Die Taskforce sorgt für Sicherheit

Heidelberg fährt zweigleisig, erklärt Oberbürgermeister Eckart Würzner: Die Stadt ist vorbereitet auf den Worst Case ─ und parallel wird intensiv daran gearbeitet, die Versorgungssysteme stabil zu halten. / Foto: JuliaBeekmann

Die „Zeitenwende“ muss konkret umgesetzt werden: Energie muss eingespart
werden – aber auch auf Stromausfall und andere Krisen sollte man vorbereitet
sein. Wie das in Heidelberg gelingt, beschreibt Oberbürgermeister Eckart Würzner.

Probleme bei der Gasversorgung, Lastabschaltungen im Stromnetz? Lange Zeit ein unvorstellbares Szenario für die meisten Menschen in Deutschland. Die aktuellen Herausforderungen bei der Energieversorgung haben uns jedoch gezeigt, dass wir dieses Szenario ernst nehmen und uns möglichst gut dagegen wappnen müssen. Als Stadt Heidelberg haben wir daher den Fokus nach dem russischen Angriff auf die Ukraine schnell darauf ausgerichtet, durch Energiesparen unseren Beitrag zur Vermeidung einer Gasmangellage zu leisten und zugleich bestmöglich Vorsorge für diesen möglichen Ernstfall zu treffen.

Wir haben uns auf einen Worst Case vorbereitet, parallel aber verschiedene Stufen in einem klar fokussierten Handlungsplan durchgespielt, der darauf abzielte, die Systeme stabil und die Versorgung sicher zu halten. Durch die frühzeitige Einberufung einer Task Force konnten wir in Heidelberg in beiden Bereichen schnell Erfolge erzielen: Darin analysieren Vertreter der Stadtverwaltung und der städtischen Tochter Stadtwerke Heidelberg regelmäßig die aktuellen Situationen, besprechen die wichtigsten Maßnahmen und leiten die erforderlichen Vorkehrungen in die Wege.

Drei Steuerungsgruppen arbeiten der Task Force zu und befassen sich mit speziellen Aspekten:

  • Wie kann die Stadt möglichst viel Energie einsparen?
  • Welche Auswirkungen hätte eine Gasmangellage auf die Bevölkerung?
  • Wie könnte die Stadt ihre Bürgerinnen und Bürger in diesem Ernstfall möglichst gut schützen und versorgen?
  • Wie ließen sich der Verwaltungsbetrieb und Serviceleistungen aufrechterhalten?

Energie Sparen ─ alle sind dabei

Wir haben uns genau angesehen, welche Stadtteile und -quartiere überwiegend mit Erdgas versorgt werden und ob Auswirkungen auf die Stromversorgung zu befürchten sind. Wir haben mobile Heizzentralen angemietet und sind darauf vorbereitet, Wärmestuben in den Stadtteilen einzurichten oder auch einzelne Pflegeeinrichtungen zu unterstützen, wenn die Heizungen kalt bleiben. Die Stadt hat Senioren- und Pflegeeinrichtungen, Unternehmen und andere Einrichtungen wie Kliniken und Hochschulen über die aktuellen Lagen informiert und sie bei Lösungen unterstützt.

Wir profitieren in dieser Krisensituation in Heidelberg davon, dass wir frühzeitig den Weg hin zu einer nachhaltigen Energieversorgung gegangen sind. Rund die Hälfte aller Bürgerinnen und Bürger in der Stadt werden über Fernwärme versorgt und sind damit unabhängig vom Gas – vor allem in den Stadtteilen mit einer hohen Wohnungsdichte und mit vielen Mietwohnungen. Die Heidelberger Fernwärme ist dabei bereits zu 50 Prozent CO2-frei.

Mit einer breiten Kommunikationskampagne haben Stadt, Stadtwerke sowie Klimaschutz- und Energie-Beratungsagentur im Herbst die Bevölkerung motiviert, mit einfachen Maßnahmen im Alltag Energie einzusparen. Mit einem Augenzwinkern vermittelten Anzeigenmotive unter dem Motto #damitsfürallereicht leicht umsetzbare Tipps zum Energiesparen. Ergänzt wurden diese um Infos, welche konkreten Einsparungen sich erzielen lassen.

Die Stadt Heidelberg geht zugleich mit gutem Beispiel voran und spart rund 15 Prozent ein – durch Abschalten von Warmwasser und eine Reduzierung der Raumtemperatur auf 19 Grad in den städtischen Gebäuden, durch eine weitgehende Schließung von Verwaltungsgebäuden in den Weihnachtsferien, Reduzierung der Beleuchtung und vieles mehr.

Ich bin sehr dankbar, dass sich die Bürger das Thema Energiesparen auch weiterhin zu Herzen nehmen: Die Heidelberger Haushalte heizen in der Energiekrise deutlich weniger. Im Oktober, November 2022 und in der ersten Januarhälfte 2023 registrierten die Stadtwerke Heidelberg zwischen 32 und 46 Prozent weniger Gasverbrauch als in den Vorjahren. Einen großen Anteil an den Einsparungen haben auch die ungewöhnlich hohen Außentemperaturen und die Umstellungen bei den Anlagen der Stadtwerke. Aber auch im überdurchschnittlich kalten Dezember sparten die Heidelberger zehn Prozent Erdgas ein.

Bürgern helfen, Unternehmen stärken

Dennoch waren die Preiserhöhungen im Energiesektor für manche Menschen nicht zu stemmen. Für private Kunden, die in existenzielle Schwierigkeiten geraten, haben die Stadtwerke Heidelberg daher den Etat für den Nothilfefonds im Rahmen der „Aktion Nähe“ erhöht. Den Fonds haben Stadtwerke und Stadt bereits vor Jahren gemeinsam mit der Liga der Freien Wohlfahrtspflege Heidelberg eingeführt: Privatkunden des kommunalen Energieversorgers, die in eine finanzielle Notlage geraten sind, erhalten hierüber Hilfe. Bedingung ist, dass die Antragsteller an einer professionellen Schuldnerberatung teilnehmen.

Eine weitere Säule für die Abfederung der Energiekostenkrise: die Stärkung von Wirtschaft und Betrieben. Mit der Heidelberger Wirtschaftsoffensive unterstützen wir Unternehmen, um die Betriebe auch langfristig von globalen Energiekrisen unabhängiger zu machen. Dafür haben wir Förderstrukturen ausgebaut. Im Umweltamt wird kurzfristig Personal für die Beratung von besonders betroffenen Branchen wie Bäckereien oder produzierendes Gewerbe bereitgestellt. Die Mittelstandsoffensive unterstützt in Existenznot geratene Unternehmen bei der Lösungssuche mit Banken und anderen Beratern.

Glücklicherweise hat sich die Situation zuletzt deutlich entspannt – dank der zusätzlichen Energielieferungen, aber auch dank des Engagements der Bevölkerung beim Energiesparen und des ungewöhnlich warmen Wetters. Wir alle müssen aber weiter dranbleiben: Gas, das wir heute einsparen, hilft uns, die Speicher für den Winter 2023/24 füllen. Energie, die wir heute einsparen, hilft uns, das Klima für die Zukunft zu schützen. Es ist wichtig, dass wir die Notfallpläne in der Schublade haben und diese immer wieder an neue Entwicklungen anpassen.

Dazu gehört auch, dass wir uns gegen Folgen von Stromausfällen wappnen – in Heidelberg rüsten wir zum Beispiel Feuerwehrhäuser mit Notstromversorgung und einem Treibstoffvorrat für eine Betriebszeit von 72 Stunden aus. Zudem installieren wir ein Sirenennetz, das auch ohne Strom ausgelöst werden kann. Wenn Telekommunikationsdienste nicht mehr funktionieren, sind die Gerätehäuser der Freiwilligen Feuerwehren in den Stadtteilen die wichtigsten Anlaufstellen, um Notfälle zu melden. Von dort aus können sie über den Behördenfunk weitergeleitet werden. Die zentrale Feuerwache ist bereits mit Notstrom ausgestattet.

Die Krise nutzen

Wenn man der Energiekrise etwas Gutes abgewinnen möchte, dann vielleicht das: Die Behörden haben gezeigt, dass sie schnell und effektiv in Krisensituationen reagieren können. Und: Die allermeisten Menschen verhalten sich solidarisch zum Wohle aller. Die Energiekrise zeigt aber auch: Bei aller Vorsorge, die der Bund, die Länder und ebenso wir Städte treffen können, sind auch die Bürger heute wieder stärker gefordert, sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten eigenverantwortlich zu schützen – angefangen bei einer
Grundausstattung im Haushalt mit Lebensmitteln, Batterien und Kerzen etwa für einen Blackout bis hin zur Nutzung von Photovoltaik und anderen erneuerbaren Energien, um von fossilen Energieträgern unabhängiger zu werden.

Hier unterstützten wir in Heidelberg ganz konkret: Über das Förderprogramm Rationelle Energieverwendung bezuschusst die Stadt Photovoltaik-Anlagen auf Dachflächen, Gründächern und Fassadenflächen mit jährlich insgesamt 1,5 Millionen Euro. Die Energiekrise hat – notgedrungen – neuen Schwung zum Energiesparen und zur Umrüstung auf regenerative Energieträger gebracht. Diesen Schwung gilt es jetzt beizubehalten: für den Schutz vor Krisen, aber auch zum Wohle unserer Umwelt.

Prof. Dr. Eckart Würzner, Oberbürgermeister in Heildelberg (parteilos)