Die Kommune von morgen

Um das Ziel der Klimaneutralität bis Ende dieses Jahrzehnts zu erreichen, leisten Kommunen einen entscheidenden Beitrag. Die Bundesregierung muss für die richtigen Rahmenbedingungen vor Ort sorgen. Foto: Adobe Stock/Joh.sch

„Unser Ziel für 2030 sind klimaneutrale, leistungsstarke und lebenswerte Kommunen“, sagt Ingbert Liebing. In seinem Gastbeitrag erklärt der VKU-Hauptgeschäftsführer, welche Rahmenbedingungen und Strategien nötig sind, um dieses Ziel zu erreichen.

Es ist eine Zeit des Umbruchs. Es gibt ehrgeizige Ziele und viele Fragen. Wir haben Vorschläge, wie wir das Klima schützen und Energie zugleich sicher und bezahlbar bleibt. Wie wir Kilometer beim Glasfaserausbau machen, auch auf dem Land. Wie Trinkwasser auch bei Dürren immer und überall aus dem Hahn kommt. Wie wir Abwasser nachhaltig entsorgen, Ressourcen schonen und Abfall vermeiden. Und wie wir unseren Wohlstand sichern – auch für nächste Generationen.

Nichts geschieht, wenn es nicht vor Ort passiert: Was in Berlin und Brüssel entschieden wird, setzen 1500 kommunale Unternehmen mit 283.000 Mitarbeitenden um. Sie versorgen die Bevölkerung zuverlässig mit Energie, Wasser und schnellem Internet und entsorgen sicher Abwasser und Abfall – auch in Krisen. Unser Ziel für 2030 sind klimaneutrale, leistungsstarke und lebenswerte Kommunen. Dafür muss die Politik gute Rahmenbedingungen setzen.

Klimaneutrale Kommunen

Städte und Gemeinden werden klimaneutral, wenn wir mit sektorenübergreifenden Strategien alle Bereiche des kommunalen Betriebssystems auf Klimaschutz ausrichten. Weil das Ressourcen-Angebot von Ort zu Ort unterschiedlich verteilt ist, müssen wir die örtlichen Potenziale optimal nutzen. Ebenso vielfältig ist die Nachfrageseite: Es macht einen Unterschied, ob man dünn besiedelte ländliche Räume, Industrie- und Gewerbegebiete oder eine Großstadt versorgt.

Klima- und Nachhaltigkeitsziele erreichen wir daher nur, wenn wir Ressourcen und Nachfrage vor Ort optimal aufeinander abstimmen. Politik kann hierzu eine Reihe von Weichenstellungen vornehmen. Die Finanzierung der Energiewende braucht einen Neustart. Wir müssen für günstigeren und wettbewerbsfähigeren Strom aus erneuerbaren Energien sorgen. Politik sollte alle Steuern, Abgaben und Umlagen im Energiesektor prüfen und zielführend reformieren: fossile Energie belasten, erneuerbare Energie entlasten.

Das 80 Prozent-Erneuerbare-Ziel ist extrem herausfordernd. Wir brauchen jetzt eine Erneuerbare-Energien-Offensive, durch die Ausbaubremsen gelöst werden. Grundlage dafür wären beispielsweise mehr Flächen für Windenergie- und Photovoltaikanlagen, verstärkter Netzausbau und bessere Sektorenkopplung sowie ein Gleichgewicht zwischen Arten- und Klimaschutz. Daneben brauchen wir schnellere Planung und Genehmigung, etwa durch einfachere Verfahren und mehr Personal für Behörden.

Leistungsstarke Kommunen

Klimawandel, Digitalisierung und Demografie verändern die Rahmenbedingungen für die Ver- und Entsorgung. Das erfordert Anpassungen: Unser Land braucht ein Infrastruktur-Update. Wasser-, Energie- und Glasfasernetze sind kein Produkt von der Stange, sondern Maßanzüge: präzise zugeschnitten auf die Situation vor Ort wie Topographie, erneuerbare Energiequellen oder Siedlungsstruktur. Zudem sind sie langlebig und für Generationen gebaut. Investitionen in Infrastrukturen stärken unmittelbar das lokale Handwerk und perspektivisch die Wettbewerbsfähigkeit des gesamten Wirtschaftsstandorts. Was sich bewährt hat, sollte bleiben.

Ein Beispiel dafür ist die Überlassungspflicht, der gesetzlich verankerte Auftrag der kommunalen Abfallwirtschaft zur Entsorgung privater Haushaltsabfälle. Das sichert die Abfallentsorgung flächendeckend. In drei Bereichen der Daseinsvorsorge sollten wir vorrangig handeln:

  • Netzausbau und Gaskraftwerke für sichere Energieversorgung: Auch 2030 muss unsere Energieversorgung nachhaltig, bezahlbar und sicher sein. Das ist die wichtigste Voraussetzung für den angepeilten früheren Kohleausstieg.
  • Investitionen in klimarobuste und enkelfitte Wasser- und Abwasserinfrastrukturen: Die Anpassung an die Folgen des Klimawandels wie Starkregen und Dürren gelingt mit „Mehr Grün und Blau im Grau“-Maßnahmen und dem Umbau zur klimarobusten Wasserversorgung.
  • Glasfasernetze für schnelles Internet in Stadt und Land: Netzzugangsvereinbarungen und Kooperationen können den Glasfaserausbau schneller und günstiger vorantreiben.

Lebenswerte Kommunen

Ob sichere Energie- und Wasserversorgung oder saubere Straßen und Bäder: Daseinsvorsorge ist das Basispaket unseres Alltags und Lebensqualität. Allerdings stellt sich die Frage der Bezahlbarkeit. Gerade im ländlichen Raum schultern oft immer weniger Menschen die Kosten für Instandhaltung und Modernisierung der Wasserinfrastrukturen. Daseinsvorsorge darf keine Frage des Wohnorts sein. Der neue Fördertatbestand „Regionale Daseinsvorsorge“ braucht eine Startprämie für interkommunale Kooperationen.

Für Bäder und ÖPNV müssen wir den kommunalen Querverbund erhalten und die langfristige Finanzierung sichern. Für saubere Städte sollten sich Hersteller von Verpackungen substanziell an Stadtreinigungskosten beteiligen. Bisher zahlen die Kommunen 700 Millionen Euro pro Jahr im Kampf gegen die Vermüllung. Mittlerweile erlaubt die EU, Hersteller mit in die Verantwortung zu nehmen. Das muss jetzt umgesetzt werden.

Autor: Ingbert Liebing ist Hauptgeschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) in Berlin.