Verwaltung im digitalen Wandel

Bis Ende 2022 sollen die Kommunen alle ihre Verwaltungsprozesse digitalisieren. Foto: Adobe Stock/Song_about_summer

Wie weit sind die Kommunen bei der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes? Und wie profitieren Behörden, Bevölkerung und Unternehmen von digitalen Dienstleistungen? Antworten liefert Vitako-Geschäftsführer Ralf Resch.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Kommunalen IT-Dienstleister (Vitako) hat im Mai eine Studie zu digitalen Verwaltungsprozessen veröffentlicht. Was war der Anlass dafür?

Resch: Wir haben festgestellt, dass vielfach die unzureichende Digitalisierung in Deutschland auch auf die Kommunen bezogen wird. Dabei ist dort in den vergangenen Jahren enorm viel geschehen. Wir wollten die positiven Effekte zeigen, die heute den Bürgerinnen und Bürgern, den Unternehmen und dem Gemeinwesen zugutekommen. Und wir wollten zeigen, dass die Digitalisierung auf kommunaler Ebene nicht nur die regionale Wirtschaft stärkt, sondern auch zu Einsparungen führt sowie die Verwaltung und damit auch zukünftige Haushaltspläne entlasten kann.

Welche Ergebnisse der Studie sind aus Ihrer Sicht besonders wichtig?

Resch: Die Ergebnisse zeigen erstmals den konkreten Nutzen von Verwaltungs-digitalisierung in Deutschland. So entlasten bereits jetzt digitale Verwaltungsverfahren Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und die Verwaltung mit insgesamt 5,1 Milliarden Euro. Alleine 2,4 Milliarden Euro an Einspareffekten fallen auf die Verwaltungen zurück. Darüber hinaus können wir mit der Studie zeigen, dass unsere Mitglieder eine nicht zu unterschätzende Wirtschaftskraft darstellen: Insgesamt vier Milliarden Euro an Wertschöpfung und über 50.000 Arbeitsplätze werden durch die Digitalisierung der kommunalen Verwaltungen gesichert.

Inwiefern profitieren Bevölkerung, Unternehmen und die Kommunen durch digitale Verwaltungsprozesse?

Resch: Zum Beispiel sparen Bürgerinnen und Bürger Zeit und Nerven, indem sie für die Ummeldung ihres Auto nicht mehr in die Zulassungsstelle des Landkreises fahren und dort möglicherweise noch warten müssen, sondern ihr Auto über ein Online-Portal ummelden können. Unternehmen sparen, indem sie nicht mehr aufwändige Papierformulare aufsetzen müssen, sondern die oft sowieso schon digital vorliegenden Daten über Schnittstellen an Verwaltung übermitteln können. Ein gutes Beispiel hierfür ist die elektronische Rechnung. Zusätzlich zu den Einsparungen beim Aufwand verkürzen sich die Laufzeiten, und die Rechnungen können schneller zur Zahlung durch die Verwaltung angewiesen werden. Die Verwaltung selbst wird entlastet, indem Prozesse und Tätigkeiten automatisiert werden, die Entscheidungsfindung durch zusätzliche und aufbereitete Informationen beschleunigt wird und Synergieeffekte genutzt werden. Das hilft besonders im Angesicht des Fachkräftemangels, der auch auf die deutsche Verwaltung zukommt.

Trotzdem tun sich viele Kommunen noch mit der Digitalisierung schwer – zumindest scheint es oft so. Woran liegt das?

Resch: Ich würde nicht behaupten, dass sich die Kommunen mit Digitalisierung schwertun. Der Schwerpunkt lag in der Vergangenheit auf der „Binnendigitalisierung“, praktisch kein einziger Verwaltungsvorgang kann heute ohne IT durchgeführt werden. Was jetzt geleistet werden muss, ist die Verknüpfung zwischen der „Außenwelt“ und der Verwaltung. Das ist ein aufwändiger Prozess, der einiges an Ressourcen erfordert und vor allem vielfach die gelebte Praxis hinterfragt. Digitalisierung ist ein Change Prozess und keine technische Maßnahme.

Bis Ende 2022 sollen die Kommunen im Rahmen des Onlinezugangsgesetzes (OZG) alle Verwaltungsdienstleistungen auch online anbieten. Wie ist der aktuelle Stand bei der Umsetzung?

Ralf Resch: Tatsächlich ist die Zahl der Verwaltungsdienstleistungen, die auf kommunaler Ebene bereits online verfügbar sind, eher gering. Der Grund: Die über 11.000 Kommunen setzen über 80 Prozent aller Verwaltungsvorgänge bundesweit um. Allein diese Zahl zeigt, dass ein flächendeckender Rollout aller digitalen Lösungen für Verwaltungen sehr komplex ist. Leider hat erst in den vergangenen zwei Jahren eine echte Beschleunigung der Umsetzung von digitalen Verwaltungsleistungen begonnen, da vieles vorher noch von Bund und Ländern geregelt werden musste – Stichwort: Finanzierung. Es werden daher viele Verwaltungsleistungen überhaupt erst kurz vor Fristende zur Verfügung stehen, und sie müssen dann noch in der jeweiligen Kommune integriert werden. Viele Leistungen werden erst im Laufe des Jahres 2023 für die Bürger und die Unternehmen nutzbar sein.

Sind es gerade die kleineren Kommunen, denen die Umstellung schwerfällt?

Resch: Ja, denn meistens haben die Großstädte mehr Ressourcen und Personal dafür, Lösungen zu beschaffen und in die bestehende Infrastruktur zu integrieren. Gerade in dieser Integration stecken viele versteckte Aufwände. Schließlich nutzt es nichts, wenn Bürger oder Unternehmen Onlineanträge stellen können, diese jedoch in der Verwaltung als PDF ankommen und dann ausgedruckt werden, um sie zu verarbeiten. Diese Medienbrüche haben wir leider noch zu oft. Zudem warten viele Kommunen noch darauf, dass ihnen die Lösungen von Bund und Ländern zur Verfügung gestellt werden. Durch die Einsetzung des „Einer für alle (EfA)“-Prinzips soll eine Verwaltungsleistung nur einmal digitalisiert werden. Aktuell gibt es jedoch noch für die wenigsten dieser Leistungen eine nachnutzbare Software.

Welche Ansätze gibt es insbesondere für kleinere Kommunen, digitaler zu werden?

Resch: Kleinere Kommunen stehen vor der Herausforderung, dass sie viele der Aufgaben genau wie Großstädte erfüllen müssen, ihnen dafür jedoch weniger finanzielle Ressourcen zur Verfügung stehen. Alleine mit einem oder zwei Administratoren wird man die immer komplexer werdende Welt der digitalen Verwaltung nicht mehr beherrschen können. Hier macht es Sinn, sich gemeinsam mit anderen Kommunen zusammen-zuschließen und diese Herausforderungen zusammen zu bewältigen. Genau das machen die Vitako-Mitglieder: Sie sind Zusammenschlüsse von Kommunen, die sich mit gemeinsam genutzter fachlicher Expertise auf den Weg in Richtung „digitales Rathaus“ begeben.

Interview: Hannah Henrici

Zur Person: Dr. Ralf Resch ist Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft der Kommunalen IT-Dienstleister e.V. (Vitako) in Berlin.

Foto: Vitako

 

Die Ergebnisse der Vitako-Studie: