdienst sind sporadisch unterwegs und deshalb schwer einzuschätzen.
Gemessen in Litern ergibt die Rechnung, ein paar Ungenauigkeiten in Kauf nehmend: Diesel-Pkw verbrauchen im Jahr rund 140.000 Liter, der kommunale Fuhrpark 7200 Liter, also ein Anteil von rund fünf Prozent.
Natürlich gibt es auch eine andere Welt der Zahlen, nämlich die der Kosten. Der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) hat sie parat. Rund 22.500 Fahrzeuge in den Fuhrparks der kommunalen Abfallwirtschafts- und Stadtreinigungsbetriebe sind von der Diesel-Diskussion betroffen, rund 6000 davon fahren mit der Abgasnorm Euro V (Zulassung zwischen 2009 und 2013). Diese ließen sich nach VKU-Angaben mit einem Aufwand von 15.000 bis 20.000 Euro auf Euro VI umrüsten, soweit es sich dabei um Lkw handelt. Spezialfahrzeuge wie Kompaktkehrmaschinen oder Geräteträger sind oft von so engen Platzverhältnissen geprägt, dass sich zusätzliche Aggregate wie Filter oder Ad-Blue-Tank nachträglich kaum unterbringen lassen.
Gar nichts geht in Sachen Nachrüstung von Lkw mit Euro I bis Euro IV-Motoren (Zulassungen ab 1990). Bei den VKU-Unternehmen sind es rund 15.000.
Hauptproblem Individualverkehr
Was bietet die Technik? Ein Elektrobus – bislang nur in kleinen Stückzahlen verfügbar – kostet mit rund 450.000 Euro das Doppelte im Vergleich zum Dieselbus, wobei aber mindestens die Hälfte der Mehrkosten vom Bund erstattet wird. Hybridlösungen der Aufbautenindustrie für Abfallsammelfahrzeuge und Kehrfahrzeuge sowie Basisfahrzeuge mit Gasantrieb entlasten den Dieselverbrauch. Gasmotoren lassen sich geradezu ideal betreiben mit selbst gewonnenem Deponiegas wie in Berlin, wo 150 Abfallsammelfahrzuge auf dem Typ Mercedes-Econic mit Gasmotor laufen. In Stuttgart sind es acht Fahrzeuge. Auf Elektro-Lkw in der Größe eines Abfallsammelfahrzeugs wird man noch mindestens bis 2020 warten müssen, Hybridlösungen bei Bussen und Lkw haben bislang keine großen Einsparpotenziale gebracht.
Versuchen wir ein Fazit: Rund fünf Prozent des Gesamtaufkommens an Diesel im Stadtverkehr sind tatsächlich mehr als nichts. Für ein Zusammenkratzen von Prozentpunkten bei einer Minderung in den kommunalen Fuhrparks reicht es durchaus, das ganz große Problem aber bleibt der Individualverkehr.
Matthias Röcke
Der Autor
Matthias Röcke, Sinzig, ist freier Journalist mit Schwerpunkt Technik
Info: Technischer Fortschritt
Manchmal ist der technische Fortschritt sich selbst im Weg. Faun-Umwelttechnik, Marktführer in Deutschland bei Abfallsammelfahrzeugen, hat es erfahren bei seinem Projekt Dual Power. Die Hybridtechnik ermöglicht elektrisches Laden und Fahren zwischen den Aufnahmestopps, während die Fahrten zur Deponie konventionell erfolgen. Das spart 40 bis 50 Prozent Dieselkraftstoff ein, und es funktioniert gut. Warum ist es dann bei nur 20 Testfahrzeugen geblieben? Weil der für die Hybridtechnik benötigte zusätzliche Diesel-Generator nicht in der aktuellen Abgasstufe Euro VI erhältlich ist. Georg Sandkühler, Chef der Entwicklung alternativer Antriebe bei Faun, beurteilt Dual Power dennoch positiv: „Wir haben dabei viel über Elektroantriebe gelernt.“ Nächster Entwicklungsschritt ist nun ein kleiner Gasmotor in Verbindung mit Erdgasantrieb des Basisfahrzeugs, er wird auf der Messe IFAT 2018 vorgestellt. Als weitere Alternative hat Faun auch schon eine länger eingeführte Hybridlösung parat, bei der allein der Lade- und Pressvorgang elektrisch abläuft. Hier werden 20 bis 25 Liter Diesel eingespart.
Info: Intensivreinigung in Stuttgart
Neben Stickoxiden ist der Feinstaub ein auch vom Straßenverkehr verursachtes Umweltproblem, wobei hier die Aufwirbelung des Staubs die Hauptrolle spielt. Im Rahmen eines vierwöchigen Versuchs der Stadt Stuttgart im Frühjahr 2017 unter der technischen Leitung der Dekra-Prüfer wurde die Kreuzung Neckartor über Nacht intensiv mit speziellen Kehrmaschinen von Faun und Kärcher gereinigt. Der Versuch ergab Indizien für eine Feinstaub-Reduzierung, eine Vertiefung und Ausweitung der Daten ist angestrebt. Ein weiterer Mosaikstein der Stadt Stuttgart ist die Mooswand über 100 Meter an dieser Stelle, die Schadstoffe aus der Luft filtern kann.