Eigeninitiative schafft Fortschritt

In Lauchhammer werden Breitbandprobleme und der Aufbruch in die Gigabitgesellschaft aus einer lokalen und privaten Eigeninitiative heraus gelöst. Staatliche Beihilfen werden nicht in Anspruch genommen. Unternehmen und Neuansiedler können auf bis zu 10 Gbit/s schnelle Internetzugänge zugreifen.

Die neue Bundesregierung will sich ab sofort auf die Förderung der Glasfaser fokussieren. Deutschland soll bis 2025 zur Gigabitgesellschaft werden. Wie, steht völlig in den Sternen. Leise hat man sich vom alten Ziel 50 Mbit/s verabschiedet. Die Messlatte liegt mit einem Gbit/s gleich 20 Mal höher. Dabei schauen bundesweit aktuell immer noch zwei Drittel der Haushalte im ländlichen Raum beim alten Breitbandziel sprichwörtlich in die Röhre.

Da ist die Kleinstadt Lauchhammer (rund 15.000 Einwohner, Brandenburg) in der strukturschwachen Lausitz gleich mehrere Schritte weiter. Hier wird bereits mit hohem Tempo praktiziert, was die Bundesregierung gerne umsetzen möchte. Mit einer guten Idee, einer langfristigen Planung, lokalen Partnern, ohne staatliche Zuwendungen und privaten Investoren wird hier ein Glasfaserprojekt vorangetrieben, dessen Strahlkraft nach Europa leuchtet. So schaffte es das Projekt „Lauchhammer auf dem Weg zur Glasfaser-Stadt“ bis in Finale des European Broadband Awards 2017. Mit diesem Preis zeichnet die Europäische Kommission herausragende Breitband-Projekte in Europa aus. Zudem fand das Projekt beim diesjährigen europäischen FTTH-Kongress in Sevilla sehr viel Anklang. Die englische Abkürzung steht für fiber to the home und bedeutet durchgängiger Glasfaseranschluss bis ins Gebäude.

Hinter dem Erfolgsrezept steht die Umsetzung eines Konzepts, mit dem die Lausitzer Kabelbetriebsgesellschaft (LKG) 2011 an die Kommune Lauchhammer herantrat. Das ortsansässige, mittelständische Unternehmen, eine Tochter der Lausitzer Mediengruppe, verfolgt langfristig das Ziel, Lauchhammer und danach schrittweise die gesamte Region mit einem FTTH-Hochgeschwindigkeitsnetz zu erschließen. Der Startschuss fiel mit dem Ausbau des ländlichen Ortsteils Grünewalde im Jahr 2013. Im Rahmen eines Pilotprojekts sollte untersucht werden, ob bei den Privathaushalten und Gewerbetreibenden überhaupt Interesse für einen schnellen Internetzugang mit dieser Zukunftstechnologie besteht.

Kabelbetreiber geht in Vorleistung

Im Gegensatz zu anderen Unternehmen, die in verschiedenen deutschen Regionen den privatwirtschaftlich finanzierten Ausbau der Glasfaser vorantreiben, verzichtete die LKG auf eine Vorvermarktung mit den Vorgaben 40-plus Prozent. Die zunächst zurückhaltenden Haushalte in Grünewalde sollten sehen, dass es mit dem Ausbau der Glasfaser ernst gemeint ist. Die LKG ging in Vorleistung. Nach dem Bau von Glasfasertrassen quer durch das Stadtgebiet wurden die Glasfasern gleich kostenfrei bis in die Häuser hinein verlegt. Dies schaffte die Basis für Vertrauen und eine überragende Nachfrage. Seit der Inbetriebnahme der ersten FTTH-Anschlüsse im Jahr 2015 kommt Grünewalde mit 600 Liegenschaften auf eine Take-up-Rate von über 60 Prozent. An die Glasfaser angeschlossen sind mittlerweile bis auf ein Haus alle Gebäude.

Im Jahr 2016 begann der Ausbau des Ortsteils Kleinleipisch und einiger Teile von Lauchhammer-West. Im November 2017 ging mit Kostebrau der dritte Ortsteil in den Betrieb. Die Leistungsfähigkeit der Privatkundenanschlüsse liegt derzeit bei 1000 Mbit/s symmetrisch (Giganetz), und für Geschäftskunden werden aktuell bis zu 10 000 Mbit/s symmetrisch angeboten. Höhere Geschwindigkeiten für Kunden sind jederzeit möglich.

Über dieses Netz und ihren FTTH-Anschluss können Privatkunden schnelles Internet, Telefonie und innovative TV-Dienste nutzen. Zudem erfolgte der für den Wirtschaftsstandort Lauchhammer besonders wichtige Anschluss der drei Industrie- und Gewerbegebiete in den Außenbereichen der Stadt. Zu den Unternehmenskunden gehören der dänische Windkraftanlagenbauer Vestas und der weltweit aktive Bergbausanierer SGL. Dies ist für Lauchhammer, das an den Verkehrsachsen Paris–Warschau und Berlin–Prag–Wien liegt, ein wichtiger Faktor für die Gewinnung von Investoren in der Region und die Schaffung von Arbeitsplätzen.

Kommune und Versorger kooperieren

Bei dem vollständig mit eigenen Mitteln und durch private Investoren vorangetriebenen Projekt ist es Geschäftsführer Bernd Nitzschner wichtig, die Ausbaukosten je Anschluss unter 1500 Euro zu halten. Bisher ging die Rechnung auf. Für den Aufbau des Lausitzer Glasfasernetzes und den Anschluss von über 1200 Liegenschaften, darunter 117 Firmen und 46 öffentliche Gebäude, wurden seit Beginn knapp 1,7 Millionen Euro investiert. Die weiter steigende Anschlussquote an das Netz liegt inzwischen bei über 65 Prozent.

Ein wesentlicher Faktor für das Erreichen dieses Kostenziels ist der Schulterschluss zwischen der Stadtverwaltung und den Infrastrukturanbietern Mitnetz-Strom, dem Wasserverband Lausitz und der Lausitzer- und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft, betont Bürgermeister Roland Pohlenz. Baumaßnahmen, ob für Wasser, Strom, Gas und die Erneuerung von Straßen und Gehwegen werden koordiniert und genutzt, um Leerrohre gleich mit zu verlegen. So lassen sich die Ausbaukosten und Tiefbaumaßnahmen für alle Partner im Rahmen halten.

Mittlerweile schauen auch die Nachbarkommunen auf die Stadt und die LKG. Aus den weitgediehenen Gesprächen könnten sich schon in Kürze weitere Projekte für den Netzbetreiber in einer Größenordnung von bis zu zehn Millionen Euro ergeben. Private Investoren für den erweiterten eigenwirtschaftlichen Ausbau zu einem größeren regionalen Cluster stehen in den Startlöchern. Das Projekt Glasfaserstadt Lauchhammer würde damit in neue Dimensionen vorstoßen.

Thomas Fuchs

Der Autor
Thomas Fuchs ist Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Fuchs Media Consult in Gummersbach