Den Wasserbedarf der Kommune prognostizieren

Der Wasserbedarf der Zukunft hängt von Prozessen des demografischen und klimatischen Wandels und weiteren Variablen ab. Je genauer alle Einflussfaktoren abgebildet werden können, desto genauer kann die Bedarfsprognose sein. Für den Versorger Hamburg Wasser wurde eine detaillierte Analyse durchgeführt.

Es gehört zu den Aufgaben von Kommunen, eine sichere Wasserversorgung zu garantieren. Eine realistische Planung gestaltet sich aber immer schwieriger, denn die Einflüsse auf den Wasserbedarf sind vielfältig. Demografische und klimatische Entwicklungen beeinflussen den Bedarf ebenso wie sich verändernde Wirtschaftsstrukturen, neue Wassertechnologien oder Gewohnheiten verschiedener Verbrauchsgruppen.

Damit Kommunen trotz der vielfältigen Veränderungsprozesse langfristig planen können, sind sie auf Wasserbedarfsanalysen für ihr Gemeindegebiet angewiesen. Das Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE) hat für den Wasserversorger Hamburg Wasser ein Prognosemodell entwickelt, das die komplexen Einflüsse in einem Versorgungsgebiet erstmals verlässlich und kleinräumig abbilden kann.

Die Entwicklung einer Wasserbedarfsprognose gliedert sich in eine Abfolge von Schritten aus Analyse, Entwicklung und Integration:

  • Datenrecherche und Analyse der aktuellen Verbrauchssituation

  • Identifikation und Analyse der wichtigsten Einflussgrößen

  • Szenarienentwicklung

  • Verbrauchsabschätzung mit einem integrierenden Modell

  • Ergebnisdarstellung und -bewertung

Analyse als Ausgangspunkt

Eine Analyse des aktuellen Wasserbedarfs legt die Nutzungsstrukturen des Bedarfs in der Kommune offen. Zunächst werden für ein Basisjahr die Verbrauchsmengen nach Sektoren wie private Haushalte, Gewerbe/Industrie und öffentliche Einrichtungen differenziert. Je nach Datenverfügbarkeit und gewünschter Detailinformation erfolgt danach die räumliche Zuordnung und Analyse von Zusammenhängen mit sozial-strukturellen, ökonomischen und städtebaulichen Informationen bis zur Quartiersebene und darunter in einem Geografischen Informationssystem (GIS).

Grundlagen hierfür bieten die Verbrauchsstatistiken des Wasserversorgers und kleinräumige amtliche Geoinformationsdaten, gegebenenfalls gekoppelt mit einer telefonischen Kundenbefragung zu Infrastruktur und Nutzungsgewohnheiten in den Haushalten beziehungsweise Unternehmen.

Mittels statistischer Regressionsanalyse und einem multivariaten Ansatz werden nun die Haupteinflussgrößen identifiziert und die Auswirkung von Änderungen dieser Größen auf den spezifischen Wasserbedarf im Basisjahr der Prognose bestimmt. Im Beispiel der Hamburger Haushalte waren die wichtigsten Einflussgrößen auf den spezifischen Bedarf: Modernisierungsgrad der Sanitäranlagen und Waschmaschinen, Haushaltsgröße (Personenzahl), spezifische Wohnfläche pro Person, bewässerungsrelevante Grundstücksfläche eines Haushalts.

Für die anderen Verbrauchergruppen in Hamburg wurde in der Analyse der spezifische Bedarf pro Beschäftigtem in den Hauptwirtschaftszweigen ermittelt.

Szenarien und Modellintegration

Die statistischen Zusammenhänge bilden die Basis für die Abschätzung des zukünftigen jährlichen Bedarfs unter den Bedingungen von gesellschaftlichen Veränderungen sowie des Klimawandels. In Szenarien werden Spannbreiten für die Entwicklung der Einflussgrößen festgelegt. Aus offiziellen Quellen werden dazu regionalisierte Schätzungen der zukünftigen Bevölkerungs- und Erwerbstätigenzahl sowie die lokale Flächennutzungs-/Wohnungsbauplanung herangezogen. Expertenschätzungen zu den erwarteten Effizienzsteigerungen in der Wassernutzung durch technologische Entwicklungen und deren Marktdurchdringung werden ebenfalls berücksichtigt wie auch mögliche Änderungen der Nutzungsgewohnheiten.

Alle grundlegenden Daten und Parameter sowie die datentechnische Umsetzung verschiedener Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklungen werden transparent in einem excel-basierten Modell zusammengeführt, das sowohl Teile der Analyse als auch die Szenarienrechnung und grafische Ergebnisdarstellung übernimmt.

Das Modell integriert die Ergebnisse für die einzelnen Verbrauchergruppen und stellt die zukünftigen Entwicklungen räumlich differenziert dar, in Hamburg zum Beispiel auf der Ebene von Stadtteilen und Versorgungszonen. Eine Übertragbarkeit und Anpassung des Modells je nach lokaler Situation und Datenverfügbarkeit ist durch den modularen Aufbau und eine passende Methodenauswahl möglich.

Einsatzmöglichkeiten

Der beschriebene Ansatz einer Wasserbedarfsprognose kann Kommunen und Wasserversorger darin unterstützen, die zentralen Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Dabei muss eine Wasserbedarfsprognose gerade bei kleinen Kommunen nicht immer in die ausgeführten Detailzusammenhänge und teilräumliche Differenzierung gehen. Auch die fundierte Gesamtanalyse der Bedarfs- und Ressourcensituation verbunden mit den wesentlichen Einflussfaktoren und einer Prognose in die Zukunft liefert eine wichtige Grundlage für ein kommunales Wasserversorgungskonzept.

Ein solches Konzept erlaubt eine verbesserte strategische Planung der zukünftigen Entwicklung der Wasserversorgung und hilft bei der Identifizierung damit verbundener Entscheidungen der Kommune, insbesondere auch im Hinblick auf den Umgang mit den Prozessen des demografischen und klimatischen Wandels.

Stefan Liehr / Oliver Schulz

Die Autoren
Dr. Stefan Liehr leitet den Forschungsschwerpunkt Wasserressourcen und Landnutzung am Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE) in Frankfurt am Main, Dr. Oliver Schulz ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut.

Info: Das Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE) in Frankfurt am Main zählt sich zu den führenden unabhängigen Instituten der Nachhaltigkeitsforschung. Seit mehr als 25 Jahren entwickelt das Institut wissenschaftliche Grundlagen und zukunftsfähige Konzepte für Politik, Zivilgesellschaft und Wirtschaft. Zu den Forschungsthemen gehören Wasser, Energie, Klimaschutz, Mobilität, Urbane Räume und Biodiversität.