Neun von zehn Schülern haben mittlerweile Zugang zu einer zentralen Lernplattform, die Entwicklung seit Beginn der Coronapandemie ist enorm. Die Digitalisierung des Lernens wird auch künftig nicht abreißen – Kommunen sollten daher weiterhin die Anschaffung und den Einsatz moderner Lernmittel fördern, findet Gastautor Oliver Ebel.
Bereits vor drei Jahren stellte eine Studie des Softwareunternehmens Citrix fest, dass es um die Digitalisierung in deutschen Schulen schlecht bestellt war. So nutzten damals demnach 22 Prozent der befragten Schüler gar keine Technologie im Unterricht, die über den Beamer hinausging. In den Niederlanden und in Großbritannien lag dieser Wert hingegen nur bei zwei Prozent. Auch bei der digitalen Infrastruktur waren andere Länder schon weiter: Mehr als die Hälfte der Schüler in Großbritannien (51 Prozent) und den Niederlanden (55 Prozent) konnte über Online-Portale auf Hausaufgaben zugreifen. In Frankreich waren es noch 43 Prozent, während in Deutschland nur 15 Prozent der befragten Schüler diese Möglichkeit hatten. Lange Zeit schien hierzulande die Notwendigkeit, Schulen zu digitalisieren, nicht gegeben, der Unterricht funktionierte schließlich auch mit Tafel und Schulheft statt Smartboard und Tablet.
Die Nachteile dieser Einstellung haben sich zu Beginn der COVID-19-Pandemie gezeigt. Der Großteil der Schulen hatte kein Fundament, auf dem sie ihren Remote-Unterricht aufbauen konnten. In einer weiteren Citrix-Studie aus dem Frühjahr 2020 meinten nur zehn Prozent der Eltern, dass die Schule ihrer Kinder gut auf den Wechsel vorbereitet war. So gab es bei zwei Dritteln (66 Prozent) zunächst oder dauerhaft Schwierigkeiten beim Zugriff auf Anwendungen, die von der Schule bereitgestellt wurden, und mehr als die Hälfte (53 Prozent) sah Verbesserungsbedarf bei den Fähigkeiten der Lehrer, den Unterricht remote zu gestalten.
Zugang zu digitalen Lernplattformen fast überall möglich
Inzwischen hat sich die Situation verbessert: So bestätigt eine Umfrage des ITK-Branchenverbands Bitkom, dass fast neun aus zehn Schülern (86 Prozent) Zugang zu einer zentralen Lernplattform haben und 56 Prozent können Dokumente gemeinsam online bearbeiten. Dennoch verläuft die Digitalisierung für mehr als zwei Drittel der Eltern (77 Prozent) noch immer zu langsam und sie fordern mehr Investitionen, zum Beispiel damit der Einsatz digitaler Technologien und Medien künftig überall Standard ist.
Für die Verantwortlichen heißt das, dass sie in ihren Digitalisierungsbemühungen nicht nachlassen sollten, auch wenn die Schüler wieder größtenteils im Präsenzunterricht lernen. Dafür müssen sie die Thematik auf verschiedenen Ebenen angehen, angefangen bei der Ausstattung von Schülern und Lehrern. Kinder und Jugendliche sollten einheitliche Geräte von der Schule zur Verfügung gestellt bekommen, damit sie diese problemlos auch während des Unterrichts nutzen können, was bei privaten Geräten nur bedingt möglich ist. Dienstlaptops oder –tablets sollten für Lehrer zur Grundausstattung gehören, schon alleine aus Datenschutzgründen. Damit müssen personenbezogene Daten nicht mehr am privaten, oft weniger geschützten Rechner verarbeitet werden.
Eine gute Ausstattung muss zum Standard gehören
Auch die digitale Infrastruktur der Schulen muss modernisiert werden. Dazu gehören nicht nur eine zentrale Lernplattform oder Lösungen für Videokonferenzen und Zusammenarbeit, sondern vor allem ein stabiles und sicheres WLAN-Netzwerk in der Schule. Dieses hatte in den letzten Monaten möglicherweise weniger Priorität, da sich Schüler und Lehrer zu Hause befanden. Um aber in Zukunft den Einsatz von Hunderten Tablets gleichzeitig zu ermöglichen, brauchen Schulen ein leistungsstarkes und störungsfreies WLAN, das sie an ihre Anforderungen anpassen können.
Unter diesen Voraussetzungen können Lehrkräfte sich künftig digitale Geräte und Anwendungen zunutze machen, um ihren Unterricht effektiver zu gestalten und innovative Lernkonzepte umzusetzen. Dies reicht von einfachen Möglichkeiten, wie das Sammeln von Schülerfragen auf einer digitalen Plattform, um sie später gemeinsam zu diskutieren, oder der Veranschaulichung mechanischer oder biologischer Prozesse bis hin zu personalisiertem Lernen oder dem sogenannten „Flipped Classroom“, bei dem Schüler Inhalte zu Hause selbstständig lernen und dieses Wissen im Unterricht anwenden und diskutieren.
Die letzten Monate haben deutlich gezeigt, welche Vorteile die Digitalisierung Wirtschaft und Gesellschaft bietet. Auch die Schulen dürfen sich nicht länger bei dieser Entwicklung raushalten, denn dadurch können sie Schülern besseren Unterricht und individuellere Lernmöglichkeiten bieten und gleichzeitig dazu beitragen, dass sie sich in einer digitalisierten Welt so zurechtfinden, wie es in Universität und Beruf von ihnen erwartet wird. Oliver Ebel
Der Autor:
Oliver Ebel ist Area Vice President Central Europe bei Citrix, einem US-amerikanischen Softwarekonzern