Baustoff mit Nachhaltigkeitspotenzial

Betonmischer bereit für den Einsatz – Thomas Hoffmann sieht seine Branche auf dem Weg in eine nachhaltigere Produktion: mit der Reduzierung von CO2-Emissionen und einem höheren Einsatz von R-Beton. Foto: Adobe Stock/Iwona

Grau und unscheinbar, unverwüstlich und dabei unflexibel, so kennt man Beton – tatsächlich aber ist Wiederverwertung sehr gut möglich, betont Thomas Hoffman. Der Betonexperte erläutert die Nachhaltigkeitspotenziale dieses Baustoffs, für den er sich stark macht.

Mit dem im Dezember 2019 vorgestellten „Green Deal“ hat sich die Europäische Union gesetzlich zur Klimaneutralität bis 2050 verpflichtet. In Deutschland soll dieses Ziel bereits 2045 erreicht werden – ein Meilenstein, der auch in der deutschen Betonindustrie einen umfassenden Transformationsprozess angestoßen hat. Dabei stehen zwei Aspekte besonders im Fokus: die Reduzierung der CO2-Emissionen und die Schonung der natürlichen Rohstoffe durch einen höheren Einsatz von rezyklierten Gesteinskörnungen.

Während der Emissionsaspekt erst seit Bekanntgabe des „Green Deal“ im Zentrum des öffentlichen Interesses liegt, beschäftigt sich die Branche mit dem sogenannten „R-Beton“ – Beton mit rezyklierten Gesteinskörnungen – schon seit über 30 Jahren. Die Grundlagen für R-Beton wurden Anfang der 1990er Jahre durch intensive Forschungsaktivitäten unter Beteiligung der Verbände und Unternehmen gelegt.

Die kommerzielle Anwendung ist seit 1998 mit der Veröffentlichung der Richtlinie „Beton mit rezyklierten Gesteinskörnungen“ des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton problemlos möglich. Daraufhin wurden auch einige Leuchtturmprojekte mit R-Beton realisiert, zum Beispiel im Jahr 2000 die von Friedensreich Hundertwasser gestaltete „Waldspirale“ in Darmstadt. Allerdings hat von diesen vielbeachteten Einzelprojekten abgesehen seither keine nennenswerte Marktdurchdringung stattgefunden.

 Abbruch, Aufbereitung und Betonproduktion in unmittelbarer Nähe

Dafür gibt es verschiedene Gründe, allen voran jedoch der Umstand, dass die Auf-bereitung von Abbruchmaterial zu rezyklierten Gesteinskörnungen einen aufwendigen Klassifizierungs-, Brech- und Reinigungsprozess mitsamt anschließender Zertifizierung des wiedergewonnenen Materials erfordert. Deshalb ist R-Beton in der Regel teurer als Beton mit natürlichen Gesteinskörnungen. Mit den in den vergangenen Jahren gestiegenen Preisen für natürliche Gesteinskörnungen hat sich dieser Preisunterschied jedoch verringert.

Der derzeit noch fehlende Markt für rezyklierte Gesteinskörnungen führt außerdem dazu, dass die verfügbaren Mengen nur schwer planbar sind. Auch stehen bundesweit nur wenige Aufbereitungsanlagen zur Verfügung, was im Einzelfall weite Transportwege zur Folge hat. In dieser Konsequenz ist der Einsatz von R-Beton – zumindest derzeit – ein Beitrag zur Ressourcenschonung, nicht aber zur CO2-Reduzierung.

In einer idealen Welt könnten Abbruch, Aufbereitung und Betonproduktion hingegen in unmittelbarer räumlicher Nähe zueinander stattfinden, wodurch sich diese Nachteile kompensieren ließen. Dies würde jedoch voraussetzen, dass entsprechende Auf-bereitungsanlagen auch in urbanen Räumen genehmigt würden.

R-Beton kann mehr als Reservebank

R-Beton ist heute ein genormtes, qualitätsüberwachtes Produkt, das Normalbeton in seinen technischen Eigenschaften in nichts nachsteht. Mit zunehmender Marktdurch-dringung wird sich sowohl die Planbarkeit der Mengen verbessern als auch eine weitere Angleichung des Preises an primäre Gesteinskörnungen stattfinden. Die öffentliche Hand könnte im Rahmen ihrer Vorreiterrolle mit einer konsequenten Berücksichtigung des Produktes in ihren Ausschreibungen einen wichtigen Impuls für die weitere Markt-durchdringung leisten.

Die Grundlagen für nachhaltiges Bauen und Kreislaufwirtschaft werden schon zu Beginn des Bauvorhabens gelegt. Bereits bei der Planung und Errichtung von Bauwerken muss der gesamte Lebenszyklus des Gebäudes inklusive Betriebsphase und Möglichkeit zum sortenreinen Abbruch berücksichtigt werden – damit das dabei eingesetzte Material auch in vielen Jahrzehnten wieder für neue Bauprojekte zur Verfügung steht.

Beton beweist hier aufgrund seiner guten energetischen Eigenschaften, Dauerhaftigkeit und Recyclingfähigkeit höchste Wettbewerbsfähigkeit. Auch bei den CO2-Emissionen ist vieles in Bewegung. Zwar konnten die durchschnittlichen CO2-Emissionen je Kubikmeter Transportbeton von 1990 bis 2020 um knapp 22 Prozent verringert werden – der Weg zur CO2-Neutralität ist aber noch weit.

CO2-effizienter Zement

Mit einem Anteil von über 80 Prozent entfällt der Großteil der CO2-Emissionen des Baustoffes Beton auf das Bindemittel Zement, der „Kleber“, der die Bestandteile des Betons zusammenhält. Entsprechend aktiv forscht die Industrie nach neuen, CO2-effizienten Zementen, um diese Emissionen kurzfristig zu reduzieren.

Dies wird dazu führen, dass wir, anders als früher, nicht mehr „einen Zement für alles“ nutzen, sondern die Zemente dezidiert nach ihren Eigenschaften und den Anforderungen des jeweiligen Bauteils einsetzen: beispielweise einen unterschiedlichen Zement für Außen- oder Innenbauteile.

Bereits heute sind Betone mit CO2-effizienten Zementen verfügbar, die gegenüber einem „Durchschnittsbeton“ rund 60 Prozent weniger Emissionen verursachen.

Kommunen können nachhaltig hergestellten Beton pushen

Mittel- und langfristig ist darüber hinaus die Ausrüstung der deutschen Zementwerke mit der sogenannten „CCUS“-Technologie geplant. CCUS steht für „Carbon Capture and Utilisation/Storage“, also die Abscheidung und anschließende Speicherung oder Nutzung des Kohlenstoffdioxids, der bei der Produktion entsteht. Erste Pilotanlagen mit entsprechender Technologie sind bereits in Bau.

Damit soll eine vollständige CO2-Neutralität des Baustoffes Beton bis 2045 gewährleistet werden. Bei der Auswahl CO2-effizenter und ressourcenschonender Betone können die Kommunen sowie auch andere Bauherren auf das „Concrete Sustainability Council“ (CSC) zurückgreifen – ein Zertifizierungssystem für nachhaltig hergestellten Beton, das 2018 in Deutschland eingeführt wurde und unter anderem im System der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB) anerkannt ist.

In zwei Zusatzmodulen werden der Einsatz von rezyklierten Gesteinskörnungen und die CO2-Emissionen des Betons bewertet. Die Nutzung dieser Instrumente durch die Kommunen zum Beispiel in Ausschreibungen kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die Nachfrage nach und das Bewusstsein für nachhaltig hergestellten Beton in Deutschland deutlich zu steigern. Thomas Hoffmann

Der Autor: Thomas Hoffmann ist Geschäftsführer Wirtschaft beim Bundesverband der Deutschen Transportbetonindustrie e. V. (BTB).

 

Das Concrete Sustainability Council (CSC)

Das Concrete Sustainability Council (CSC) führt ein weltweites Zertifizierungssystem ein, das Unternehmen im Bereich Beton, Zement und Gesteinskörnung Aufschluss darüber geben soll, inwieweit ökologisch, sozial und ökonomisch verantwortlich operiert wird. Mitglieder des CSC sind Unternehmen, Verbände, Zertifizierungsstellen und Institute. Der Bundesverband der Deutschen Transportbetonindustrie e.V. (BTB) ist eines der Mitglieder. Der BTB hat zusätzlich die Rolle des „regionalen Systembetreibers“ übernommen und organisiert das Zertifizierungssystem in Deutschland.