Stadt neu denken

City der Zukunft: Es geht nicht immer um den ganz großen Wur f, jedoch um konsequentes Voraus-schauen und progressives Planen. Foto: Adobe Stock / Gorodenkoff

Post-Corona-Perspektiven

Türen auf, Frischluft rein: Das gilt nicht nur für die Reduzierung der Aerosol-Belastung in geschlossenen Räumen – das gilt auch für die integrierte Stadt- und Quartiersentwicklung.

Der Lockdown im Frühjahr dieses Jahres hat bisher nicht vorstellbare Szenarien auf den Plan gerufen. Und ein Ende ist vorerst nicht in Sicht. Der Handelsverband Deutschland rechnet mit bis zu 50 000 Insolvenzen im Einzelhandel, prognostiziert Verödung und weitere Trading-Down-Effekte in den deutschen Innenstädten. Post-Corona-Perspektiven in den Zentren und Kernen der Städte und Gemeinden bundesweit müssen vor diesem Hintergrund integriert gedacht, mutig erprobt und kooperativ umgesetzt werden.

Kommunen tun gut daran, strategische Pläne zu justieren, um Stadt als multifunktionalen Ort für Versorgung, Wissen, Kultur, Bewegung, Begegnung – für Daseinsvorsorge und das menschliche Wohl aufzustellen. Multifunktional heißt dabei vor allem, Angebote und Besuchsanlässe für alle zu bieten, am besten mit kurzen Wegen. Die Vielfalt der Gesellschaft muss sich in Zentren und Stadtkernen abbilden. Dritte Orte für soziokulturelles Miteinander, Bildungsorte für schulische wie außerschulische Angebote, Bewegungsorte für Gesundheit und Fitness gehören ebenso ins Zentrum wie Handel, Dienstleistung, Verwaltung und Tourismus.
Leerstände sind bitter. Sie belasten das Stadtbild und erzeugen in kürzester Zeit Trading-Down-Effekte.

Leerstände verringern

Entschlossenheit und Dialog kommunaler Handlungs- und Entscheidungsträger sind gefragt, um Leerstände schnellstmöglich zu aktivieren – denn sie sind Möglichkeits- und Erprobungsraum. Je länger Leerstände bestehen, umso schwieriger ist deren Beseitigung. Pop-Up-Stores und Concept-Stores zeigen wie erfolgversprechend die mutige Ausrichtung auf eine klar abgegrenzte Ziel- und Kundengruppe, die Verbindung von Event und Exklusivität sein kann.

Auch Macher, Kreative, Querdenker, Selbstverwirklicher, Kinder und Jugendliche gehören ins Zentrum – ob als Start-up oder Non-Profit-Initiative, als Zwischennutzung oder Dauermietende, als Projektraum oder Quartierszentrum. Arbeitsorte 4.0 – ortsunabhängig, flexibel, digital – als Bürogemeinschaft, Co-Working-Space oder Freiberufler-Basis holen Erwerbstätigkeit wieder in Stadtkerne und Zentren. Kommunen haben die Aufgabe, Rahmen zu setzen, Anschub zu leisten und durch Beratung zu begleiten. Kommunen müssen sich künftig viel stärker als Netzwerk- und Schnittstelle verstehen, um die richtigen Ideen an die richtigen Orte zu bringen, kleine und größere Hürden zu beseitigen, Formate für Kennenlernen und Erfahrungsaustausch anzubieten.

Kommunen als lebendiger Organismus

Kluge Köpfe und mutige Macher mit Visionen braucht es für die aktive Entwicklung starker Städte, Gemeinden und Quartiere – vor allem zur Gestaltung von Post-Corona-Perspektiven. Dafür muss manches Kirchturmdenken von Eigentümern, Händlern, von Politik und Verwaltung umschifft werden. Gute Lösungen entstehen nicht am Reißbrett sondern mit individuellem Handlungswillen und vor Ort – denn Kommunen sind ein lebendiger Organismus, Stadt-und Quartiersentwicklung ist ein integrierter, lernender und kontinuierlicher Prozess. Die bewährten Mechanismen der integrierten Stadtentwicklung – das konsequente Vorausschauen, progressive Planen und strategische Justieren – basieren bestenfalls auf starken kommunalen Bündnissen. Diese entstehen durch Dialog- und Aushandlungsprozesse von Politik, Verwaltung und Stadtgesellschaft.

Künftig brauchen diese Prozesse womöglich noch mehr Mut, Struktur und Format, aber auch mehr interkommunale Kooperation. Zu tragfähigen Post-Corona-Perspektiven gehören neben den ureigenen Kräften der Kommunen selbst auch die Kräfte regionaler Partner. Gezielt über den kommunalen Tellerrand schauen, Nachbarn verstehen und dann gemeinsam nach vorn schauen, schafft Perspektiven, und bündelt Energien. Statt Krisenstimmung sollten die individuellen Zeichen auf Stadt-Chance und Stadt-Neudenken stehen. Denn Veränderung ist immer – und in der Krise ist Veränderung am durchsetzungsfähigsten.

Caroline Uhlig, complan Kommunalberatung