Die um rund vier Prozent höhere Wahlbeteiligung bei den Kommunalwahlen am vergangenen Sonntag in Bayern hat im Vergleich zu 2014 auch bei der Wahl der Gremien einiges in Bewegung gebracht. Zwar blieben spektakuläre Resultate aus, doch hier und da sorgte das Wählervotum für Überraschungen. In Zeiten der Corona-Krise hatten sich zudem viele Bürger für die Briefwahl entschieden. Eine Besonderheit gilt für die Stichwahlen der Oberbürgermeister, Bürgermeister und Landräte am 29. März: Sie werden „Corona bedingt“ ausschließlich per Brief durchgeführt.
Aber auch der Wahltag 15. März stand unter dem Eindruck des grassierenden Virus. In vielen Kommunen kam es außerdem im Nachgang zu Verzögerungen, weil für die Stimmenauszählung eingeteilte Mitarbeiter kurzfristig abgesagt hatten.
Prestigeerfolge für die CSU
Die Partei des Ministerpräsidenten Markus Söder dürfte mit der Zusammensetzung der neugewählten Gremien einigermaßen zufrieden sein. Im Regierungsbezirk Mittelfranken – Söder stammt aus Nürnberg – behält die CSU auch in den kommenden Jahren die Oberhand. In den vier größten Städten Mittelfrankens Nürnberg, Fürth, Erlangen und Ansbach konnten sich die Christsozialen mit einer teilweise deutlichen Mehrheit im Stadtrat behaupten. Herbe Verluste hingegen bei der Nürnberger SPD: Die Stadtratsfraktion wird sich deutlich verkleinern, ein Abschmelzen von 44,1 Prozent (2014) auf nun 25,9 Prozent lassen keinen Spielraum für Interpretationen. Die Grünen konnten sich hingegen deutlich verbessern und erreichten mit 19,7 Prozent exakt 10,7 Prozent mehr als vor sechs Jahren. Ein für Nürnberg unerwartet gutes Ergebnis.
München ist weiterhin bunt
Während es in der erforderlich gewordenen OB-Stichwahl noch für einen Sieg des Amtsinhabers Dieter Reiter und seiner Partei reichen kann, muss sich die SPD-Stadtratsfraktion in München auf eine stark dezimierte Abgeordnetenschar einstellen. Nach Auszählung der abgegebenen Stimmen kommen die Sozialdemokraten nur auf 18 Sitze, zwei weniger als der Rivale CSU. Die Krone gebührt den Grünen: Mit sensationellen 23 Sitzen macht die in München traditionell populäre Partei die Niederlage der hochgehandelten Kandidatin Katrin Habenschaden bei der OB-Wahl locker wett. Das Thema „Fahrradwege“, explodierende Mieten und ein irgendwie urbanes Lebensgefühl verhalfen der einstigen Öko-Partei offenbar zu breiter Akzeptanz. Überhaupt dürften die kommenden Münchner Jahre unterhaltsam werden: Mit 43 von insgesamt 80 gewählten Mandatsträgern ist über die Hälfte der Stadträte erstmals überhaupt in einem gewählten Gremium dabei.
Der ländliche Raum bleibt zerfasert
Weitab der Ballungszentren trennt sich einmal mehr die Spreu von Weizen – auch und gerade in Bayern. Kreistage werden in den nächsten sechs Jahren weiterhin höchst unterschiedlich zusammengesetzt sein. Wo einst neben den etablierten und aus der Bundespolitik bekannten Parteien die Freien Wähler und örtliche, kaum oder gar nicht miteinander vernetzte Wählergruppen auf Gemeinde- und Kreisebene eine Rolle spielten, zählt in Zukunft auch die Afd zum Club der Mitentscheider. Allerdings könnte die Gewichtung ungleicher kaum ausfallen: Während im oberpfälzischen Landkreis Regensburg für die Präsenz in den Kommunalparlamenten passable 6,1 Prozent eingefahren wurden, trat im angrenzenden Landkreis Amberg-Sulzbach kein Kandidat an.
Stimmenanteile Kommunalwahl 2020: Zugewinne primär bei den Freien Wählern
Die in Bayern traditionell starken Freien Wähler verzeichnen die größten Veränderungen der Stimmenanteile bei den diesjährigen Kommunalwahlen. Ein Plus von sieben Prozent reicht für den ersten Rang, dicht gefolgt von den Grünen (6,5 %) und der Afd (4,4 %). Die Verluste auf Kommunalebene fallen bei den Stimmanteilen von CSU und SPD ähnlich ins Gewicht. Sie liegen bei – 5,6 Prozent beziehungsweise – 6,5 Prozent. Weiterhin nur eine Rolle am Rand spielt die FDP: Ihr Stimmenanteil liegt 2020 mit bescheidenen 2,9 Prozent lediglich 0,2 Prozent über dem Ergebnis von 2014.
Spiel und Spaß in Oberfranken
Auch dafür ist Platz in den bayerischen Gremien: „Die Partei“ konnte mit respektablen Stimmanteilen in gleich drei oberfränkische Stadträte einziehen. Den Vogel schoss Fabian Dörner in Bamberg ab. Mit rund 28.000 Stimmen und einem Anteil von 2,3 Prozent errang der gelernte Photovoltaik-Techniker und ehemalige Grünenwähler erstmals für seine Partei einen Platz im Stadtrat. Auch in den Gemeinden Geroldsgrün (Landkreis Hof) und in der Stadt Baunach (Landkreis Bamberg) holte sich „Die Partei“ jeweils ein Mandat.
Interessantes Detail: Die sozialen Bewegungen der letzten Jahre sind nun auch in der kommunalen Parteienlandschaft angekommen – zumindest im Allgäu. Im Kemptener Stadtrat konnte „Future for Kempten“ zwei Sitze erringen. Die aus vielen Erstwählern bestehende Wählergruppe stammt aus dem Umfeld der lokalen „Fridays for Future“-Proteste. Einen ebenfalls starken regionalen Bezug besitzt die „Generation KF“ in Kaufbeuren. Mit der Forderung nach einer Belebung der Innenstadt zieht die Liste – die Kandidaten sind nicht älter als 28 Jahre – mit gleich vier Sitzen ins Rathaus ein.
Till Röcke
Der Autor
Till Röcke, Remagen, ist freier Journalist und Autor (troecke@gehirntext.de)