Den Legionellen auf der Spur

In öffentlichen und gewerblich genutzten Gebäuden haftet der Betreiber einer Trinkwasserinstallation für die Wasserqualität. Wird im Falle eines positiven Legionellen-Befunds der technische Maßnahmenwert überschritten, steht er in der Handlungspflicht. Jüngste Forschungsergebnisse zeigen, dass die Aussagefähigkeit einer Gefährdungsanalyse für eine belastbare Zustands- und Risikobeurteilung begrenzt ist.

 

In öffentlichen und gewerblich genutzten Gebäuden haftet der Betreiber einer Trinkwasserinstallation für die Genusstauglichkeit und Reinheit des abgegebenen Wassers. Wird im Falle eines positiven Legionellen-Befunds der technische Maßnahmenwert überschritten, steht er in der Handlungspflicht. Diese sieht neben einer Ursachen- auch den Nachweis einer Gefährdungsanalyse vor. Jüngste Forschungsergebnisse zeigen jedoch, dass deren Aussagefähigkeit für eine belastbare Zustands- und Risikobeurteilung begrenzt ist.

Mikrobielle Kontaminationen von Installationssystemen – beispielsweise durch potenziell krankheitserregende Keime wie dem Legionellen-Bakterium – lassen sich in der Praxis fast immer auf Planungs- und Ausführungsmängel oder auf eine unzureichende Betriebsweise zurückführen. Untersuchungen belegen hingegen eine deutlich seltenere Belastung von Trinkwasserinstallationen, die nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik (a.a.R.d.T) geplant und umgesetzt wurden.

Liegt im Trinkwasser eine Konzentration von mehr als 100 koloniebildende Einheiten je 100 Milliliter (100 KBE/100 ml) vor, ist im Rahmen einer Ortsbegehung zu klären, ob die allgemein anerkannten Regeln der Technik für das betreffende Objekt eingehalten wurden. Diese Maßnahme bildet den Kern der per Trinkwasserverordnung geforderten Ursachenanalyse.

Des Weiteren sieht diese auch die Durchführung einer Gefährdungsanalyse vor, auf deren Grundlage bauliche Anpassungen und/oder Änderungen in der Betriebsweise der Installation vorgenommen werden sollen (TrinkwV 2001, §16,7, Satz 1–3). Nach Empfehlung des Umweltbundesamtes ist es Ziel der Gefährdungsanalyse, dem Betreiber „eine konkrete Feststellung der planerischen, bau- oder betriebstechnischen Mängel (zu) liefern. Darüber hinaus soll sie darin unterstützen, notwendige Abhilfemaßnahmen zu identifizieren und ihre zeitliche Priorisierung unter Berücksichtigung der Gefährdung der Gesundheit von Personen festzulegen“ (UBA, 2012).

In ihrer Formulierung umfasst die Gefährdungsanalyse ein definiertes Untersuchungs- und Handlungsvorgehen, das inhaltlich primär der Ursachenerhebung zuzuordnen ist. Damit kann sie nicht im Sinne einer Gefahreneinschätzung interpretiert werden, die Aufschluss darüber gibt, welches Risiko von der Nutzung einer konkreten Trinkwasserinstallation ausgeht.

Restriktive methodische und biologische Faktoren

Den Anforderungen einer belastbaren Zustands- und Risikobewertung kann die Gefährdungsanalyse nicht oder nur sehr bedingt gerecht werden. Aktuelle Erkenntnisse aus Kontaminationsforschung und Beprobungspraxis belegen, warum:

  • Ungeeignete Auswahl der Probenahmestelle: Um eine geeignete Stelle für eine repräsentative Probenahme bestimmen zu können, bedarf es einer weitreichenden Expertise zu Hydraulik und Werkstoffeinsatz sowie detaillierter Kenntnisse über bauliche Gegebenheiten im Leitungsnetz. Probenehmer akkreditier Prüflabore verfügen häufig nicht über die nötige Fach- und Objektkenntnis und gelangen durch Wahl eines ungeeigneten Beprobungsorts zu wenig aussagekräftigen Ergebnissen. Für eine sachgerechte Probenahme ist das Fachwissen von Planungsingenieuren und Installationsmeistern erforderlich.

  • Keine repräsentative Probenahme: Der tatsächliche Kontaminationsgrad einer Trinkwasserinstallation ist auch bei regelkonformer Beprobung nicht verlässlich zu bestimmen. Da bei der Probenahme vorwiegend die im Wasser gelösten Bakterien, kaum aber die in einem Biofilm an den Rohrinnenwänden siedelnden Spezies erfasst werden, bleiben bis zu 70 Prozent der Legionellen-Kontaminationen unentdeckt.

  • Nicht aussagekräftige Laboruntersuchungen: In Laboruntersuchungen können spezifische Kultivierungsverfahren zu falsch-negativen Befunden führen, die nach Schätzungen von Experten ebenfalls bei rund 70 Prozent der belasteten Proben liegen. Der Grund hierfür liegt in der speziellen Eigenschaft von Legionellen, sich unter Stressbedingungen in ein sogenanntes VBNC-Stadium zu versetzten. In diesem Zustand sind die Bakterien zwar überlebensfähig, jedoch nicht kultivierbar und können somit über entsprechende Verfahren nicht nachgewiesen werden.

  • Keine Aussagefähigkeit zur Virulenz von Legionellen: Eine Korrelation zwischen KBE-Wert und dem Risiko einer Erkrankung ist nach aktuellem Kenntnisstand nicht nachweisbar. Prinzipiell kann eine Infektion auch dann nicht ausgeschlossen werden, wenn die ermittelte KBE-Konzentration unterhalb des technischen Maßnahmenwerts liegt. Umgekehrt ist bei Überschreitung des festgelegten KBE-Werts nicht zwingend von einer akuten Gesundheitsgefährdung auszugehen. Vor diesem Hintergrund ist der technische Maßnahmenwert nicht als Grenzwert zu interpretieren. Er stellt vielmehr einen Orientierungswert für den Betreiber (sowie im Rechtsfall für den Juristen) dar, dessen Überschreiten einen unmittelbaren Handlungsbedarf anzeigt.

  • Fehlende Berücksichtigung der Kaltwasserseite: Stagnierendes Wasser in einem Temperaturband zwischen 15 und 18 Grad Celsius liefert Spezies wie dem Legionellen-Bakterium ausreichende Bedingungen zur Vermehrung. Diese günstigen Verhältnisse finden sich vorwiegend auf der Kaltwasserseite, die jedoch im Rahmen mikrobiologischer Untersuchungen nach TrinkwV zumeist unberücksichtigt bleibt.

Präventives Hygienekonzept

Die skizzierten methodischen und biologischen Faktoren zeigen, dass selbst unter Einhaltung aller Vorgaben für eine regelkonforme Installationsinspektion eine verlässliche Zustandsaussage über die betreffende Trinkwasserinstallation kaum getroffen werden kann. Darüber hinaus lässt sich auf Grundlage der durch die TrinkwV geforderten Ursachen- sowie Gefährdungsanalyse keine Risikobewertung für die Nutzung der Installation vornehmen.

Für den sicheren Betrieb von öffentlichen oder gewerblich genutzten Einrichtung wie Rathaus, Schwimmbad oder Sporthalle bildet deshalb ein präventiv angelegtes Hygienekonzept ein geeignetes Instrument, um Kontaminationsrisiken so gering wie möglich zu halten. Unabhängig von der Höhe des KBE-Werts sollten Betreiber darüber hinaus befähigt sein, die relevanten Faktoren für die Entstehung einer Kontamination zu erkennen, und diese im Bedarfsfall umgehend zu beseitigen.

Reinhard Bartz

Der Autor
Reinhard Bartz Ist Leiter Technikum und Schulung bei Franke Aquarotter in Ludwigsfelde