Die Sonne bringt die Effizienz

Wärmenetze mit erneuerbaren Energien bieten vielversprechende Möglichkeiten, bei der Wärmewende vor Ort voranzukommen. Immer öfter werden dabei auch große Solarthermie-Freiflächenanlagen eingebunden. Die Technologie ist ausgereift und auch wirtschaftlich attraktiv.

Wärmenetze ermöglichen es, erneuerbare Energien und Effizienztechnologien effizient und kostengünstig in lokale Versorgungssysteme zu integrieren. Sie erweisen sich immer mehr als ein Schlüsselelement und als effizienter organisatorischer Ansatz für eine wirksame Wärmewende vor Ort. In vielen Fällen zeigt sich, dass insbesondere bei Bestandssanierungen eine Kombination von Nah- oder Fernwärme auf Basis erneuerbarer Energien und moderaten Gebäudeeffizienzmaßnahmen auch aus Investoren- und Nutzersicht wirtschaftlich konkurrenzfähig und technisch einfach realisierbar ist.

Vorbild Dänemark

Immer öfter werden in Wärmenetze große Solarthermie-Freiflächenanlagen eingebunden. Die Technologie ist ausgereift und wirtschaftlich attraktiv – der Wärmegestehungspreis liegt zwischen 30 und 50 Euro je Megawattstunde. Dänemark setzt bereits seit den 1980er-Jahren auf die Entwicklung der Nah- und Fernwärme. Eine gezielt im Verantwortungsbereich der Kommunen verankerte Wärmepolitik führte dazu, dass der Anteil der netzgebundenen Wärmeversorgung in unserem Nachbarland bereits etwa 60 Prozent beträgt. Der Anteil der erneuerbaren Energien hieran macht etwa 50 Prozent aus.

Seit dem Jahr 2010 wurden Anlagen der solaren Fernwärmeversorgung mit einer Gesamtnennleistung von über einer Million Quadratmetern errichtet, der Großteil ohne finanzielle Förderung. Diese Marktentwicklung ist im Wesentlichen auf die sehr speziellen Rahmenbedingungen im dänischen Fernwärmesektor zurückzuführen. Zu nennen sind der konsequente Ausbau von Wärmenetzen auch in ländlichen Räumen, die genossenschaftliche Organisation der Wärmeversorgung verbunden mit günstigsten Finanzierungsmöglichkeiten sowie eine hohe Besteuerung fossiler Energiequellen.

Über 51.000 Quadratmeter Kollektorfläche in Deutschland

In Deutschland sind die Rahmenbedingungen grundlegend anders. Dennoch stellt sich die Solarthermie als eine interessante und konkurrenzfähige Erzeugungsoption für Wärmenetze dar. Ein neuer Rekordhalter mit einer Kollektorfläche von 8300 Quadratmetern ging 2016 im brandenburgischen Senftenberg in Betrieb. Allein 2018 werden fünf neue Anlagen in Solarenergiedörfern die Wärmeproduktion aufnehmen. Weitere Planungen liegen bei Stadtwerken und Energiegenossenschaften auf dem Tisch. Aktuell sind in Deutschland 51.200 Quadratmeter Kollektorfläche in Betrieb, 16.900 Quadratmeter in Planung beziehungsweise Realisierung und weitere 50.500 Quadratmeter in Vorbereitung.

In der Praxis ergeben sich recht unterschiedliche Anwendungskonzepte für die solare Nah- und Fernwärme: Derzeit entstehen vielerorts neue Nahwärmenetze in Energiedörfern in ländlichen Gegenden. Dort wurden und werden meist große Freiflächen-Solarthermieanlagen mit Biomasseheizwerken kombiniert. Betreiber sind immer öfter Kommunen oder lokale Wärmegenossenschaften, was zu günstigen Wärmepreisen auf der einen und zu einer hohen Akzeptanz seitens der Bevölkerung auf der anderen Seite führt. Neben dem positiven Effekt aus Klimaschutzsicht profitieren die Bürger von Wärmebezugskosten, die deutlich günstiger sind als die Wärmegestehungskosten aus Einzelheizungen mit erneuerbaren Energien.

Solare Nahwärme ist auch eine Lösung für Neubau- oder Sanierungsgebiete, zum Beispiel in städtischen Quartieren. Insbesondere bei größeren städtischen Netzen ist eine dezentrale Einbindung von Solaranlagen mit einer gewissen Mindestgröße interessant, wenn etwa ausreichend große Dach- oder Infrastrukturflächen entlang der Netztrassen zur Verfügung stehen. All diese Konzepte wurden schon vielfach umgesetzt, und es liegen langjährige Betriebserfahrungen vor.

Hohe Flächeneffizienz

Solarthermie ist überall in Deutschland nahezu unabhängig vom Standort nutzbar und weist eine sehr hohe Flächeneffizienz auf. Je Hektar Landfläche können pro Jahr rund 2000 Megawattstunden Wärme „geerntet“ werden, etwa 50 Mal mehr als zum Beispiel aus der Energiepflanzenproduktion. Dennoch erweist sich die Festlegung geeigneter ortsnaher und günstiger Flächen für Solarthermieanlagen oftmals als Herausforderung. Insbesondere in urbanen Räumen besteht eine hohe Nutzungskonkurrenz zum Wohnungsbau, zur Gewerbeansiedlung und zur Landwirtschaft. Flächen im Außenbereich unterliegen oftmals dem Landschafts- und Naturschutz. Die Montage der Kollektoren auf Dachflächen stellt nur bedingt eine Alternative dar, da die Kosten für die Installation auf Dächern deutlich höher sind.

Um hohe Anteile an erneuerbarer Wärme auf lokaler Ebene zu erreichen, bedarf es daher einer konstruktiven Zusammenarbeit der zuständigen Behörden (Bau, Naturschutz, Landwirtschaft), einer frühzeitigen Einbindung der Interessengruppen, der Abwägung der Nutzungskonkurrenzen sowie der Entwicklung möglicher Synergien mit dem Naturschutz.
Thomas Pauschinger

Der Autor
Thomas Pauschinger ist Mitglied der Geschäftsleitung beim Steinbeis Forschungsinstitut Solites in Stuttgart; als Initiator und Koordinator der internationalen SDH-Vorhaben (SDH: Solar District Heating, solare Fernwärme) zur Marktbereitung von solarer Nah- und Fernwärme berät er Kommunen, Stadtwerke und Landesbehörden in diesem Bereich

Blick in die Praxis

Energiedorf Büsingen: Nahwärmesysteme für die Wärmeversorgung kleinerer Städte und Gemeinden in ländlichen Gebieten ermöglichen eine grundlegende Umstellung der Wärmeversorgung einer ganzen Ortschaft auf regenerative Energien. Ein wirtschaftlich interessantes Konzept für Wärmenetze in solchen Energiedörfern ist die Kombination aus großflächigen Solaranlagen und Biomasse-Heizwerken. Bei solchen Projekten ist die Einbindung der Bürger ein entscheidender Erfolgsfaktor. In der Gemeinde Büsingen (rund 1350 Einwohner, Baden-Württemberg) liefern großflächige Vakuumröhrenkollektoren mit einer Fläche von knapp 1100 Quadratmetern die gesamte Wärme, die im Sommer benötigt wird. Dadurch wird ein unwirtschaftlicher Teillastbetrieb der Biomasse-Heizkessel vermieden. Durch das im Jahr 2012 in Betrieb genommene Wärmenetz werden über 100 Gebäude mit Wärme aus regenerativen Energiequellen versorgt. Dieses Konzept ist zukunftsweisend und war Vorbild für neu entstehende Energiedörfer.

Solare Nahwärme Crailsheim: Nahwärmenetze sind eine aussichtsreiche Option für die Wärmeversorgung von Stadtquartieren, sowohl bei Neubau- als auch bei Sanierungsgebieten. Je nach Gebäudeart und Ausstattung können solche Netze mit niedrigen Temperaturen betrieben werden, was der Einbindung von Solarthermie dienlich ist. Durch die Einbindung von Wärmespeichern lassen sich solare Anteile an der Gesamtwärmeversorgung von bis zu 50 Prozent erreichen. In der Stadt Crailsheim (rund 34.400 Einwohner, Baden-Württemberg) ist auf der Konversionsfläche einer ehemaligen Kaserne der US-Armee ein solar unterstütztes Nahwärmesystem für ein Neubau- und Bestandsgebiet entstanden. Von den 7300 Quadratmetern Kollektorfläche befinden sich gut 5000 Quadratmeter auf einem Lärmschutzwall, weitere Flachkollektoren sind auf Wohnbauten und dem Schulgebäude installiert. Durch einen saisonalen Erdsonden-Wärmespeicher mit einem Volumen von 37.500 Kubikmetern wird ein solarer Deckungsanteil von 50 Prozent am jährlichen Gesamtwärmebedarf erzielt.

Graz in Österreich – solare Fernwärme für Städte: Große Fernwärmesysteme in Stadtgebieten werden meist mit Wärme aus Heizkraftwerken oder Heizwerken beziehungsweise mit industrieller Abwärme betrieben. Als Brennstoffe finden oft Erdgas, Kohle, Abfall oder Biomasse Verwendung. Die dezentrale Einbindung großflächiger Solaranlagen ist eine Möglichkeit, den Anteil erneuerbarer Energiequellen in solchen Systemen zu erhöhen. In Graz speisen über 13.000 Quadratmeter Kollektoren an drei Standorten direkt in das städtische Fernwärmenetz ein. Weitere 3000 Quadratmeter Kollektoren sind über Subnetze eingebunden. Die Kollektorfelder wurden entweder auf Gebäudedächern, auf Infrastrukturflächen oder als Freilandanlagen in und um die Stadt realisiert. Die Solarwärme reduziert den Anteil der Fernwärme aus Gaskesseln. Die Stadt Graz hat ambitionierte Pläne, den solaren Anteil der städtischen Fernwärmeversorgung auf rund20 Prozent zu steigern.

Beratung für Kommunen

Über ein gefördertes Vorhaben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWI) bieten das Steinbeis Forschungsinstitut Solites, der Fernwärme-Branchenverband AGFW und das Hamburg Institut eine Initialberatung zur Bewertung der Solarthermie in konkreten Projektentwicklungen an. Mit Erfahrungen und Wissen aus praktischen Umsetzungen wollen diese Partner interessierte Kommunen und Wärmeversorger unterstützen, sodass diesen die Solarthermie zukünftig als erneuerbare und emissionsfreie Erzeugungsoption zur Verfügung steht. Weitere Informationen, Leitfäden und Veranstaltungshinweise hier, Anfragen an helpdesk@solare-fernwaerme.de