Safety first

Sirenen gehören dazu, doch die Bevölkerungswarnung ist im 21. Jahrhundert angekommen. Foto: Adobe Stock/Benjamin Sibuet

Wie steht es eigentlich um das Warnsystem in Deutschland? Welche neuen Entwicklungen gibt es? Und wie können Bürger bestmöglich gewarnt werden? Antworten liefert der Warnsystem-Experten Carsten Hofmann.

Hat sich die Wahrnehmung der Bevölkerungswarnung in Zeiten der Pandemie verändert?

Carsten Hofmann: Die Wahrnehmung an sich hat sich nicht verändert. Nur die Aufmerksamkeit durch die pausenlose Medienpräsenz ist viel höher. Dabei kam das Virus nicht einmal überraschend, es war „nur“ unbekannt.

Wie ist Bevölkerungswarnung im deutschen Zivil- und Katastrophenschutz verankert? Und wer ist dafür verantwortlich?

Hofmann: Die Bevölkerungswarnung ist bei Katastrophen und allgemeinen Gefahrenlagen Ländersache. Im Verteidigungsfall übernimmt das der Bund, die Aufgaben werden durch das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) wahrgenommen. Bund und Länder arbeiten in beiden Tätigkeitsfeldern eng zusammen und nutzen vielfach die gleiche Warninfrastruktur. In besonderen Fällen löst der Bund die Warnungen auch unmittelbar aus. Zudem führen auch die Länder Warnungen im Auftrag des Bundes aus. Die Zuständigkeiten der Warnung der Bevölkerung sind im § 6 Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetz (ZSKG) festgehalten.

Gehören Sirenen, so sie denn heute überhaupt noch vorhanden sind, zur Warninfrastruktur?

Hofmann: Ganz eindeutig, ja. In einigen Bundesländern werden Sirenen noch für den Brand- und Katastrophenschutz genutzt. Tatsächlich wurden Sirenen in den letzten Jahren sogar wieder konzipiert und neu aufgebaut, so zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen.

Seit einiger Zeit gibt es ein sogenanntes Modulares Warnsystem des Bundes. Wozu dient das?

Hofmann: Das Modulare Warnsystem (MoWaS) wird durch das BBK flächendeckend eingesetzt. Es dient zur Warnung der Bevölkerung für Zivilschutzzwecke. Vorläufer war das satellitengestützte Warnsystem (SatWas). Dieses konnte bundesweit einzelne Meldungen zeitgleich an alle angeschlossenen Rundfunkanstalten und Medienhäuser übertragen. Mit MoWaS können heute über unterschiedliche Übertragungswege und Multiplikatoren verschiedene Warnmittel und damit die Bevölkerung direkt erreicht werden. Ausgelöst werden die Warnungen durch sogenannte S/E-Stationen des Bundes, der Länder und – gegebenenfalls – in den unteren Katastrophenschutzbehörden, der Landkreise und Kommunen. Diese werden dann über den zentralen Warnserver an die Warnmultiplikatoren übertragen.

Welche Rolle spielt das Unternehmen E-Message bei MoWaS?

Hofmann: An MoWaS sind vielfältige Warnmittel angeschlossen, zum Beispiel TV- und Radiogeräte oder Pager aber auch Smartphone-basierte Services, wie die Warn-Apps „NINA“, „KatWarn“ und „BIWAPP“. Sie werden von Multiplikatoren, wie zum Beispiel den großen Medienbetreibern, mit Meldungen versorgt. E-Message ist ebenfalls ein solcher Multiplikator: Wir versorgen unsere Kunden über einen speziellen Warnkanal mit den Meldungen aus MoWaS. Dafür nutzen wir unser Sicherheitsfunknetz und übertragen die Warnungen auf die genutzten Pager. Sicherheitsfunknetz und Pager werden hoch verfügbar und mit hoher Zuverlässigkeit in ganz Deutschland von unterschiedlichen Anwendern, wie Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben, eingesetzt. Die MoWaS-Warnungen sind insbesondere für Einsatzkräfte der freiwilligen, Berufs- und Werkfeuerwehren sowie Bereitschaftsdienste der Ver- und Entsorger von Interesse.

Wie sieht die MoWaS-Infrastruktur aus?

Hofmann: Das Kernnetz ist hochverfügbar redundant aufgebaut. Alle Stationen und Warnserver sind sowohl über eine Satellitenverbindung wie auch über eine terrestrische gesicherte Datenleitung verbunden. Damit ist auch bei Unwetterereignissen eine wechselseitige Verbindung gewährleistet. Die Übermittlung erfolgt end-to-end-verschlüsselt. Die Zugänge zu MoWaS sind mehrfach gesichert und erfordern eine Zweifaktoren-Autorisierung. Die Anbindung der wichtigen Warnmultiplikatoren erfolgt über eine Satellitenverbindung. Die Rechenzentren stehen in Deutschland.

In Baden-Württemberg warnt E-Message über 5000 Schulen des Landes vor Amok-Lagen − wer nutzt bereits Warnungen direkt aus dem MoWaS auf die Pager?

Hofmann: Der Weg von den unterschiedlichen Leitstellen über MoWaS bis zum einzelnen Pager ist hochverfügbar und verschlüsselt aufgebaut. Die Warnungen sind für alle Nutzer interessant, die bereits aufgrund ihrer Aufgaben im Katastrophen- und / oder Brandschutz oder als Einsatzkraft im Service und Bereitschaftsdienst der Energieversorger sowie im medizinischen Bereich, z. B. als Ersthelfer, tätig sind. Sie können aufgrund ihrer Aufgaben und Erfahrungen besonders wirksam in entsprechenden Situationen handeln. Voraussetzung ist die rechtzeitige Information über einen sicheren Kommunikationsweg. Auf kommunaler Ebene werden z. B. die Warnungen für alle Feuerwehrleute im Landkreis Rostock oder in Gelsenkirchen von E-Message übertragen.

Wenn Sie in Sachen Bevölkerungs
warnung einen Wunsch frei hätten, welcher wäre das?

Hofmann: Ich würde mir wünschen, dass MoWaS in allen Facetten zielgerichtet weiter ausgebaut wird, um mehr Menschen zu erreichen. Insbesondere fehlt es noch an einem zuverlässigen Warnmittel für Innenräume mit Weckeffekt: Der Warnchip im Rauchwarnmelder sollte deshalb weiter vorangetrieben und gefördert werden.

Interview von Wolfram Markus