Die Mitte hat Chancen

Ein gut ausgebautes Verkehrsnetz, ein umfassendes Potenzial an Fachkräften und ein solider Haushalt: Das zeichnet eine wirtschaftsfreundliche Kommune aus. Doch diese Faktoren müssen morgen nicht unbedingt noch herausragende Bedeutung haben. Die Anforderungen ändern sich, neue Aufgaben wachsen.

Das internationale Wettbewerbsumfeld von Unternehmen ändert sich nahezu täglich. Der schnelle technische Fortschritt und neue Formen des Zusammenwirkens in der globalisierten Wirtschaft sorgen für Veränderungen, auf die die Firmen reagieren müssen. Das beeinflusst auch die Anforderungen der Unternehmen an kommunale Standortqualitäten und Leistungen. Galt lange Zeit der Dreiklang „Straßen, Fachkräfte, Kosten“, also ein gut ausgebautes Straßennetz, die Verfügbarkeit vieler Fachkräfte und ein solider Haushalt als wichtig für die wirtschaftsfreundliche Kommune, gibt es bei diesen Faktoren einen Bedeutungswandel. Neue Aufgaben rücken in den Fokus. Für Städte und Gemeinden entwickeln sich interessante neue Möglichkeiten, als Standort herauszuragen.

Ganz entscheidend wird sein, inwieweit sich Standortgemeinden auf die Digitalisierungstrends einlassen. Ohne die Möglichkeit einer umfassenden Vernetzung von Maschinen und Anlagen wird die vielbeschworene Industrie 4.0 nicht Realität. Kommunen, die ihren Unternehmen die Teilnahme an dieser wichtigen Entwicklung ermöglichen wollen, müssen sich um den Bau von Datenautobahnen kümmern. Wichtig bleibt dennoch die funktionierende, gut ausgebaute Verkehrsinfrastruktur. Schließlich bedingt die Produktion in den Hallen der 4.0-Industrieunternehmen auch die tägliche Versorgung mit Material und den Abtransport der erzeugten Güter.

Potenzial vor Ort entwickeln

Wissen ist Macht – in der heutigen Zeit vor allem auch wirtschaftliche. Wo Kommunen die Talententwicklung schon bei ihren jungen Bürgern zur Aufgabe machen, wird die Quelle an Fachkräften kaum versiegen. Es reicht nicht mehr, nur mit attraktiven Wohnortbedingungen Familien in die Stadt zu holen – in Zeiten des demografischen Wandels mit einem Schwund gerade in der Altersgruppe der Erwerbstätigen ein schwieriges Unterfangen. Es gilt im Interesse einer möglichst hohen Attraktivität als Wirtschaftsstandort, das junge Potenzial vor Ort zu entwickeln. Die Stadt Erlangen in Bayern beispielsweise fördert Jugendliche schon früh mit einer „AzubiAkademie“, Bildungspaten und einem Lernstubenkonzept.

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln hat im Auftrag der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (VBW) in der Studie „Wirtschaftsfreundliche Kommune 2020“ untersucht, was den Erfolg von Städten und Gemeinden im Wettbewerb um Ansiedlungen ausmacht. Zehn Ziele werden benannt, die Kommunen anstreben sollten, wenn sie sich als besonders wirtschaftsfreundlich positionieren wollen: Wirtschaftsnahe Infrastrukturen bedarfsgerecht entwickeln, Stadtentwicklung und Flächenmanagement aktiv gestalten; Wissenstransfer erleichtern; mit bedarfsgerechtem Wohnraum Kernbedürfnisse erfüllen; Erwerbstätigkeit ermöglichen – Erreichbarkeit der Arbeitsplätze sichern; Kommunen als attraktives Lebensumfeld gestalten; Verwaltung effizient und wirtschaftsfreundlich gestalten; Gebühren, Steuern und Beiträge wettbewerbsfähig begrenzen; Zurückhaltung in der Rolle als Unternehmer üben; Kooperation und interkommunale Zusammenarbeit stärken.

Kommunen mit deutlich weniger Einwohnern als die großen Zentren müssen dabei um ihre Erfolgsaussichten nicht bangen. Hanno Kempermann, Leiter des Münchner IW-Büros und Autor der Studie, sieht gute Chancen gerade für Mittelstädte. Sie sind überschaubar, dort sind die kommunal Verantwortlichen nah am Bürger und den Unternehmen, sie haben das „Ohr auf der Straße“, um zeitnah zu erfahren, welche Nöte es gibt, und können schnell und flexibel reagieren.

Wolfram Markus

Info: Das Informationspapier „Wirtschaftsfreundliche Kommune 2020“, herausgegeben von der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (VBW), weist für Kommunen, die sich wirtschaftsfreundlich positionieren wollen, mit praxisbezogenen Lösungsansätzen den Weg. Es werden auch die globalen Megatrends skizziert, die auf die Unternehmen und damit auf die Kommunen durchschlagen und deren Kenntnis bedeutend ist für die Schaffung eines wirtschaftsfreundlichen Umfeldes. Download