Bürger in der Rolle des Geldgebers

Die alternative Finanzierungsform Crowdinvesting kann für viele Kommunen eine Möglichkeit bieten, vor allem Projekte im Energie- und Infrastrukturbereich voranzubringen. Wichtig sind hierbei eine klare Reflektion der Ziele, eine konsequent regionale Ausgestaltung und die Auswahl des geeigneten Vorhabens.

Der Begriff Crowdfunding wird im Sprachgebrauch oft als Überbegriff für unterschiedliche Formen der Bürgerfinanzierung verwendet. Zu unterscheiden ist das Crowdfunding auf Basis von Spenden vom sogenannten Crowdinvesting. Bei der erstgenannten Form handelt es sich typischerweise um unentgeltliche Unterstützungen für soziale oder gesellschaftliche Projekte, denen keine monetären Gegenleistungen in Form von Zinsen oder Ausschüttungen gegenüberstehen. Bei dieser Form werden typischerweise kleine bis mittlere vielstellige Summen gesammelt.

Das Crowdinvesting richtet sich demgegenüber an Bürger als Investoren, die als Anleger Projekte (mit-)finanzieren. Hier bestehen für den Bürger (Anleger) klare Vereinbarungen zur Zinszahlung und zur Rückzahlung. Beim Crowdinvesting sind Einzelprojekte bis zu 2,5 Millionen Euro Eigenkapital realisierbar. Nachfolgend wird, aufgrund der Finanzierungsrelevanz für Kommunen, nur das Thema Crowdinvesting betrachtet.

Mitte 2015 wurden über das Kleinanlegerschutzgesetz (KASG) und die damit verbundenen Anpassungen im Vermögensanlagengesetz (VermAnlG) gesetzliche Rahmenbedingungen für Crowdinvesting geschaffen. Die Regelungen zur Schwarmfinanzierung sehen vor, auch ohne die Erstellung eines Verkaufsprospektes („BaFin“-Prospekt) Investitionskapital über ein öffentliches Angebot zu sammeln. Um die Befreiung von der Prospektpflicht nutzen zu können, sind grundsätzliche Rahmenbedingungen einzuhalten.

Die Beteiligung der Bürger darf nur in Form von Nachrangdarlehen oder partiarischen Darlehen erfolgen (gesellschaftsrechtliche Beteiligungsformen sind nicht zulässig), die Investition darf nur über eine Internet-Dienstleistungsplattform auf dem Wege der Anlagevermittlung oder -beratung abgewickelt werden, und es sind bestimmte Betragsgrenzen einzuhalten. Diese liegen bei 2,5 Millionen Euro Emissionsvolumen pro Gesellschaft und bei maximal 10.000 Euro pro privatem Geldgeber. Kapitalgesellschaften können mehr als 10.000 Euro investieren. In jedem Fall ist es jedoch erforderlich, dass der Emittent eine private Rechtsform hat (z. B. GmbH, GmbH & Co. KG).

Projekte mit klar zu identifizierender Rendite

Crowdinvesting bietet die Möglichkeit, für Projekte notwendiges Eigenkapital über eine eigene Internetplattform direkt von Bürgern zu sammeln und dieses gegebenenfalls mit Fremdkapital zu ergänzen. Neben der Berücksichtigung der rechtlichen Rahmenbedingungen liegt in der Auswahl des geeigneten Projekttyps ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg. Eine Einbindung der Bürger über Schwarmfinanzierung ist nicht für Projektentwicklungskosten sinnvoll, sondern nur für Projekte mit klar zu identifizierender Rendite.

Im kommunalen Kontext eignen sich insbesondere Projekte für Netzinfrastruktur (Breitbandausbau, Energienetzrückkäufe, Neubaugebiete), Energieeffizienz (energetische Sanierung, Mieterstromprojekte) und rund um Elektromobilität (Ladeinfrastruktur, E-Carsharing). Auch Projekte der Energieerzeugung (Windenergie, Nahwärme, Fotovoltaik) sind nach wie vor ideal.

Neben der reinen Finanzierungsfunktion bietet Crowdinvesting als Bürgerbeteiligung die Möglichkeit, weitere Motivationen der Kommunen für eine finanzielle Einbindung der Bürger zu reflektieren und diese mit dem Beteiligungsangebot zu kombinieren. Als Wichtigste sind hier regionale Wertschöpfung, Akzeptanz für Infrastrukturprojekte, Verkaufsförderung und Imagebildung zu nennen.

Konsument und Produzent in einer Person

In der Praxis ergeben sich zum Beispiel im Bereich Mieterstrom oder Breitbandausbau ideale Kombinationsmöglichkeiten bei Beteiligungsangeboten in Verbindung mit Stromverträgen (Mieterstrom) oder beim Vertrieb von Breitbandanschlüssen. Bürger können hierdurch nicht nur Kunde einer Dienstleistung werden, sondern ebenfalls von deren Finanzierung profitieren. Hierdurch entstehen Prosumer-Angebote, die für alle Beteiligten von Vorteil sind. (Das Kunstwort Prosumer bezeichnet die Doppelrolle einer Person als Konsument und Produzent.)

Daneben sind konsequent regionale Beteiligungsmöglichkeiten maßgeblich für den Erfolg. Denn erst durch Investitionsvorhaben, die eine räumliche Nähe zum Bürger bieten, wird der Nutzen von Crowdinvesting optimiert. Die Nähe und Identifikation zum Investitionsprojekt sichert hohe Beteiligungsvolumina und bietet die Möglichkeit, auch niedrigere Beteiligungszinsen als im überregionalen Crowdinvest zu realisieren. So sind Zinsen um zwei Prozent im regionalen Zusammenhang durchaus möglich.

Josef Baur

Der Autor
Josef Baur ist Geschäftsführer des auf Bürgerbeteiligung und -finanzierung spezialisierten Finanzdienstleisters Eueco mit Sitz in München