Studie zur Gestaltung der Innenstädte veröffentlicht

Die Zahl der Passanten in Innenstädten nimmt ab - ein Grund dafür ist der Trend zum Online-Handel, der durch die Coronapandemie verstärkt wurde. Foto: Sybille Wenke-Thiem

Welche Handlungsoptionen haben Kommunen, um in den Stadtzentren Leerstand zu vermeiden und Innenstädte zu beleben? Das hat eine Studie des Difu untersucht.

Sinkende Umsätze im lokalen Einzelhandel, steigende Gewerbe- und Wohnungsmieten durch höhere Energiepreise, mangelnde Aufenthaltsqualität durch Hitze – das sind nur einige der Herausforderungen für die deutschen Innenstädte.

Ein interdisziplinäres Forschungsprojekt des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu) hat untersucht, welche Handlungsoptionen Kommunen haben, um in den Stadtzentren Leerstand zu vermeiden, bezahlbares Wohnen zu ermöglichen und den Innenstadtbesuch langfristig attraktiv zu machen.

Die daraus entstandene Difu-Studie „Frischer Wind in die Innenstädte“ soll einen Debattenbeitrag zur künftigen Ausrichtung der Innenstädte liefern und eine kritische Reflexion der bisherigen und zukünftigen Innenstadtpraxis anregen. Das Forschungsteam benennt in der Publikation die dafür notwendigen „Transformationsbausteine“ und zeigt Handlungsoptionen für Kommunen auf.

Ausgewählte Kernaussagen, Empfehlungen und Maßnahmenbeispiele:

  • „Kommunen benötigen ein widerspruchsfreies gemeinsames Zielbild für ihre Innenstadt, das die langfristig gewünschte Entwicklung definiert. Ein Beispiel könnte die „Alltägliche Innenstadt“ sein,“ sagt Difu-Wissenschaftlerin Julia Diringer. Damit die Innenstadt die Stadtgesellschaft verbinde, brauche es eine Vielfalt an Angeboten und Anlässen „von Hochglanz bis ohne Glanz“, um das Verweilen für alle zur Normalität werden zu lassen.
  • Die vorhandene Nutzungsvielfalt sollte laut Difu-Forschungsteam erweitert und bisher eventuell weiter entfernte Nutzungen in die Innenstadt integriert werden. Dazu gehörten beispielsweise Bildung, nichtkommerzielle Kultur- und Freizeitangebote, Gesundheitsangebote, soziale Einrichtungen, Wohnen und Verwaltung.
  • Multifunktionalität sollte ein selbstverständlicher Bestandteil der Gebäude- und Flächennutzung werden. So können Gebäude morgens anderen Zwecken dienen als abends. Mischen ist möglich und notwendig, muss aber gesteuert werden, um Konflikte zu vermeiden.
  • Sechs zentralen Schwerpunkten – sogenannten „Transformationsbausteinen“ – werde derzeit laut Difu-Forschungsteam oft noch zu wenig Relevanz bei der Innenstadtentwicklung beigemessen. Sie könnten jedoch wirksame Impulse für die Resilienz und „frischen Wind“ in die Innenstädte tragen. Dabei handelt es sich um Klimaanpassung, Klimaschutz, Mobilitätswende, sozialer Zusammenhalt, Gemeinwohlorientierung und Kreislaufwirtschaft.
  • Die urbane Transformation bietet laut dem Forschungsteam viele Möglichkeiten, die Innenstadt im Kaleidoskop der Zukunftsthemen zu positionieren: So könnten freiwerdende Flächen neu oder anders genutzt werden. Versiegelte Straßen und Plätze, Dach- und Fassadenflächen, aber auch Gebäude für Klimaschutz, Klimaanpassung sowie Energieerzeugung könnten eine stärkere Rolle spielen. Aufenthalts- und Lebensqualität können durch eine mobilitätsgerechte Stadt – gut erreichbar, aber wenig fahrende oder parkende Autos – verbessert werden. Als Begegnungsort der Stadtgesellschaft zeige sich in der Innenstadt auch das Aufeinandertreffen unterschiedlicher sozialer Realitäten. Durch vielfältige Angebote für das Miteinander könne die Innenstadt zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beitragen und ihn fördern. Eine stärkere Ausrichtung der Innenstadt auf das Gemeinwohl sei zudem notwendig, um unsoziale Logiken des Immobilienmarktes zu durchbrechen und Zugänglichkeit, breite Nutzungsmischung und bezahlbare Flächen für Kleingewerbe, Handwerk, Kunst, Kultur und Soziales zu ermöglichen. Auch Angebote zum Reparieren und Wiederverwenden, nachhaltige Bauweisen und „Urban Mining“ sollten ins urbane Repertoire gehören.
  • Da die Handlungsspielräume der Kommunen insbesondere durch ein vielerorts geringes kommunales Flächenvermögen in der Innenstadt eingeschränkt sind, bedarf es laut Forschungsteam einer Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten (beispielsweise durch Innenstadtentwicklungsmaßnahmen, Regelungen zum Gewerbemietrecht oder den Schutz für bestimmte Nutzungen).
  • Welche Rolle eine zeitgenössische Innenstadt tatsächlich ausfüllen kann, muss stadtindividuell entschieden werden, betont das Forschungsteam. Dafür brauche es eine gemeinsame Verständigung über die „langen Linien“ der Transformation und Ausdauer.