Drei Fragen an Ryyan Alshebl, künftiger Bürgermeister von Ostelsheim

Ryyan Alshebl ist der erste syrische Flüchtling, der in Deutschland zum Bürgermeister gewählt wurde. Foto: privat

Ryyan Alshebls Geschichte fand internationale Beachtung. Er wurde 1994 in Syrien geboren, floh 2015 vor dem Bürgerkrieg nach Deutschland, erlernte die deutsche Sprache und absolvierte eine Ausbildung in der Verwaltung. Anfang April 2023 wurde er mit absoluter Mehrheit in der baden-württembergischen Gemeinde Ostelsheim zum Bürgermeister gewählt und ist somit der erste Rathauschef mit syrischen Wurzeln in der Bundesrepublik. Wir haben ihn zu seinem Wahlsieg und seinen Plänen befragt.

Sie sind der erste syrische Flüchtling, der in Deutschland zum Bürgermeister gewählt wurde. Was bedeutet dieser Wahlsieg für Sie persönlich – und wie empfinden Sie die mediale Aufmerksamkeit, die Ihnen deshalb entgegengebracht wird?

Ryyan Alshebl: Für mich ist der Wahlsieg ein großer persönlicher und beruflicher Erfolg, über den ich mich riesig freue. Ich bin euphorisch, denn es ist eines der wichtigsten Lebensereignisse für mich und geht mit einem bedeutenden beruflichen Aufstieg einher. Das mediale Interesse, das mir aufgrund meiner Herkunft und Fluchtgeschichte entgegengebracht wird, freut mich ebenfalls, denn es zeigt, dass es nicht nur ein persönlicher, sondern auch ein gesellschaftlicher Erfolg ist, auf den man stolz sein darf. Andererseits wird dadurch aber auch deutlich, dass es hierzulande noch keine Selbstverständlichkeit ist, dass Menschen mit Migrationsgeschichte öffentliche Ämter bekleiden. Das sollte sich aus meiner Sicht ändern.

Was hat Sie dazu bewogen, sich in ihrem neuen Heimatland politisch zu engagieren und ein öffentliches Amt als Bürgermeister anzustreben? 

Alshebl: Ich habe mich schon immer für Politik interessiert. Auch als ich noch nicht genau wusste, wo die Reise in meinem Leben hingehen soll, war mir bereits klar, dass ich etwas machen möchte, bei dem ich gestalten, Verantwortung übernehmen und auch etwas geben kann. Etwas, bei dem ich mein Potenzial ausschöpfen kann. Ich hatte die Vorstellung, mich entweder selbstständig zu machen oder über kurz oder lang in die Politik zu gehen. Ich habe kein Angestelltenverhältnis angestrebt, jedenfalls nicht langfristig. Ich wollte schon immer freier unterwegs sein und versuchen, eigene Ideen zu realisieren. Während meiner Ausbildung in der Verwaltung von Althengstett im Kreis Calw stellte ich fest, wie vielseitig und verantwortungsvoll die Aufgaben eines Bürgermeisters sind. Das war für mich prägend. Damit konnte ich mich identifizieren, da ich selbst eine gewisse Vielseitigkeit mitbringe und gerne Verantwortung übernehmen möchte. So reifte in mir der Wunsch, eines Tages Bürgermeister zu werden. Als sich dann in Ostelsheim die Chance ergab, habe ich sie ergriffen und mich zur Wahl gestellt. Es hat geklappt und ich freue mich sehr darauf, mich für die Gemeinde und die Belange der Bürgerinnen und Bürger zu engagieren.

Was sind die dringlichsten Herausforderungen, die Sie als Bürgermeister der schwäbischen Gemeinde Ostelsheim angehen wollen?

Alshebl: Das sind insbesondere drei Themen. Erstens möchte ich im örtlichen Kindergarten dafür sorgen, dass die Ganztagsbetreuung wieder eingeführt wird. Dafür wird Personal benötigt. Es müssen Stellen ausgeschrieben werden. Aber es ist nicht leicht, in diesem Bereich Leute zu finden. Zweitens will ich dafür sorgen, dass Ostelsheim einen Supermarkt bekommt, einen Discounter. Dieser muss dann realisiert werden – hoffentlich bereits nächstes Jahr. Zunächst geht es darum, die baurechtlichen Schritte so schnell wie möglich abzuwickeln. Danach soll auch der Bau selbst schnellstmöglich realisiert werden. Drittens muss auch die Ortsmitte von Ostelsheim dringend strategisch angegangen werden. Derzeit hat die Gemeinde praktisch keine Ortsmitte, nicht nur im baulichen, sondern auch im gesellschaftlichen Sinne. Es fehlt ein Ort, an dem sich Menschen generationenübergreifend begegnen können. Auch betreutes Wohnen für Senioren wird eine wichtige Rolle spielen. Das muss ebenfalls dringend angegangen werden, denn in Ostelsheim gibt es bislang keine etablierte Betreuungsmöglichkeit für ältere Menschen. Das sind die wichtigsten Themen, denen ich mich in meinem neuen Amt als Bürgermeister widmen will.

Interview: Dirk Täuber


Zur Person

Ryyan Alshebl kam 2015 als syrischer Flüchtling nach Deutschland und wurde Anfang April 2023 zum Bürgermeister der baden-württembergischen Gemeinde Ostelsheim gewählt.