Arbeitsmarkt bietet hervorragende Chancen

Der Arbeitsmarkt im öffentlichen Dienst ist für Hochschulabsolventen so gut wie selten. Prof. Paul Witt, Rektor der Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl, beleuchtet die Situation, benennt die Voraussetzungen für eine Karriere in der Verwaltung und spricht über die Herausforderungen für Bürgermeister.

Herr Prof. Witt, die öffentliche Verwaltung, insbesondere auch die Kommunen, suchen zumindest in manchen Berufsfeldern händeringend nach qualifizierten Arbeitskräften. Wie schätzen Sie die Situation der Fach-/Nachwuchskräfteversorgung ein?

Witt: Die Nachwuchskräfteversorgung in der öffentlichen Verwaltung ist ein großes Problem. Wie viele Nachwuchskräfte dringend benötigt werden, erkennt man beispielsweise daran, dass der Stellenanzeigenteil des „Staatsanzeigers Baden-Württemberg“ sich in den letzten Jahren mehr als verdoppelt hat. Wir erhalten auch immer wieder Anrufe und Anfragen von Oberbürgermeistern und Bürgermeistern nach qualifiziertem Verwaltungspersonal und können den Bedarf nicht decken. Die drängendsten Probleme, so höre ich immer wieder, gibt es im Bereich der technischen Verwaltung, der Architekten und Ingenieure. Aber auch im Bereich der allgemeinen Verwaltung gibt es einen großen Nachholbedarf.

Angesichts des Bedarfs an Führungsnachwuchs dürften für die Absolventen von Studiengängen an Hochschulen für die öffentliche Verwaltung ja nun goldene Zeiten angebrochen sein …

Witt: Das stimmt! An unserer Hochschule hatten beim letzten Abschlussjahrgang schon 95 Prozent der Absolventen bereits zum Zeitpunkt ihrer mündlichen Prüfung eine Stelle. Das ist an anderen Hochschulen für öffentliche Verwaltung ähnlich. Ich erfahre das auch immer wieder in den Rektorenkonferenzen der Hochschulen für den öffentlichen Dienst, der ich als Präsident vorstehe.

Stehen die Stellensuchenden bei den öffentlichen Arbeitgebern um Stellen an oder umgekehrt die öffentlichen Arbeitgeber bei Ihnen an der Hochschule, um sich den Fachkräfte- und Führungsnachwuchs gleich von der Uni abzuholen?

Witt: Wir führen schon seit mehreren Jahren zusammen mit dem „Staatsanzeiger Baden-Württemberg“ die Kehler Personaltage durch. Das ist eine zweitägige Veranstaltung mit einem Fachforum für Personalverantwortliche und einer Personalmesse mit umfangreichem Rahmenprogramm für Studierende direkt an der Hochschule. Hier finden auch Speed-Datings statt, bei denen öffentliche Arbeitgeber mit Studierenden in Kontakt kommen und ihre Stellen anbieten. Außerdem sind bei der Personalmesse über 40 Städte, Gemeinden, Landkreise und sonstige öffentliche Arbeitgeber vertreten, die an Informationsständen Studierende informieren und sozusagen vom Studium zu sich in die Behörde einladen.

Welche Chancen können sich Studierende der Hochschule Kehl ausrechnen, sofort nach Abschluss eine Stelle in der öffentlichen Verwaltung zu erhalten? Wie war das noch vor zehn, vor 20 Jahren?

Witt: Die Chancen sind im Moment hervorragend. Alle Studierende erhalten, sofern sie es wollen, nach Abschluss des Studiums eine Stelle in der öffentlichen Verwaltung. Wir erleben allerdings in jüngster Zeit häufiger, dass Studierende unmittelbar nach ihrem Studium erst ein halbes Jahr oder ein Jahr pausieren, um eine Reise, teilweise eine Weltreise, zu unternehmen und dann erst anfangen. Nicht wenige Städte und Landkreise lassen dies zu und bieten den Studierenden dennoch eine Stelle – eben ein Jahr später – an. Das war nicht immer so. Es gab Zeiten, da haben zehn bis 20 Prozent der Absolventen keine Stelle in der öffentlichen Verwaltung bekommen. Diese sind dann zu Versicherungen, Beratungsunternehmen oder in die freie Wirtschaft gegangen.

Bei welchen öffentlichen Verwaltungen und Behörden kommen die Absolventen überwiegend unter? Und welche Fachbereiche haben hier die Nase vorn?

Witt: Wir führen jeweils nach Abschluss eines Absolventenjahrgangs eine Befragung durch. Bei der diesjährigen Befragung kamen die meisten Absolventen, etwa 35 Prozent, bei Städten über 20.000 Einwohner unter, gefolgt von den Landkreisen mit 31 Prozent und den kleineren Kommunen mit 15 Prozent. Zwölf Prozent kamen im sonstigen öffentlichen Bereich, zum Beispiel bei Landesbehörden, unter und sieben Prozent haben dazu keine Angabe gemacht. Bei den Aufgabenschwerpunkten liegt das Soziale mit 25 Prozent vorne, gefolgt von Personal und Organisation mit 15 Prozent, öffentliche Sicherheit mit zwölf und Finanzen mit elf Prozent.

Mit einem Hochschulabschluss und der schnellen Anstellung im öffentlichen Dienst möglichst gleich mit Verbeamtung mag eine aussichtsreiche Laufbahn beginnen, ein Selbstläufer ist sie aber wahrscheinlich nicht. Was raten Sie jungen Verwaltungsspezialisten, um den Karriereturbo zu zünden?

Witt: Die überwiegende Zahl der Absolventen kommen gleich in ein Beamtenverhältnis. Das waren bei der diesjährigen Befragung immerhin 87 Prozent, und es beginnt in der Tat eine aussichtsreiche Laufbahn. Um den Karriereturbo allerdings zu zünden, ist Flexibilität erforderlich und die Bereitschaft, sich in mehreren Aufgabenfeldern einzuarbeiten. Selten wird man auf der ersten Stelle, die man unmittelbar nach dem Studium antritt, eine große Karriere machen. Dazu ist ein Wechsel der Anstellungskörperschaft oder ein Wechsel im jeweiligen Tätigkeitsfeld erforderlich.

Welche Bedeutung kommt für die Karriereplanung in der Verwaltung einem Masterstudium zu?

Witt: Ein Masterstudium, zum Beispiel im Public Management, ist natürlich eine günstige Ausgangsposition, um Karriere in der öffentlichen Verwaltung zu machen. Es ist einer von verschiedenen Karrierewegen. Größere Städte haben teilweise ein Führungskräfteentwicklungsprogramm, wovon ein Masterstudium in der Regel ein Baustein ist.

Die Aufgaben der Kommunen sind im Wandel, die Herausforderungen wachsen. Wie sieht das Profil des Bürgermeisters aus, der seine Stadt oder Gemeinde zukunftsfest machen kann? Was benötigt er an Sach- und Fachwissen, was an emotionaler und sozialer Kompetenz, was an echter, mitreißender Leadership?

Witt: Ein Bürgermeister muss in der Regel beides aufweisen, nämlich ein bestimmtes Sach- und Fachwissen und soziale Kompetenzen. Soziale Kompetenzen wie Offenheit, Ehrlichkeit, Authentizität und ein gutes Auftreten. Der Politikwissenschaftler Timm Kern spricht von Identifikation und Projektion: Identifikation bedeutet, der Bürgermeister muss „einer von uns“ sein. Er muss sich auf Augenhöhe mit den Bürger seiner Gemeinde unterhalten und verstehen. Projektion bedeutet: Er muss Visionär, Vorsteher, Anführer sein. Er muss eine Autorität in der Gemeinde darstellen. Beides ist für Bürgermeister wichtig.

Empfiehlt sich ein Masterstudium für angehende Bürgermeister oder für Amtsinhaber? Was bringt ihnen ein solcher Studiengang? Und welche inhaltliche Ausrichtung sollte es sein?

Witt: Wir haben in unserem Masterstudiengang Public Management, der an der Hochschule Kehl durchgeführt wird, schon einige Bürgermeister zuwege gebracht. Im Masterstudium gibt es ein Teilmodul, welches sich mit Bürgermeisterwahlen beschäftigt. Dies ist sicherlich eine nützliche Hilfestellung für angehende Bürgermeister.

Interview: Wolfram Markus

Zur Person: Prof. Paul Witt ist seit 2007 Rektor der Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl, eine von zwei Verwaltungshochschulen in Baden-Württemberg. Witt ist Professor für Kommunalpolitik und kommunales Wirtschaftsrecht. Zudem ist er Herausgeber des Buches „Karrierechance Bürgermeister“ (Boorberg-Verlag).