Organisationskultur in der Verwaltung

Verantwortliche müssen ein gutes Maß finden, sodass die Organisation gut funktioniert und sich Mitarbeiter einbringen können. Foto: Adobe Stock/Seventyfour

Wer bekommt mehr Aufmerksamkeit: der Mensch oder die Organisation? Darüber müssen sich Entscheider in der Verwaltung bewusst sein und gegebenenfalls die Schieberegler zwischen den Extremen verschieben.

Wir verbringen den größten Anteil unserer wachen Zeit in der Arbeit, trotzdem ist diese Beziehung wenig beachtet. Beziehungen werden im privaten wie im beruflichen Kontext häufig mit hohen Erwartungen aufgeladen. Dies liegt daran, dass andere soziale Strukturen wie zum Beispiel Gemeinschaft und Kirche oder gemeinsame Rituale immer weniger genutzt werden.

Wir wenden uns dadurch immer mehr an unsere direkten Beziehungen und suchen in ihnen Sinn, Sinngebung, ein Gefühl von Heimat oder Ganzheit. Diese Entwicklung beobachten wir nicht nur im privaten Kontext, sondern auch wenn es um die Beziehung zur Arbeit geht.

Führungskräfte als Bindeglied

Sinngebend und mit Blick für die Gemeinschaft zu arbeiten, ist vor allem im öffentlichen Bereich entscheidend. Der Mensch spielt hier eine besondere Rolle. „Der Mensch soll ganz in der Organisation sein können“ – Sätze wie diesen liest man daher in Managementbüchern häufig. Damit soll der Unzufriedenheit entgegengewirkt werden und den deutlicher werdenden Bedürfnissen der Menschen Raum gegeben werden.

Wir fragen uns jedoch: Ist das realistisch, und sind Organisationen wirklich dafür gemacht, dieses Bedürfnis zu erfüllen? Wie auf einer Waage entsteht durch solche Aussagen ein Ungleichgewicht, und die Balance zwischen den Bedürfnissen des Menschen und den Bedarfen der Organisation gerät ins Wanken.

Dieses Spannungsfeld überfordert häufig auch Führungskräfte, die als Bindeglied zwischen beiden Seiten agieren müssen. Die Aussage einer Führungskraft macht das deutlich: „In unserer Organisation wird der Mensch großgeschrieben. Die Mitarbeiter sollen sich hier wohlfühlen, Sinn in ihrer Arbeit erleben und sich ganz zu Hause fühlen. Das ist nachvollziehbar und wichtig, aber gleichzeitig muss der Laden auch laufen! Mit diesem Spannungsfeld umzugehen ist enorm herausfordernd für mich.“

Organisationen als Orte der Entwicklung

Wie es gelingen kann, die Regeln und Bedarfe der Organisation einzuhalten und gleichzeitig den Menschen mit all seinen Bedürfnissen ernst zu nehmen, wurde bisher noch wenig thematisiert. Wir haben die Vorstellung, dass Organisationen Orte sein können, an denen Entwicklung möglich ist – für Mensch und Organisation gleichermaßen. Es geht uns um die gute Balance.

Um in die gute Balance zu kommen, ist es für Führungskräfte wichtig zu wissen, von wo sie wegstarten. Wir unterscheiden im einen Extrem die menschenzentrierte Organisation, in der der Mensch mit seinen Wünschen viel Aufmerksamkeit bekommt und die Organisation aufgrund von fehlenden verbindlichen Vereinbarungen kaum vorhanden ist.

Im anderen Extrem, der funktionszentrierten Organisation, steht die Organisation im Vordergrund. Sie ist ganz auf den organisationalen Zweck ausgerichtet, verfügt über formale, starr einzuhaltende Prozesse sowie die Vorgabe, vorhersagbare Ergebnisse zu erzielen. Das bedeutet wenig Entfaltungsraum für den Menschen. Ziel ist es, zu einer passenden Verteilung zu kommen, die für beide Seiten passt.

Dialog als Erfolgsrezept

Wie in jeder anderen Beziehung gilt auch hier der Dialog als Erfolgsrezept. Ist der Beziehungsraum gut aufgeteilt, kann man sich auch noch der Qualität der Beziehung widmen. Hier kommt Entscheidern in der Organisation eine wichtige Rolle zu, in leitender Funktion besteht die Möglichkeit die Gestaltung der Organisation voranzubringen. Genau in diesem Spannungsfeld liegt die Möglichkeit, die Schieberegler zwischen den Extremen zu stellen und eine lebendige Beziehung zu ermöglichen.

Tipps, um von einer menschenzentrierten Organisation in eine gute Balance zu kommen:

  • Machen Sie sich bewusst, wo Sie Ausnahmen für Einzelpersonen machen und ob das wirklich nötig ist.
  • Wo wollen Sie Harmonie wahren und vermeiden eventuell notwendige Konfrontation oder Konflikte?
  • Achten Sie auf ein gemeinsames Zielbild für Organisation und Team.
  • Entwickeln Sie gemeinsam mit ihrem Team von allen mitgetragene Ziele und eine Strategie, um diese zu erreichen.

Tipps, um von einer funktionszentrierten Organisation in eine gute Balance zu kommen:

  • Evaluieren Sie Ihre Prozesse und Vorgaben: Werden sie eingehalten und sind sie nützlich? Werden sie häufig umgangen und als behindernd erlebt? Versuchen Sie ein gutes Maß zu finden, sodass die Organisation gut funktioniert, sich die Mitarbeiter aber auch einbringen und entfalten können.
  • Achten Sie auf die psychologische Sicherheit: Haben Mitarbeiter Angst sich einzubringen oder Fehler zu machen? Wird in Teammeetings häufig geschwiegen, könnte das einer von vielen möglichen Gründen sein.
  • Suchen Sie den Dialog mit Ihren Mitarbeitern und binden Sie sie in die Gestaltung von Projekten und wichtigen Themen ein. Nicole Lauchart-Schmidl und Anna Jantscher

Die Autorinnen: Nicole Lauchart-Schmidl ist Beraterin, Mag. Anna Jantscher ist Managing Partnerin bei der Beratergruppe Neuwaldegg, Wien.

Lesetipp:
„Being in Organizations – Die Beziehung zwischen Mensch und Organisation lebendig gestalten“ von Nicole Lauchart-Schmidl und Anna Jantscher.