Die energetische Gebäudesanierung hat eine besondere Bedeutung für den Klimaschutz. Mittels Energie-Contracting können Kommunen anspruchsvolle Sanierungsprojekte durchführen, ohne dafür eigene finanzielle und personelle Ressourcen langfristig einsetzen zu müssen. In Baden-Württemberg steht den Kommunen die Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg (KEA-BW) beratend zur Seite.
Mit der Agenda 2030 hat die internationale Staatengemeinschaft Ziele für eine weltweite nachhaltige Entwicklung beschlossen. Dazu gehört auch der gegenüber 1990 um mindestens 55 Prozent gesenkte Ausstoß von Treibhausgasen. Die Einsparziele für 2020 werden auf Bundes- und Landesebene verfehlt, der Handlungsdruck wächst also enorm. Die energetische Gebäudesanierung ist ein wesentlicher Schlüsselfaktor für das Erreichen der Klimaziele, denn hier lassen sich maßgeblich Emissionen einsparen. Neben den Kosten des laufenden Betriebs die nötigen Investitionen zu stemmen, stellt für viele Kommunen und Landkreise jedoch erst einmal eine Hürde dar. Auch lassen die Personalkapazitäten die zusätzliche Planung und Kontrolle oft nicht zu. Anspruchsvolle Sanierungsprojekte durchzuführen, ohne dafür eigene finanzielle und personelle Ressourcen langfristig einsetzen zu müssen, gelingt mittels Energie-Contracting.
Beim Contracting finanzieren Dritte die Sanierungsmaßnahmen und kümmern sich um die Energieeffizienz. Dies sind Energieversorgungsunternehmen, spezialisierte Unternehmen oder Energiegenossenschaften. Die Einspar- und Kostenrisiken übernimmt der Contractor für die gesamte Vertragslaufzeit. Diese liegt meist zwischen zehn und 20 Jahren. Der Contractor refinanziert nur dann seine Kosten, wenn er die Anlagen effizient betreibt. Der Auftraggeber profitiert von Neuanlagen und Energieeffizienz und hat die Sicherheit, einen Experten an der Seite zu haben, der Ausfälle oder energiefressende Regelungseinstellungen sofort bemerkt und korrigiert.
Beim Contracting wird generell zwischen zwei Modellen unterschieden:
Energiespar-Contracting
Beim Energiespar-Contracting identifiziert der Contractor konkrete Einsparpotenziale und plant daraus die energetische Sanierung. Idealerweise werden dabei hoch wirtschaftliche Maßnahmen wie der Austausch alter Heizungs- und Lüftungsanlagen durch neue, effiziente Systeme gemeinsam mit weniger wirtschaftlichen Maßnahmen wie dem Einbau neuer Heizungsverteiler oder der Teilsanierung der Gebäudefassade kombiniert.
Der Contractor finanziert diese Maßnahmen, setzt sie um und kontrolliert schließlich deren Betrieb. Gleichzeitig garantiert er Energieeinsparungen über die gesamte Vertragslaufzeit, an denen sich die vereinbarte Vergütung misst. Dies bietet für die Eigentümer der Liegenschaften eine hohe Sicherheit, da der Contractor das Gesamtrisiko für die Umsetzung des Projektes sowie für die Endenergieeinsparung übernimmt. Mit abgeschlossener Installation der Anlagen gehen diese in der Regel in das Eigentum des Auftraggebers über.
Energieliefer-Contracting
Der Contractor übernimmt die Planung, Finanzierung, Installation, Energiebeschaffung sowie auch die Betriebsführung der Energieerzeugungsanlage. Das Ziel dieser bisher häufigsten Form des Contractings ist die effiziente Bereitstellung von Energie. Das Produkt ist also Nutzenergie wie Wärme, Strom, Kälte oder Dampf.
Der Contractor wird über einen vertraglich vereinbarten Energiepreis zuzüglich Grund- und Verrechnungspreis vergütet. Das Eigentum der Anlagen verbleibt meist beim Contractor und wird im Vertrag abgesichert. Quartiers- und Nahwärmeprojekte können ebenfalls über dieses Modell realisiert werden.
Das Kompetenzzentrum Contracting der Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg (KEA-BW) ist die zentrale und neutrale Beratungsstelle für Contracting-Projekte in Baden-Württemberg. Sie unterstützt interessierte Kommunen bei der Initiierung von Projekten über Erstberatungen, ein landesweites Netzwerk an Projektentwicklern sowie verschiedene Leitfäden und Qualifizierungsangebote. Dabei greift das Team auf die Erfahrungen aus der Begleitung von Contracting-Projekten aus rund zwei Jahrzehnten zurück. Zwei Beispiele:
Wärmeverbund in der Ortenau
Klimafreundlich heizen und Strom erzeugen – für diesen zukunftsweisenden Weg hat sich etwa die Gemeinde Seelbach entschieden. Anfang des Jahres 2019 haben sich kommunale, kirchliche und private Liegenschaften zu einem effizienten Energieverbund zusammengeschlossen. Dabei wurden Lüftungsanlagen modernisiert und Deckenstrahlplatten eingebaut. Im Rahmen eines innovativen Energieliefer-Contractings übernahm der Contractor die Investition in Höhe von 1,1 Millionen Euro. Er versorgt die Gebäude über die Laufzeit von 20 Jahren und garantiert einen attraktiven Wärmepreis.
Energiesparen in Mannheim mit Gebäudehülle
Das Studierendenwerk Mannheim ging bereits 2017 ein Energiesparprojekt ein. Eine studentische Wohnanlage erhielt eine Gebäudeleittechnik, LED-Beleuchtung, wassersparende Armaturen und Frischwasserladesysteme. Erstmals in Deutschland wurde eines der acht Gebäude durch Dämmung von Außenwand und Kellerdecke, die Erneuerung der Fenster sowie durch den Einbau einer Lüftungsanlage auf den energetischen Standard KfW-70 gebracht. Die Gesamtkosten von rund 2,8 Millionen Euro sollen sich über die Einsparungen innerhalb von 16 Jahren refinanzieren.
Weitreichende Sanierungsmaßnahmen zum Wohl der Bürger sowie der Umwelt umzusetzen, ohne dabei in finanzielle Schieflage zu geraten, ist ein attraktives Modell, über das Kommunen ihrer Vorbildfunktion gerecht werden können. Die Erfahrungen der vergangenen 20 Jahre bestätigen, dass Contracting für Kommunen und Landkreise eine clevere Lösung gegen den Modernisierungsstau ist.
Konstanze Stein / Rüdiger Lohse
Die Autoren
Konstanze Stein ist stellvertretende Bereichsleiterin des Kompetenzzentrums Contracting der KEA Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg mit Sitz in Karlsruhe, Rüdiger Lohse (ruediger.lohse@kea-bw.de) ist Bereichsleiter Contracting