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Der Weg ins digitale Zeitalter scheint mit Blick auf die öffentliche WLAN-Nutzung in Städten und Gemeinden blockiert. Nach wie vor ist die Rechtslage bei Themen wie Urheberrechtsverletzungen unklar. Auch die jüngste Fassung der Gesetzesinitiative des Bundes bedeutet keinen Fortschritt.

Die deutsche Bevölkerung ist im weltweiten Vergleich überdurchschnittlich mit einer WLAN-Verbindung zuhause oder auf der Arbeit versorgt. Im öffentlichen Raum stellt eine WLAN-Nutzung jedoch die Ausnahme dar. Oft besteht noch Erklärungsbedarf hinsichtlich der unklaren Rechtslage in Deutschland und der angemessenen Vorgehensweise. Mittlerweile ist bei der Bevölkerung angekommen, dass man im Falle einer Urheberrechtsverletzung, die über einen Internetanschluss begangen wurde, bereits dann zur Verantwortung gezogen werden kann, wenn man Inhaber des Internetanschlusses ist, den Verstoß selber aber nicht begangen hat.

Diese von der Rechtsprechung entwickelte sogenannte Störerhaftung nach dem deutschen Urheberrechtsgesetz ist in vielen anderen europäischen Ländern gänzlich unbekannt. Vordergründig spielt die Störerhaftung bei einer öffentlichen Zugänglichmachung urheberrechtlich geschützter Werke im Wege des sogenannten Filesharings über Internettauschbörsen eine Rolle. Gegenüber dem Anschlussinhaber werden Rechtsanwaltskosten für eine Abmahnung sowie gegebenenfalls Kosten eines Gerichtsverfahrens geltend gemacht.

Eine Störerhaftung besteht nach dem Bundesgerichtshof, wenn eine Person willentlich und ursächlich an der Urheberrechtsverletzung mitgewirkt hat, obwohl es ihr rechtlich möglich und zumutbar gewesen wäre, die unmittelbare Rechtsverletzung zu verhindern.

Einstufung der WLAN-Anbieter

Maßgeblich ist für die Richter des Bundesgerichtshofs (BGH), ob für den Anschlussinhaber im Einzelfall eine Verletzung von Prüfpflichten besteht und diese ihm auch zuzumuten sind. Auch wenn in den Urteilen der letzten Jahre die Hürden für eine Haftung überwiegend angehoben wurden: Rechtssicherheit besteht aktuell nicht. Die genannten Grundsätze trafen bisher sowohl private Anschlussinhaber als auch die Anbieter eines öffentlichen WLAN-Netzes. Seit dem Jahr 2014 hat sich in der Rechtsprechung allerdings verstärkt die Tendenz herausgebildet, dass die Anbieter öffentlicher WLAN-Zuhänge als sogenannte Access-Provider oder „Diensteanbieter“ nach Paragraf 8 des Telemediengesetzes (TMG) gelten.

Access-Provider leiten Informationen gewissermaßen nur durch und sind für Rechtsverstöße nicht verantwortlich. Von einer Haftung sind sie im Wesentlichen befreit, wenn sie an der Durchleitung der Information nicht beteiligt sind und zu keiner Verbindung mit dem jeweiligen Nutzer stehen. Trotz der überwiegenden Meinung in der Rechtsprechung ist die Frage einer Einstufung der WLAN-Anbieter als Access-Provider nicht abschließend geklärt.

Paragraf 8 des (TMG) geht zurück auf europäisches Recht, die E-Commerce-Richtlinie (RL 2000/31/EG). Ein Vorabentscheidungsverfahren bezüglich der Klassifikation von WLAN-Anbietern als Access-Providern ist bereits seit 2014 beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) aufgrund einer Vorlage des Landgerichts München I (Beschluss vom 18. 9. 2014 – AZ 7 O 14719/12) anhängig. Das Landgericht dem EuGH unter anderem die Frage vor, ob Anbieter öffentlicher WLAN-Netze als „Dienstanbieter“ im Sinne von Artikel zwölf gelten und ob keine Ansprüche auf Schadensersatz, Abmahnkosten sowie Gerichtsgebühren bestehen.

Die beschriebene Rechtsunsicherheit hat auch die Bundesregierung zur Kenntnis genommen. In der Kommentierung zum aktuellen Gesetzesentwurf wird explizit auf das Bedürfnis der WLAN-Betreiber auf Rechtssicherheit hingewiesen. Der Wortlaut der neuen Absätze 3 und 4 von Paragraf 8 im TMG scheint dem Rechnung zu tragen. Unzweideutig werden Anbieter eines öffentlich zugänglichen WLAN-Netzes als Access-Provider qualifiziert und zwar unabhängig davon, ob es sich bei den Anbietern um Privatpersonen, Unternehmer oder die öffentliche Hand handelt.

Nach Absatz 4 Satz 1 wird zudem verdeutlicht, dass keine Verantwortung für die rechtswidrige Handlung eines Nutzers besteht. Diese „erfrischende“ Deutlichkeit erfährt jedoch durch die folgenden Sätze des Absatzes vier wieder eine jähe Einschränkung. Nur falls die Anbieter „zumutbare Maßnahmen ergriffen haben, um Rechtsverletzungen durch Nutzer zu verhindern“, greift der vorgenannte Haftungsausschluss. Vor allem müssen „angemessene Sicherungsmaßnahmen gegen einen unberechtigten Zugriff“ unternommen sowie die Erklärung des Nutzers keine Rechtsverletzungen zu begehen, eingeholt werden. Was angemessene Sicherungsmaßnahmen sind oder wie eine Nutzungserklärung auszugestalten ist, bleibt jedoch unklar.

Unbestimmte Rechtsbegriffe

Der Gesetzesentwurf schafft damit weitere unbestimmte Rechtsbegriffe, deren künftige Auslegung ungewiss ist. Werden aus Sicht der Gerichte zum Beispiel keine „zumutbaren Sicherungsmaßnahmen“ ergriffen, droht damit die Inanspruchnahme als Störer mit den Risiko Abmahnkosten tragen zu müssen.

Dieses aus Sicht vieler unbefriedigende Ergebnis hatte der Bundesrat, dem der Gesetzesentwurf zur Stellungnahme übermittelt wurde (BT Drucks 18/6745, Anlage 2), erkannt. Kritisch merkte etwa der Bundesrat hier zu Recht an, dass eine Rechtssicherheit und damit eine Verbreitung öffentlicher WLAN-Hotspots angesichts der unbestimmten Rechtsbegriffe nur durch die Streichung sämtlicher genannten Einschränkungen erreicht werden könne. Die Bundesregierung sah in der Stellungnahme der Länderkammer keine Veranlassung für eine Abänderung des Entwurfs und brachte diesen unverändert ein; die Zustimmung des Bundesrates ist nicht erforderlich. Die Abstimmung im Bundestag steht noch aus.

Die Vorlage ist jedoch auch aus unionsrechtlichen Gründen problematisch. Der Artikel 12 der E-Commerce-Richtlinie sieht keine Kompetenz der Mitgliedsstaaten vor, strengere Regeln für Access-Provider festzulegen. Gelten WLAN-Anbieter als Access-Provider hätte der deutsche Gesetzgeber damit seine Kompetenzen überschritten. Dies scheint ebenso die Europäische Kommission selbst in einer Stellungnahme zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung so zu sehen, die aktuell noch nicht veröffentlicht ist.

Die Intention des Gesetzgebers ist nicht ganz nachzuvollziehen. Bereits Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass Urheberrechtsverstöße schon angesichts der geringeren Bandbreite öffentlicher WLAN-Hotspots kaum vorkommen. Ferner kann eine Verschlüsselung aufgrund des damit verbundenen Aufwands von der Nutzung abhalten.

Bedeutung der Datenspeicherung

Freiwillige Registrierungen sowie die Erklärung keine Rechtsverstöße zu begehen, sind ebenfalls nicht zielführend. Nach aktueller Rechtslage im Telekommunikationsgesetz (§ 13 VI TMG und § 88 TMG) wäre eine solche Speicherung derartiger Daten unzulässig. Ohne Speicherung ist jedoch eine Rechtsverfolgung nicht möglich.

Städtische, kommunale sowie private Betreiber öffentlicher WLAN-Hotspots haben zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Gewissheit, dass sie nicht mit kostenpflichtigen Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen, die von Nutzern begangen werden, konfrontiert werden. Die Rechtsprechung in Deutschland tendiert aktuell dazu, eine Verantwortung der WLAN-Anbieter zu verneinen.

Durch die jüngste Fassung der Gesetzesinitiative der Bundesrepublik wird eine Rechtssicherheit nicht erreicht; der kommunale WLAN-Ausbau damit auch nicht gefördert. Angesichts zwingend zu beachtender europarechtlicher Vorgaben könnte eine Gesetzesänderung noch lange auf sich warten lassen.

Frank Utikal

Der Autor
Frank Utikal ist Rechtsanwalt bei der Kanzlei St-B-K Steuerberatung & Rechtsberatung Krefeld. Er ist schwerpunktmäßig in den Bereichen Urheber- und Medienrecht sowie im gesamten gewerblichen Rechtsschutz tätig