Auf das Unmögliche vorbereitet

Die Kommunen stehen in der Pflicht, kritische Infrastrukturen wie Wasser- und Energieversorgung zu schützen. Dazu zählen regelmäßig aktualisierte Risikoanalysen und Notfallübungen ebenso wie die Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung. Es gilt der Grundsatz: Vorbereitung ist besser als Nachbereitung.

Kommunen sind beim Thema „Kritische Infrastrukturen“ in der Regel gleich mehrfach „betroffen“: in ihrer Funktion als Staat und Verwaltung, aber auch häufig mit einem Wasser- und Abwasserzweckverband oder gar einem Stadtwerk als Versorger. Das heißt, Kommunen sind verantwortlich für Kindergärten und Schulen, Feuerwehr, aber auch die Versorgung mit Wasser, Strom, Gas und Wärme sowie die Entsorgung von Abwasser. Gefühlt sehen die Bürger ihre Verwaltung in einer durchaus stärkeren Verantwortung, als sie möglicherweise rechtlich eigentlich ist. Wirtschaftsunternehmen haben eventuell noch andere Anforderungen und Erwartungen an den Wirtschaftsstandort, an welchem sie Steuern zahlen. Diese Besonderheiten gilt es zu berücksichtigen und zu betrachten: Wohn- und Arbeitsorte von Pendlern, Studierenden und Schülern, Alten- und Pflegeheime, Krankenhäuser, Labore, Produktionsstätten für Medikamente, Lebensmittel oder chemische Produkte – eine Vielzahl an Akteuren, die im Fall der Fälle Auskünfte, Hilfe oder Unterstützung erwarten.

„Ein Euro in der Prävention spart sieben Euro in der Krise“, sagt Albrecht Broemme, Präsident der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW). Neben den eigentlichen Schäden durch eine Krise vergessen viele die Folgeschäden, die meist weniger messbar sind und selten dokumentiert oder direkt einem Ereignis zugeordnet werden: Produktionsausfall, Unterbrechung von Logistikketten, fehlende geleistete Arbeit durch abwesende freiwillige Kräfte bei Hilfsorganisationen, defekte oder kaputte Infrastrukturen wie Straßen, Strom- und Wasserleitungen oder fehlende Liquidität durch nicht versendbare Rechnungen oder zu tätigende Bankgeschäfte. Insbesondere Imageschäden für Wirtschaftsbetriebe haben massive Auswirkungen und sind in den seltensten Fällen mess- oder kalkulierbar.

Im Schadensfall prüfen Versicherungen meist ab, wie gut Organisationen aufgestellt waren, um Schäden abzuwenden oder zu minimieren. Häufig sind Organisationen – gleich ob Kommunen oder Wirtschaftsbetriebe – von Ereignisarmut geprägt und reduzieren Kosten für präventive Maßnahmen oder Sicherheit. Im Ereignisfall explodieren dann schnell die Kosten und wirken sich sofort und in vollem Umfang auf das Jahresergebnis aus. Versicherungen zahlen wegen fehlender Präventionsmaßnahmen häufig nicht die vollen Schadenssummen.

Sicherheit ist heute wichtiger denn je. Daher sollten Kosten für präventive Maßnahmen in den jährlichen Ausgaben und Budgets berücksichtigt werden. Viele kleine Maßnahmen führen meist zu einem überschaubaren und messbaren Erfolg und können eine solide Basis bilden.

Es ist heute unabdingbar, sich auch auf das Unmögliche vorzubereiten. Während früher Notfallbücher für einzelne Ereignisse bis in Detail ausgearbeitet wurden, ist dies bei der gegenwärtigen hybriden Gefahrenlage mit Kaskadeneffekten nicht mehr möglich. Die Schnelllebigkeit und Themenvielfalt erfordert kürzere Intervalle bei Analysen und Bewertungen.

Kommunen sollten regelmäßig Risikoanalysen im Hinblick auf mögliche Störungen, Notfälle und Krisen durchführen und diese an Gesetzen, Verordnungen, Regelwerken und der Erwartungshaltung der Bevölkerung spiegeln. Dabei gilt es, das Rathaus genauso zu betrachten wie Schulen, Strom- und Wasserwerke, medizinische Einrichtungen, Industriebetriebe oder die örtliche Notunterkunft – gleich ob eigen- oder fremdverwaltet. Bei Abweichungen zum Stand der Technik und weiteren Vorschriften müssen Maßnahmen zur Verbesserung abgeleitet und umgesetzt werden. Diese wiederum müssen in das gesamte Notfall- und Krisenmanagementsystem der Kommune einfließen.

Alle Mitarbeiter müssen regelmäßig sensibilisiert und mit den Inhalten des Notfall- und Krisenmanagements vertraut gemacht werden, damit dieses „gelebt“ werden kann. Mit Schulungen, regelmäßigen Trainings und Übungen ist das möglich. Damit alle Mitarbeiter ausreichend qualifiziert sind, sollten zwei Mal jährlich Schulungen und Trainings stattfinden und alle ein bis Jahre eine Krisenstabsübung durchgeführt werden.

Bei brenzligen Situationen sollten sich Kommunen nicht sträuben, den Krisenstab einzuberufen. Eine kurze Lagebesprechung, das Überprüfen der Planung und die Ableitung möglicher Verbesserungen helfen, Vertrauen in die eigene Arbeit zu gewinnen.

Was nutzt die beste Technik, wenn niemand da ist, der sie bedienen kann? Das neueste Feuerwehrfahrzeug fährt ohne Personal nicht. Hier müssen Kommunen versuchen, das soziale Engagement zu fördern und die Gemeinschaft zu stärken. Freiwillige Feuerwehren leben genauso wie das Technische Hilfswerk (THW) von freiwilligen Kräften. Diese sind aber, vor allem im ländlichen Raum, tagsüber häufig in den nächst größeren Städten zum Arbeiten. Hinzu kommt der fehlende Nachwuchs, der an anderen Orten studiert und nach dem Studium wegen fehlender Erwerbstätigkeit nicht mehr in die ländlichen Regionen zurückkommt.

Fehlende Mittel in Form von Personal, Zeit und Geld können nicht nur bei freiwilligen Kräften, sondern auch in der öffentlichen Verwaltung dazu führen, dass Mitarbeitende in Randthemen wie Notfall- und Krisenmanagement oder besondere Gefahrenlagen gar nicht ausgebildet werden können.

Vollständigen Schutz gibt es nicht. Aber mit vielen kleinen Maßnahmen ist ein bestmöglicher Schutz erreichbar, der wirtschaftlich, personell und zeitlich abbildbar ist. Kommunen selbst sollten in regelmäßigen Intervallen (alle zwei bis vier Jahre) Risikoanalysen über ihre Infrastrukturen und deren Nutzer durchführen, ihre Gefahrenabwehrpläne überarbeiten und jährlich ihre Hilfsmittel prüfen sowie ihr Personal für Not und Krisenfälle qualifizieren.

Darüber hinaus ist es erforderlich, dass Kommunen ihre Bürger über Gefahren, Risiken und Maßnahmen aufklären und das gemeinsame Miteinander in den Vordergrund stellen. Eine Kommune kann Rahmenbedingungen wie Maßnahmenpläne, Räume, Materialien, Hilfsmittel bereitstellen – sie benötigt aber Helfer in außergewöhnlichen Situationen, die es auch zu schulen gilt.

Ebenso kann sie auf eigene Vorsorgemaßnahmen hinweisen und dazu Multiplikatoren nutzen. Kindergarten- und Grundschulkinder können im Wasserwerk genauso sensibilisiert und aufgeklärt werden wie Senioren über den Stromausfall beim monatlichen Kaffeetreff. Der Tag der offenen Tür bei der Feuerwehr oder das jährliche Gemeindefest bilden ebenso eine Kommunikationsplattform. Hier können auch Themen wie Amok, Terror und IT-Sicherheit vorgestellt werden.

Gebündelt mit der Berichterstattung in der örtlichen Presse schaffen Kommunen so ein Grundverständnis, Akzeptanz und vor allem ein Bewusstsein, wie in Not- und Krisenfällen reagiert wird. In Not- und Krisenfällen kann dies dazu beitragen, dass die Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung sinkt, die Auswirkungen und Folgen minimiert werden und das Image der Kommune als positiv wahrgenommen wird. Vorbereitung ist eben besser als Nachbereitung.

Heiko Hausrath

Der Autor
Heiko Hausrath ist Mitarbeiter des Kompetenzzentrums Kritische Infrastrukturen (KKI) in Berlin