Booster für die regionale Entwicklung

Deutschland will bis 2045 treibhausgasneutral sein. Dabei kommt den Kommunen eine Schlüsselrolle zu. Foto: Adobe Stock/Nuttapon

Das Kompetenzzentrum Kommunale Wärmewende der Deutschen Energie-Agentur streicht die Chance in der Krise heraus: Die Gasknappheit kann zu dringend erforderlichen Entwicklungen anregen. Ein wichtiges Beispiel: kommunale Wärmeplanung.

Ein schonender und effizienter Einsatz natürlicher Ressourcen wird eine Schlüssel-kompetenz zukünftiger Gesellschaften sein. Deutschland hat sich das rechtsverbindliche Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2045 Treibhausgasneutralität zu erreichen – diese Mammut-aufgabe kann nur gemeinschaftlich gelingen. Die Kommunen nehmen dabei eine Schlüsselrolle ein.

Aktuell basiert die Energieversorgung in Deutschland zu mehr als 70 Prozent auf Importen. Allein im Jahr 2019 hat Deutschland knapp 96 Milliarden Euro für den Import von Energie ausgegeben. Der Wärme- und Kältesektor ist dabei der größte Endenergie-verbrauchssektor. Danach folgt der Verkehrs- und dann erst der Stromsektor – wenn auch zukünftig stark steigend.

Die Ziele sind klar: „Um eine treibhausgasneutrale Wärmeversorgung zu erreichen, muss Energie eingespart werden. Zudem müssen zukunftsfähige Wärmeversorgungen aufgebaut werden“, streicht Nicole Pillen heraus, Bereichsleiterin der Deutschen Energie-Agentur GmbH (dena). „Das bedeutet die Abkehr von fossilen hin zu erneuerbaren Energien. Auch Wärme aus unvermeidbarer Abwärme etwa aus Industrieprozessen kann hier als Wärmequelle einfließen.“

Mehr Tempo bei erneuerbaren Energien und Abwärme

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass eine Beschleunigung dringend notwendig ist – sowohl bei der Sanierungsrate und -tiefe als auch bei der Nutzung erneuerbarer Energien und Abwärme im Wärmesektor: Der Anteil der erneuerbaren Energien im Wärmesektor hat sich in den letzten zehn Jahren nur um weniger als fünf Prozentpunkte erhöht.

Die aktuelle Situation zeigt zudem sehr deutlich: Wärmeversorgung ist eine wesentliche Daseinsvorsorge. Da Wärme – im Gegensatz zu Strom und Gas – nicht ohne große Verluste über weite Strecken transportiert werden kann, muss die Wärmewende lokal geplant und umgesetzt werden.

Die Hälfte aller Wohngebäude und etwa 55 Prozent des Nutzwärmebedarfs für Haushalte und Gewerbe, Handel und Dienstleistung fallen in Gemeinden mit unter 20.000 Einwohnern an. Die Wärmewende betrifft daher alle – von der kleinsten Hallig mit elf Einwohnern bis zu Metropolen mit über 3,5 Millionen Menschen.

Wärme neu denken und planen

Um das Ziel der Klimaneutralität in allen Sektoren zu erreichen, ist es entscheidend, Biomasse und synthetische Kraftstoffe als begrenzte, wertvolle Ressourcen zu verstehen, die zielgerichtet einzusetzen sind. „Wasser, Wind, Sonne und Erdwärme können zwar unbegrenzt, aber nicht überall gleichermaßen gewonnen werden. Es gilt also zu prüfen, welche erneuerbaren Energiequellen für die Wärmeversorgung vor Ort in Frage kommen. Zugleich geht es darum, wie der Energieverbrauch gesenkt werden kann“, streicht Robert Brückmann heraus.

Er ist Leiter des Kompetenzzentrums Kommunale Wärmewende (KWW) der Deutschen Energie-Agentur, der mit seinem Team in Halle/Saale Beratung für eine nachhaltige Wärmeversorgung in den Kommunen in Deutschland anbietet. „Je weniger Energie wir verbrauchen, desto weniger Strom und Wärme müssen wir organisieren.“

Das Kompetenzzentrum Kommunale Wärmewende arbeitet daran, verlässliche Informationen zur Wärmeplanung, Know-how aus der Praxis und Beratungsmaterialen für die Akteure der Kommunalen Wärmewende in Deutschland aufzubereiten und zur Verfügung zu stellen. Die Kommunale Wärmeplanung (KWP) stellt dabei das strategische Instrument dar, um diesen Transformationsprozess planvoll zu gestalten und zur lokalen Versorgungssicherheit, Importunabhängigkeit, Planungssicherheit und regionalen Wertschöpfung beizutragen.

Zentrale und dezentrale Wärmeversorgungslösungen

Damit werden Eignungsgebiete für zentrale und dezentrale Wärmeversorgungslösungen räumlich identifiziert. Denn der Bau neuer regionaler, erneuerbarer Erzeugungsanlagen für Strom und Wärme sowie Wärmespeicher für große Fernwärmenetze erfordert neben hohen Investitionen auch einen erheblichen Flächenbedarf.

In Gebieten, in denen Wärmenetze keine Rolle spielen, braucht man dezentrale Lösungen. Für den Einsatz von Wärmepumpen und anderen Wärmeerzeugungs-technologien müssen die Stromverteilnetze entsprechend ausgelegt werden.

Diese Überlegungen, Diskussionen und späteren Entscheidungen zur zukünftigen Wärmeversorgung werden entscheidend für die Integration in weitere (Infrastruktur-) Planungen in den Kommunen, aber auch deutschlandweit sein. Dafür ist der Aufbau dauerhafter regionaler Strukturen und die Unterstützung von „Kümmerern“ vor Ort sehr wichtig, die den Prozess koordinieren. Der Blick über den kommunalen Tellerrand ist dabei unerlässlich. Denn regionale Potenziale für Wärmequellen müssen interkommunal abgestimmt sein, sonst kann es zur „Überbuchung“ der Wärmequellen kommen.

Synergieeffekte durch interkommunale Kooperation

Aber nicht nur hier sind die Beziehungen benachbarter Gemeinden sinnstiftend. Auch bei der Schaffung neuer Wertschöpfungsketten profitiert man gemeinsam: Bei einer interkommunalen Kooperation gibt es insbesondere für kleinere Kommunen ein hohes Potenzial an Synergieeffekten: Gemeinsam kann Fachpersonal finanziert werden, das auch den Blick auf die gemeinschaftliche Perspektive behält. Zudem können regionale Wärme- und Abwärmequellen sowie die Kompetenzen von Versorgungsbetrieben gemeinsam genutzt werden.

Dabei bietet es sich an, den Prozess an bestehende Infrastruktur-, Verwaltungs- und Organisationsstrukturen anzuknüpfen: Gemeindeverwaltungsverbünde, gemeinsame Versorgungsgebiete, Regionalmarketing oder interkommunale Gewerbegebiete.

Die flächendeckende Kommunale Wärmeplanung kann mit anderen Infrastruktur-planungen verbunden werden, zum Beispiel: Planung von Stromerzeugungsanlagen auf Basis erneuerbarer Energien, Breitbandausbau, Modernisierung von Abwasserkanälen und Straßen.

Regionale Wertschöpfung

Eine sektorenübergreifende Gesamtplanung ist entscheidend, um die Gebiete zukunfts-fähig zu gestalten und dabei Synergien zwischen den Sektoren zu nutzen. Für die Planung und Umsetzung sind regionale Fachkräfte wichtig. Hier können neue Geschäftsmodelle und Arbeitsplätze entstehen – also regionale Wertschöpfung.

Die Energiewende gilt es, als Chance und Motor für regionale Entwicklung zu verstehen und zu nutzen. Dafür ist es wichtig, dass die Bevölkerung den nachhaltigen Mehrwert, die regionale Wertschöpfung und ebenfalls die importunabhängige Versorgung ihrer Gebäude als Benefit versteht.

Die Gesellschaft ist aktiver Bestandteil dieses Transformationsprozesses, denn die Wärme- und damit die Energiewende können wir nur gemeinschaftlich vollbringen.

Die Autoren: Dieser „gemeinderat“-Text wurde von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Kompetenzzentrums Kommunale Wärmewende (KWW) der Deutschen Energie-Agentur GmbH (dena) verfasst. Federführend sind die Teamleiterinnen Katrin Schulze und Manja Rothe-Balogh.

Quellen: