Seit 65 Jahren begleitet „der gemeinderat“ die Akteure in Städten und Gemeinden. Junge Frauen an der Spitze einer Kommune waren und sind bis heute Ausnahmen – doch es gibt sie: Sina Römhild zum Beispiel, ehrenamtliche Bürgermeisterin der kleinen Gemeinde Oechsen und bundesweit jüngste Amtsinhaberin. Wir haben sie gefragt, was sie während ihrer Amtszeit bewegen will.
Wie ist es dazu gekommen, dass Sie als Bürgermeisterin von Oechsen kandidiert haben?
Sina Römhild: Anfang des Jahres 2022 wurde klar, dass Wilfried Bleisteiner, der bisherige Bürgermeister von Oechsen, sich nicht mehr zur Wahl stellen lassen wollte. Es erwies sich dann als schwierig, einen neuen Kandidaten oder eine neue Kandidatin zu finden – zunächst wollte sich niemand aufstellen lassen. Da habe ich mir die Frage gestellt, ob das Bürgermeisteramt vielleicht etwas für mich wäre.
Was hat Sie darin bestärkt, dass Sie das schaffen könnten?
Römhild: Durch meinen Beruf als Verwaltungswirtin kannte ich die rechtlichen Hintergründe bereits – und dann haben mich auch zwei Gemeinderatsmitglieder gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, als Bürgermeisterin zu kandidieren. Im Vorfeld habe ich mich ausführlich damit beschäftigt, welche Aufgaben das Amt mit sich bringt. Darüber habe ich mich auch mit dem Bürgermeister und dem stellvertretenden Bürgermeister unterhalten.
Haben Sie damit gerechnet, die Wahl zu gewinnen?
Römhild: Ich war jedenfalls optimistisch. Von den Bürgerinnen und Bürgern habe ich viel Zuspruch bekommen, daher hatte ich von Anfang an ein gutes Gefühl. Dass die Wahl aber so deutlich ausgeht und ich mit 84,1 Prozent der Stimmen gewinne, hätte ich nicht erwartet.
Sind Sie trotzdem auch auf Gegenwind gestoßen?
Römhild: Ja, durchaus. Aus dem Kreis der Einwohnerinnen und Einwohner von Oechsen gab es auch Gegenstimmen, einige meinten: „Das junge Mädchen hat doch keine Ahnung, die kann das Bürgermeisteramt nicht übernehmen.“ Daraufhin hat sich auch eine Gegenkandidatin aufstellen lassen. Es hat mich geärgert, dass manche mir aufgrund meines Alters nicht zutrauen, das Amt gut auszuführen. Gleichzeitig hat es mich noch mehr angespornt: Ich wollte zeigen, dass auch junge Menschen gute Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sein können.
Am 1. Juli 2022 hat Ihre Amtszeit begonnen. Was haben Sie sich für die kommenden Jahre vorgenommen?
Römhild: Vor allem will ich, dass sich alte und junge Oechsener gleichermaßen repräsentiert fühlen. Eines meiner Ziele ist es, ein allgemeines Dorftreffen zu etablieren, das regelmäßig stattfindet: Dabei können alle Bürger gemeinsam aktuelle Probleme in der Gemeinde besprechen.
Warum ist das für Sie wichtig?
Römhild: So bekomme ich Anreize aus ganz verschiedenen Perspektiven, was man in und um Oechsen verbessern kann. Ein ähnliches Projekt gab es bereits einmal, die „mobile Dorfmitte“: Bürgerinnen und Bürger haben in lockerer Atmosphäre über aktuelle Themen gesprochen – das möchte ich wieder aufnehmen und verstetigen. Ein weiteres Ziel: Oechsen soll attraktiv für junge Menschen, gerade für Familien sein. Aktuell sind wir bereits auf einem guten Weg, so gibt es beispielsweise einen regen Zuspruch zu den Bauplätzen im Ort. Auch das Vereinsleben in Oechsen soll gefördert und unterstützt werden.
Vor welchen Herausforderungen stehen Sie dabei?
Römhild: Eine große Herausforderung ist die finanzielle Deckung – gerade jetzt, da die Energiepreise steigen. Ich habe viele Ideen, aber in Oechsen können wir nicht alles auf einmal ermöglichen. Meistens ist nur eine größere Investition pro Jahr möglich. Da muss man Prioritäten setzen, was besonders dringend benötigt wird und was verschoben werden kann.
Ihr Bürgermeisteramt ist ehrenamtlich, nebenbei arbeiten Sie weiter im Landratsamt Wartburgkreis und kümmern sich um Ihre dreijährige Tochter. Wie bekommen Sie das alles unter einen Hut?
Römhild: Aktuell arbeite ich 37 Stunden pro Woche im Landratsamt, meistens von halb acht bis halb vier. Danach hole ich meine Tochter vom Kindergarten ab. Den Bürgermeistertätigkeiten widme ich mich am späten Nachmittag – je nachdem, welche Termine an dem Tag anstehen. Freitags arbeite ich nur bis zwölf, dann findet zwischen 17 und 18 Uhr meine Bürgermeistersprechstunde statt: Die Bürgerinnen und Bürger, die ein Anliegen haben, können mich vor Ort im Bürgermeisteramt oder telefonisch erreichen. Wenn nachmittags zusätzliche Termine anstehen, kümmern sich meistens mein Partner oder die Oma um meine Tochter, oder ich nehme sie einfach mit.
Wie kommen Sie damit zurecht?
Römhild: Die Tage sind voll, aber es macht auch Spaß. Um allem gerecht zu werden, sind eine genaue Organisation und ein gutes Zeitmanagement das A und O.
Viele junge Menschen interessieren sich für das Geschehen in ihrer Kommune, trauen sich ein Amt in der Kommunalpolitik aber nicht zu. Was würden Sie ihnen mit auf den Weg geben?
Römhild: Ein erster wichtiger Schritt kann sein, dass man sich über Vereine aktiv am Geschehen in der Gemeinde beteiligt. Ich bin beispielsweise im Kirmesverein tätig. Empfehlen würde ich auch, regelmäßig die öffentlichen Sitzungen des Gemeinderats zu besuchen. So erhält man Einblick, wie diese Sitzungen ablaufen, was es vorzubereiten gilt und was die aktuellen Themen der Kommune sind. Ein nächster Schritt wäre es, sich als Gemeinderatsmitglied zur Wahl aufstellen zu lassen. Bevor man sich dafür entscheidet, als Bürgermeister oder Bürgermeisterin zu kandidieren, ist es wichtig, sich mit dem vorherigen Bürgermeister zu unterhalten.
Worüber haben Sie mit ihm gesprochen?
Römhild: Für mich war es essenziell, von meinem Vorgänger zu erfahren, welche Aufgaben auf mich zukommen werden und wie viel Zeit das Amt in Anspruch nehmen wird. Wer sich vor der Kandidatur nicht gründlich darüber informiert, was auf einen zukommt, und sich aus einer spontanen Laune heraus dafür entscheidet, wird es später bestimmt bereuen. Man sollte sich auf jeden Fall sicher sein, dass man bereit dazu ist, sehr viel Energie in das Bürgermeisteramt zu investieren.
Interview: Hannah Henrici
Zur Person: Sina Römhild (24, parteilos) ist ausgebildete Verwaltungswirtin. Seit Juli 2022 ist sie Bürgermeisterin der Gemeinde Oechsen (Thüringen, rund 660 Einwohner). Damit ist sie zurzeit offiziell die jüngste Bürgermeisterin Deutschlands.