Nachhaltige Mobilität beginnt mit den Erfahrungen der Kommunen. Mit dem neuen Nationalen Kompetenznetzwerk für nachhaltige urbane Mobilität wollen Bund, Länder und Kommunen ihre Zusammenarbeit stärken, um innovative Mobilitätsmaßnahmen zu fördern. So zum Beispiel in Bad Hersfeld.
Die Überschreitung der Grenzwerte von Luftschadstoffen in vielen deutschen Kommunen hat gezeigt, dass die Verwirklichung einer nachhaltigen Mobilität nur durch gemeinsame Anstrengungen aller drei staatlichen Ebenen gelingen kann. Die voranschreitende Digitalisierung bietet dafür weitreichende Möglichkeiten: Durch intelligente Verkehrssteuerung können beispielsweise Verkehrsströme verbrauchs- und auslastungsoptimiert gelenkt werden. Die Umsetzung dieser Lösungen jedoch geschieht im Spannungsfeld von begrenzten Ressourcen, Planungsaufwand und Zeitdruck. Vor diesem Hintergrund will das Mitte April 2019 gegründete Nationale Kompetenznetzwerk für nachhaltige urbane Mobilität (Nakomo) die Gestaltung innovativer Mobilitätsmaßnahmen fördern. Beteiligt sind Akteure aus Bund, Ländern und Kommunen.
Der Kern der Arbeit des Netzwerks liegt in der Bereitstellung von Expertise für innovative Mobilitätslösungen sowie in der Kontaktvermittlung und dem Wissenstransfer. Durch die gemeinsame Arbeit an Fragestellungen der nachhaltigen Mobilität und Aufbereitung des Wissens aus einzelnen Projekten sollen Mobilitätsmanager befähigt werden, aus einem Repertoire an Lösungen zu wählen und diese vor Ort mit nur wenigen Anpassungen umsetzen zu können.
In dem Auftaktworkshop „Verkehrslenkung und Verkehrsmanagement“ am 5. April 2019 in Darmstadt haben sich kommunale Vertreter, die auf Basis der Förderrichtlinie „Digitalisierung kommunaler Verkehrssysteme“ des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) geförderte Projekte umsetzen, ausgetauscht. Dabei ging es um Themen wie Verkehrserfassung (z. B. zur Umsetzung von Lkw-Durchfahrtsverboten), umweltsensitive Verkehrssteuerung und ÖPNV-Beschleunigung. Der zweite Workshop am 2. Juli in Hamburg drehte sich um die Datennutzung. Hierbei wurden beispielsweise Vorhaben zu Umweltsensornetzen und Messtechniken, stationärer Detektion, V2X-Infrastruktur, automatisierte Verkehrsmengenerfassung sowie Mobilitätsdaten-Plattformen erörtert.
Noch in diesem Jahr soll in Berlin die erste Jahreskonferenz des Netzwerks stattfinden. Gemeinsam mit Vertretern aus Wissenschaft und Praxis werden Verkehrsmanager aus den Kommunen relevante Fragestellungen erörtern und Mobilitätslösungen für die Zukunft erarbeiten.
Vom Jahr 2020 an soll der Kreis der an Nakomo beteiligten Kommunen fortlaufend erweitert werden. Workshops in sechs Themenclustern sind vorgesehen (Verkehrslenkung und Verkehrsmanagement, E-Mobility/alternative Antriebstechnologien, ÖPNV und Radverkehr, Innovative Logistik, Urban-Rural-Mobility und automatisiertes und vernetztes Fahren). Die Workshops werden in regelmäßigen Abständen bundesweit bei wechselnden Gastgerberkommunen abgehalten.
Bad Hersfeld: neue Infrastruktur für Deponierung und Lieferung
Das Beratungsunternehmen „PD – Berater der öffentlichen Hand“ begleitet im Rahmen des Projektes „Lotsenstelle – Sofortprogramm Saubere Luft 2017–2020“ die Einrichtung des Netzwerks. Neben der Begleitung der Lotsenstelle unterstützt die PD auch die Kommunen bei der Durchführung konkreter Projekte vor Ort. Ein Beispiel hierfür ist die hessische Kreisstadt Bad Hersfeld, die danach strebt, ihre Rolle als bedeutender Logistikstandort im Zentrum Deutschlands und ihr Profil als Badekurort mit einer hohen Attraktivität der City in Einklang zu bringen. Daher möchte sie durch innovative Mobilitätslösungen die zentrale Fußgängerzone vom Lieferverkehr entlasten.
Hierzu dient das Konzept „City-Logistik Bad Hersfeld“. Die Grundidee besteht darin, die Auslieferung von Paketen zu bündeln und auf der letzten Meile mittels emissionsarmer Fahrzeuge zu betreiben. Dies beinhaltet die Einrichtung eines oder mehrerer zentraler Umschlagpunkte, sogenannter City-Logistik-Hubs, entlang der Fußgängerzone.
Die neue Infrastruktur in Sachen Deponierung und Lieferung könnte darüber hinaus wirtschafts- und standortfördernd genutzt werden – nämlich, um den lokalen Einzelhandel zu stärken. Mit einem „Shopping-Logistik“-Service könnten Kunden der Geschäfte in der Fußgängerzone ihre Einkäufe an Minidepots im Innenstadtbereich liefern lassen und die Ware dort gebündelt abholen.
Im Rahmen der Konzeption „City-Logistik Bad Hersfeld“ hat die Stadt gemeinsam mit der PD im Austausch mit den vor Ort tätigen Kurier-, Express- und Paketdienstleistern die Situation der innerstädtischen Paketlogistik analysiert. Auf dieser Grundlage wurde ein detailliertes Zielbild für die City-Logistik entwickelt, inklusive des notwendigen Serviceportfolios, der Anforderungen an Transportfahrzeuge und der erforderlichen Infrastruktur. Um die Effekte auf die Schadstoff- und Lärmbelastung zu messen, wurde zudem ein Grobkonzept für die Einrichtung eines Netzwerks von Umweltsensoren mit Anbindung an die Smart-City-Plattform „Urban Cockpit“ erstellt.
Bei diesen Überlegungen nimmt die Kommune eine vermittelnde Rolle ein. Denn für den Aufbau der Infrastruktur und den Betrieb eines solchen Systems ist die Kooperation mit den Marktakteuren der Paketlogistikbranche ausschlaggebend.
Benjamin Baumgarth / Markus Wollina
Die Autoren
Benjamin Baumgarth und Markus Wollina sind Consultants beim Beratungsunternehmen „PD – Berater der öffentlichen Hand“ in Berlin