Besinnlich statt Party

Riesenrad auf dem Königsplatz: In München konnte das Programm „Sommer in der Stadt“ trotz Corona stattfinden. Ermöglicht wurde dies durch das Veranstaltungskonzept der Landeshauptstadt, das ein dezentrales Programm mit mehreren Kuratoren vorsah. Foto: München Tourismus / Jörg Lutz

Foto: München Tourismus / Jörg Lutz

Das Programm „Sommer in der Stadt − München 2020“ wurde vom Referat für Arbeit und Wirtschaft der Landeshauptstadt München koordiniert. Clemens Baumgärtner, Leiter des Referats, erklärt im Interview, wie das Veranstaltungskonzept der Stadt auch bei Weihnachtsmärkten angewendet werden kann.

Statt eines zentralen Festes gab es in diesem Jahr einen „Sommer in der Stadt“. Wie sieht dieses Konzept aus?

Clemens Baumgärtner: Die Corona-Pandemie hat für einige Branchen verheerende Konsequenzen. Mit dem Wegfall von Volksfesten, Märkten und Auftrittsmöglichkeiten haben Schausteller, Marktkaufleute und Kulturschaffende in diesem Jahr so gut wie keine Einnahmen erzielen können. Gleichzeitig konnten viele Münchner nicht wie gewohnt in den Urlaub fahren und mussten ihre Ferien in der eigenen Stadt planen. München hat deshalb kurzfristig das dezentrale und überwiegend kostenfreie Programm „Sommer in der Stadt“ geschaffen. Das Programm bot ebenso Plätze mit Marktgeschehen an wie Karusselle an verschiedenen Orten oder Bühnen für ein umfangreiches Kulturprogramm. Dazu gab es ein Kinderprogramm sowie Spiel und Sport in verschiedenen Parks und eine entspannte Szenerie auf der Theresienwiese. Insgesamt wurden so mehr als 250 Orte in der gesamten Stadt in einem partizipativen Konzept bespielt. Das Programm begann Ende Juli und endete in der ersten Oktoberwoche. Die Stadt München trat dabei nicht als Veranstalter auf. Vielmehr waren für die einzelnen Programmteile jeweils Kuratoren verantwortlich, die für die Planung und die Einhaltung der Hygieneauflagen sorgten. Die Stadt verstand sich dabei in der Rolle eines Ermöglichers.

Wie waren die Erfahrungen mit diesem neuen Veranstaltungskonzept?

Baumgärtner: Die Erfahrungen sind sehr erfreulich. Die Münchner, aber auch die Gäste der Stadt, haben die Angebote gut angenommen. Es kam zu keinen Zwischenfällen, Überfüllungen oder Platzsperrungen. Durch die lange Veranstaltungsdauer über drei Monate hinweg und die entzerrte räumliche Situation blieb der „Sommer in der Stadt“ eine entspannte Veranstaltung für alle. Nach unserer Beobachtung war das Programm auch Anreiz für eine Städtereise. In der Stadt waren wieder mehr Gäste zu sehen. Wir hoffen daher, dass das Programm in abgewandelter Form als Blaupause für andere Veranstaltungen in Zeiten von Corona gelten kann. Wir versuchen derzeit, unsere Erfahrungen zum Beispiel auf die Christkindlmärkte in München zu übertragen.

Wie zufrieden waren Schausteller und Besucher mit dem „Ersatz-Oktoberfest“?

Baumgärtner: Wir stellen die Kundenzufriedenheit aktuell mit einer Online-Befragung fest. Zu den Ergebnissen kann ich noch nicht viel sagen, es zeichnet sich aber ein überwiegend positives Feedback ab. Was man heute schon sagen kann, ist, dass es in den Medien nahezu ausschließlich positive und intensive Berichterstattung gab. Nicht nur in den lokalen Medien, sondern bundesweit und sogar in den deutschsprachigen touristischen Märkten. Wir wissen aus einer breiten Abfrage zur Halbzeit des Programms, dass bei allen beteiligten Kuratoren große Zufriedenheit herrschte. Manche hatten sich vielleicht zu viel erwartet, weil der „Sommer in der Stadt“ gerne als Ersatz-Oktoberfest gelabelt wurde. Das war jedoch nie unsere Intention als Stadt. Wir wollten gerne Auftritte, Umsätze und Spaß im Sommer 2020 ermöglichen. Und wir wollten ein attraktives Programm schaffen, das auch Anlass für eine Reise nach München sein sollte.

Ist dieses Konzept übertragbar auf die herannahende Weihnachtsmarktsaison? Oder wird darauf in diesem Jahr verzichtet?

Baumgärtner: Eine Übertragung eins zu eins auf den Christkindlmarkt ist sicher nicht möglich. Aber wir haben aus dem „Sommer in der Stadt“ wichtige Erkenntnisse gewinnen können. Wie schon gesagt, wird es hier um eine Entzerrung gehen und dezentrale Spielorte, um sinnvolle Hygieneauflagen, größere Abstände und auch um reduzierte Formate. Eines ist unter den aktuellen Bedingungen der Corona-Pandemie ja klar: Nichts wird in diesem Jahr so sein, wie es letztes Jahr war. Jetzt ist die Kreativität aller Beteiligten gefragt, um aus der sehr schlechten geschäftlichen Situation wenigstens noch so viel herauszuholen, dass das Jahr nicht komplett verloren ist. Viel wird dabei auch davon abhängen, wie die Gäste sich verhalten. Statt Glühweinpartys werden wir in diesem Jahr wohl eher traditionelle, besinnliche Märkte erleben.

Interview: Denise Fiedler

Clemens Baumgärtner leitet das Referat für Arbeit und Wirtschaft in München