Die Gesamtschulden der 75 deutschen Großstädte stiegen im Jahr 2016 auf 82,4 Milliarden Euro. Die Städte in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen haben die höchste Pro-Kopf-Verschuldung. Eine Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY zeigt, dass insbesondere ohnehin finanzschwache Städte tiefer in die Verschuldung geraten.
Die Gesamtschulden der 75 deutschen Großstädte sind im vergangenen Jahr um fast eine Milliarde Euro auf 82,4 Milliarden Euro gestiegen (+ 1,1 %). Das belegt eine Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY (Ernst & Young). Sie beruht auf einer Analyse der Verschuldungssituation aller deutschen Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern.
Nur 43 Prozent der Städte konnten demnach ihre Verbindlichkeiten reduzieren, die Mehrheit verzeichnete einen Schuldenanstieg. Vor allem in den westdeutschen Städten wird die Lage immer schwieriger. Denn 62 Prozent der Großstädte in den alten Bundesländern mussten zusätzliche Kredite aufnehmen. Ihre Gesamtverschuldung stieg um 1,7 Prozent. Deutlich besser ist die Entwicklung in den ostdeutschen Bundesländern. Sieben der neun Großstädte dort konnten ihre Gesamtverschuldung insgesamt um 5,1 Prozent reduzieren.
Die höchste Pro-Kopf-Verschuldung war Ende vergangenen Jahres Oberhausen mit 9680 Euro vor Mülheim an der Ruhr mit 9163 Euro und Saarbrücken mit 8825 Euro. Als problematisch erweist sich vor allem die Entwicklung in Nordrhein-Westfalen. Von den 20 deutschen Großstädten mit der höchsten Pro-Kopf-Verschuldung liegen 15 in Nordrhein-Westfalen. Unter den 20 Städten mit der niedrigsten Verschuldung je Einwohner finden sich hingegen nur drei nordrhein-westfälische Städte: Düsseldorf, Paderborn und Hamm. Die Großstädte mit der niedrigsten Pro-Kopf-Verschuldung waren zum Ende vergangenen Jahres Braunschweig (453 Euro), Wolfsburg (910 Euro) und Jena (981 Euro).
„Die Verschuldung der deutschen Städte hat im vergangenen Jahr ein neues Rekordhoch erreicht“, so Prof. Dr. Bernhard Lorentz, Leiter des EY-Bereichs Government und Public Sector für Deutschland, die Schweiz und Österreich. Das sei umso alarmierender, als die Rahmenbedingungen derzeit eigentlich überaus günstig seien. Wachsende Steuereinnahmen durch steigende Löhne, zunehmende Beschäftigung und eine gute Entwicklung der Unternehmensgewinne trage dazu bei. „Dass trotzdem die Mehrheit der Großstädte zusätzliche Schulden aufnehmen musste, zeigt, dass wir es hier mit einem strukturellen und nicht mit einem konjunkturell bedingten Problemen zu tun haben“, erklärt Lorentz.
Viele Kämmerer und Bürgermeister müssten massiv sparen und bauten deshalb Leistungen ab, erhöhten Steuern und Abgaben, so Lorentz. Das führe zu einer weiter sinkenden Lebensqualität in der betroffenen Stadt. Zudem gingen die Lebensverhältnisse zwischen reichen und armen Städten immer weiter auseinander. Dies berge erheblichen gesellschaftlichen Sprengstoff.
Die positive Konjunkturentwicklung geht an den besonders stark verschuldeten Großstädten offenbar weitgehend vorbei. Die Gründe für die teilweise desaströse Finanzlage vieler deutscher Großstädte seien vielfältig, so Lorentz. Dazu zählen an erster Stelle die gestiegenen Sozialausgaben. Allein im Jahr 2016 sind sie um zehn Prozent auf 59 Milliarden Euro gestiegen.
Info: In der Studie wurden neben den Schulden der kommunalen Kernhaushalte auch die Schulden der Extrahaushalte und sonstigen öffentlichen Fonds, Einrichtungen und Unternehmen, an denen die Kommunen zu 100 Prozent beteiligt sind, berücksichtigt. Da die Stadtstaaten zusätzlich Landesaufgaben übernehmen, ist ihre Verschuldungssituation nicht mit der von anderen Städten vergleichbar; sie wurden daher nicht in die Analyse einbezogen. Hier steht die Studie zum Download bereit.