Corona war ein Booster für die Digitalisierung – noch aber läuft zu viel über alte Kupfer- und Kabelnetze, konstatiert Wolfgang Heer. Der Breitbandexperte erklärt den aktuellen Ausbaustand und die Perspektiven für Kommunen.
Nichts ist schneller als eine Glasfaserleitung – das ist inzwischen Konsens. Wenn Telekommunikationsinfrastrukturen in Deutschland ausgebaut werden, ist Glasfaser angesichts der fast unbegrenzten Geschwindigkeiten unumstritten der Standard.
Doch wie kaum eine andere Industrienation hängt die Bundesrepublik in Sachen digitale Infrastruktur hinterher: Nur rund 20 Prozent des Landes sind mit „echten“ Glasfaser-anschlüssen angebunden: mit Glasfaserleitungen direkt bis ans Haus (FTTB – Fiber To The Building) oder direkt bis in die Wohnung (FTTH – Fiber To The Home).
Die meisten Haushalte beziehen ihre Festnetzverbindungen auf den letzten Metern noch über jahrzehntealte Kupfer-oder Kabelnetze. Sie liefern nicht nur deutlich geringere Geschwindigkeiten, sondern sind auch anfällig für Störungen. Im EU-Vergleich landet Deutschland damit auf dem drittletzten Platz. Dabei steht das Thema Digitalisierung ja nicht erst seit gestern auf der politischen Agenda ganz weit oben.
Eigenwirtschaftlicher Ausbau bringt Vorteile für Kommunen
Jüngst hat die Bundesregierung mit der Veröffentlichung ihrer Gigabitstrategie verdeutlicht, welch enorme Bedeutung der Ausbau zukunftsfähiger Kommunikations-infrastrukturen für Deutschland hat. Doch nicht nur auf Bundesebene wird Handlungsbedarf gesehen, auch viele Kommunen beschäftigen sich seit geraumer Zeit mit der Thematik.
In einer Umfrage des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) und des Bundesverbands Glasfaseranschluss (BUGLAS) aus dem vergangenen Jahr gaben 85 Prozent der kommunalen Telekommunikationsunternehmen an, ihre Ausbauaktivitäten im Folgejahr weiter steigern zu wollen. Es ist ein gutes Zeichen, dass der Ausbau von Telekommunikationsnetzen nicht (allein) in der Hand der „Großen“ liegt, sondern mehrheitlich seit vielen Jahren durch vor Ort befindliche Unternehmen und Spieler mit häufig kommunalem Hintergrund erfolgt.
Für Kommunen ergeben sich gleich mehrere Vorteile durch den eigenen Ausbau. Zum einen entsteht mit der Infrastruktur ein zukunftssicherer Asset. Zum anderen sind Glasfasernetze inzwischen ein wichtiger Standortfaktor – für private Haushalte wie für die Wirtschaft.
Eigene Kompetenzen prüfen
Spätestens in der von Homeoffice und Homeschooling geprägten Coronazeit hat sich die digitale Kommunikation großflächig und mit erheblich gestiegener Akzeptanz als neue Norm etabliert – und mit dem dadurch ausgelösten rasanten Nutzungsanstieg geht eine stetig steigende Nachfrage nach schnellen Datenverbindungen einher.
Damit stehen viele Kommunen vor Fragen wie: Bauen wir selbst aus oder lassen wir ausbauen? Wer soll das Netz betreiben? Kann Förderung beantragt werden?
Zuerst sollten die eigenen Kompetenzen beleuchtet werden: Klassischerweise sind Stadt- und Gemeindewerke Experten für das Verlegen von Infrastrukturen. Der Ausbau des passiven Netzes, also die Planung, Verlegung, Dokumentation und Maintenance von Leerrohr- und Glasfaserinfrastrukturen, bietet sich daher in einer sehr großen Anzahl der Fälle als Geschäftsmodell für sie an. Ein eigener Netzbetrieb kann sich bei entsprechenden Ressourcen und ab einer gewissen Anschlusszahl ebenfalls lohnen.
Restriktion durch Personalmangel und knappe Baukapazitäten
Bei neuen Ausbauprojekten ist eine zunehmende Tendenz zur Arbeitsteilung zu beobachten: Netzbetrieb sowie Bereitstellung von Diensten wie Telefonie, Internetzugang und TV werden häufig durch einen oder mehrere spezialisierte Partner durchgeführt.
Kommunen, die den Ausbau nicht selbst bewältigen können oder möchten, können ihn komplett in die Hände eines Telekommunikationsunternehmens geben. Für unterversorgte Gebiete, die auch absehbar nicht eigenwirtschaftlich erschlossen werden können, gibt es Förderprogramme zur finanziellen Unterstützung. Letztlich ist dies immer eine Einzelfallentscheidung. Für eine erste Orientierung bieten die Kompetenzzentren der Länder sowie das Gigabitbüro des Bundes umfassende Informationen.
Inzwischen ist die Verfügbarkeit von Anlagekapital kein Problem mehr. Der Markt ist massiv in Bewegung, unter anderem auch aufgrund der nationalen und internationalen Finanzinvestoren, die den Netzausbau ins Visier genommen haben. Dennoch bestehen einige Herausforderungen für den Glasfaserausbau in Deutschland. Insbesondere die chronisch knappen Baukapazitäten und der zunehmende Personalmangel stellen eine ernsthafte Restriktion dar.
Alternative Verlegemethoden, schnellere Genehmigungsverfahren
Daher sollte der Einsatz von Tiefbauressourcen so effizient wie möglich gestaltet werden, und alternative Verlegemethoden sollten dort in Betracht gezogen werden, wo sie sinnvoll eingesetzt werden können. Kommunen sollten ohnehin Tiefbauarbeiten gezielt nutzen, um direkt Leerrohrinfrastrukturen für den Glasfaserausbau mitzuverlegen.
Zwei weitere, aus Branchensicht absolut dringliche „Stellschrauben“, den Glasfaser-ausbau in der eigenen Kommune zu fördern, sind die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für den Ausbau und die Unterstützung der Vermarktungs-aktivitäten.
Als Verband für den Glasfaserausbau in Deutschland unterstützt der BUGLAS kommunale Versorgungsunternehmen, die sich im Glasfaserausbau engagieren: indem wir über aktuelle Entwicklungen informieren und den Austausch untereinander fördern.
Hand in Hand arbeiten
Gleichzeitig setzen wir uns bei der Politik auf Länder-, Bundes-und EU-Ebene für faire Rahmenbedingungen ein, damit die Investitionen in zukunftsfähige Infrastrukturen werthaltig gestaltet werden können.
Für die weitere Entwicklung des Breitband- oder Glasfaserausbaus in Deutschland ist es unerlässlich, dass alle Stakeholder und damit auch die Kommunen an einem Strang ziehen. Nur so ist zügig eine möglichst flächendeckende Versorgung mit leistungsfähigen Internetanschlüssen zu erreichen. Wolfgang Heer
Der Autor: Wolfgang Heer ist Geschäftsführer von BUGLAS (Bundesverband Glasfaseranschluss e.V.).