Mobile Sandsackersatzsysteme schützen bei Hochwasser

Mobiler Deichschutz als Alternative zu Sandsäcken: Er kann erhöht werden, wenn noch mehr Wasser kommt – er darf und kann aber überlaufen und bietet auch dann noch Schutz. Foto: Mobildeich GmbH

Starkregenereignissen nehmen zu, Vorwarnzeiten sind kurz – und Sandsäcke helfen nur bedingt, so Walter Wagenhuber: Sie brauchen zu viel Zeit, zu viel Logistik, zu viel Personal. Der Hochwasserexperte stellt Alternativen vor.

Bei zunehmenden Starkregenereignissen und kurzen Vorwarnzeiten an kleinen und mittleren Gewässern sind die herkömmlichen Sandsäcke keine Alternative. Allein für 100 Meter Sandsackwall braucht es eine stundenlange Vorbereitungs- und Aufbauzeit mit viel Logistik und Personaleinsatz.

Dafür sind zahlreiche Fragen zu klären: Gibt es im Ernstfall sofort genügend Helfer? Gibt es genug Logistik, um die Sandsäcke zu befüllen, zu transportieren, zu verbauen? Sind die Sandsäcke, die man eingelagert hat, noch einsatzfähig? Werden die Wartungs-, Ersatzbeschaffungs-, Personal-, Logistik- und Entsorgungskosten des Sandsackverbaus vollständig berechnet und den Anschaffungskosten eines Sandsack-Ersatzsystems gegenübergestellt?

Den verschiedenen Arten von Sandsäcken ist eine begrenzte Lagerhaltbarkeit gemeinsam, und in der Regel werden sie nur einmal verwendet. Zudem kommen die meisten Sandsäcke aus Asien und sind mit Pestiziden stark belastet. Bereits gefüllte Säcke, die etwas schneller einsatzfähig sind, verrotten im Lager schnell.

Alternativen zum Sandsack

Eine Alternative sind Sandsackersatzsysteme, die 25 Jahre ohne Ersatzbeschaffungs-kosten einsatzfähig und nur mit minimalen Aufbaukosten verbunden sind. Ihre Vorteile:

  • Sie sind um ein Vielfaches schneller errichtet als ein Sandsackwall, mit wenigen Helfenden. Es gibt Sandsack-Ersatzsysteme, mit denen vier Personen in einer Stunde 200 Meter schaffen können.
  • Sie sind günstiger als Sandsäcke – unter der Voraussetzung, dass die Personal-, Logistik-, Entsorgungs- und Wiederbeschaffungskosten für Sandsackwälle mitberechnet und der längeren Nutzungsdauer der Ersatzsysteme gegenübergestellt werden. Sehr robuste Sandsackersatzsysteme werden bis zu 25 Jahre ohne Ersatzbeschaffungen hundertfach immer wieder eingesetzt.
  • Sie sind sicherer im Einsatz als Sandsäcke.
  • Sie sind erheblich gesünder für die Einsatzkräfte, denn Sandsäcke sind schwer (rund 20kg).

Die Alternativen zum Sandsack sind vielfältig:

  • Behältersysteme: Schlauchsysteme mit Wasser oder mit Luft befüllt, Beckensysteme
  • Massesysteme
  • Klappsysteme
  • Wandsysteme: Bocksysteme, Dammsysteme, Tafelsysteme

Wer ein modernes Sandsack-Ersatzsystem will, sollte die am Markt verfügbaren mobilen Systeme nach folgenden Eigenschaften prüfen:

  • Wie lang sind die Aufbauzeiten und wie groß die notwendige Anzahl der Helfenden bis zur kompletten Einsatzbereitschaft?
  • Auf welchen Untergründen kann das System aufgebaut werden?
  • Wie robust und UV-beständig sind die Materialien?
  • Sind Reserven für Treibgutanprall oder andere Überraschungen im Einsatz vorhanden?
  • Gibt es Erfordernisse von Ersatzbeschaffungen nach einem Einsatz?
  • Sind zusätzliche Hilfsmittel wie Pumpen notwendig? Auch um den geschützten Bereich zu entwässern.

Entscheidend ist die Standsicherheit – auch bei Überströmung

Der wichtigste Aspekt bei der Systemwahl ist die Standsicherheit des Sandsack-ersatzsystems. Denn das BWK-Merkblatt 6 fordert eine Überströmbarkeit von mobilen Hochwasserschutz-Systemen. Der Grund dafür: Es ist gesellschaftlicher Konsens, dass Hochwasserschutz nicht flächendeckend für ein größtmögliches Hochwasser (HQ extrem) ausgelegt wird. Das wäre zu teuer und würde vielerorts meterhohe Deiche und Betonmauern zur Folge haben.

Bei zunehmenden Starkregenhäufigkeiten wird außerdem die statistische Eintretens-wahrscheinlichkeit von Hochwasser größer, so dass in zehn Jahren ein heutiges HQ100 eventuell ein HQ25 sein wird. Mobiler Hochwasserschutz wird in der Regel für ein HQ100 oder noch häufigeres Ereignis bemessen. Das bedeutet, dass der vorgesorgte Hochwasserschutz im Verlauf eines extremen Hochwassers zu klein ausgelegt ist und den Überflutungszeitpunkt zwar verzögern kann, aber irgendwann überlastet sein wird.

In diesem Moment muss das System ohne aufwändige Hilfsmaßnahmen unbedingt lagesicher bleiben – auch bei Überströmung! Eine sichere Überströmung bedeutet ein zunächst langsames Fluten des geschützten Bereiches.

Das richtige Schutzsystem finden

Wird ein nicht-überströmbares System dagegen über die (hoffentlich bekannte) Belastungsgrenze hinaus eingestaut, führt das zum Überschreiten der Belastungsgrenze. Diese ist abhängig von verschiedenen Randbedingungen. Die Belastungsgrenze eines nicht-überströmbaren Systems liegt zwischen
60 und 90 Prozent der Systemhöhe.

Ist die Belastungsgrenze bei einem nicht-überströmbaren System erreicht, führt das zu einem plötzlichen Versagen des Systems durch Aufschwimmen oder Umkippen/ Kollabieren. Dabei würde schlagartig ein mittlerer bis großer Bereich der Schutzlinie versagen und das aufgestaute Flutwasser in einer Flutwelle durch den geschützten Bereich schießen. Schon ab einer Stauhöhe von 60 Zentimeter ist diese Flutwelle lebensgefährlich. Sie kann größere Schäden verursachen, als wenn kein Hochwasserschutz aufgebaut worden wäre.

Wichtig ist also: Alle Sandsackersatzsysteme sind schneller im Aufbau als Sandsackwälle. Für die Sicherheit von Einsatzkräften und Bevölkerung sollte man im Detail prüfen, welches System geeignet ist. Am besten ist es, sich bei den Einsatzstellen beraten zu lassen. Walter Wagenhuber

Der Autor: Dr.-Ing. Walter Wagenhuber ist Geschäftsführer der Mobildeich GmbH.