„Medien sind gleichzeitig Werkzeug und Thema“

Der Geschäftsführer der Stiftung Bildungspakt Bayern, Ralf Kaulfuß, schildert, warum die Stiftung ihren Fokus auf die Digitalisierung legt. Auch geht er auf die Rolle der Kommunen beim Thema Bildung ein. Denn langfristig kann sich der Ministerialrat ein kommunales Bildungsmanagement vorstellen.

Herr Kaulfuß, was verstehen Sie unter digitalen Schulen?

Kaulfuß: Wichtig ist es, „digitale Schule“ von den Schülern her zu denken. Der Einsatz digitaler Medien darf kein Selbstzweck sein. Im Mittelpunkt steht die Pädagogik. Zentral ist daher die Frage, wie die Schule der Aufgabe gerecht wird, den Heranwachsenden digitale Souveränität zu vermitteln, damit sie sich in einer digitalisierten Welt zurechtfinden und diese mitgestalten können. Die großen Chancen der digitalen Schule liegen in der Stärkung der individuellen Förderung, des selbstgesteuerten Lernens und der Erweiterung der Kommunikations- und Kollaborationsmöglichkeiten sowie neuer, kreativer Gestaltungsmöglichkeiten. In der digitalen Schule sind Medien somit gleichzeitig Werkzeug und Thema im Bildungsprozess.

Der Begriff digitale Schule umfasst mehr als nur den Einsatz digitaler Medien im Unterricht. Wie steht es beispielsweise um die Verwaltung?

Kaulfuß: Die Digitalisierung wirkt sich auch auf die Organisationsentwicklung aus. Digitale Medien besitzen ein großes Potenzial für die effizientere Gestaltung von Arbeitsabläufen in der schulischen Verwaltung. Beispielweise können die Absenzendokumentation, Stunden-, Vertretungs- und Raumplanung, Notenverwaltung und Zeugniserstellung oder auch die Archivierung von Leistungsnachweisen arbeitsökonomischer gestaltet werden. Auch die Kommunikation der Lehrkräfte untereinander wie auch mit Schülern und insbesondere den Eltern kann verbessert werden. Die Modellschulen nutzen dafür bereits attraktive Apps oder webbasierte Info-Portale.

Welche Konzepte zur Finanzierung sehen Sie?

Kaulfuß: Die mit der Digitalisierung verbundenen Kosten können nur im Zusammenwirken aller Beteiligten finanziert werden. Inwieweit das im Rahmen der bisherigen Zuständigkeiten erfolgen kann, wird derzeit intensiv verhandelt. Zudem liegen zusätzliche Investitionsprogramme vor. Die „Bildungsoffensive für die digitale Wissensgesellschaft“ des Bundesbildungsministeriums hat beispielsweise die Zielsetzung, das Lernen mit digitalen Medien zu fördern. Daneben ist jedes Bundesland für eine solide Finanzierung verantwortlich.

Wie sieht das in Bayern aus?

Kaulfuß: Die bayerische Staatsregierung hat hierzu beispielsweise die Digitalisierungsstrategie Masterplan Bayern digital erarbeitet, um in den kommenden Jahren zusätzliche Investitionen in digitale Bildung zu gewährleisten. Viele Eltern wären auch bereit, bei den Endgeräten einen Beitrag zu leisten, wenn es überzeugende Konzepte gibt, wie diese im Unterricht und zu Hause für das Lernen eingesetzt werden. In diesem Punkt ist natürlich darauf zu achten, dass es zu sozial gerechten Lösungen kommt und keine soziale Gruppe ausgegrenzt wird.

Datenschützer fordern das Schulfach Medienkompetenz. Welche Aspekte sollten dort behandelt werden?

Kaulfuß: Ob ein eigenes Schulfach „Medienkompetenz“ sinnvoll und zielführend ist, ist eher zu bezweifeln. Alle Schulfächer sollten einen Beitrag zur Medienbildung leisten. Die Schüler müssen digitale Medien in allen Lebenslagen effizient, rechtskonform und reflektiert nutzen. Beim Aufbau dieser Kompetenz werden die Chancen, aber auch die Risiken im Umgang aufgezeigt. Die Wirksamkeit der schulischen Arbeit ist um ein Vielfaches höher, wenn beispielsweise die Risiken bei der Nutzung sozialer Medien immer wieder unter verschiedenen fachlichen Blickwinkeln aufgegriffen werden, beispielsweise in Informatik, Recht und Ethik. Über ein Medienkonzept, das übrigens alle bayerischen Schulen erstellen müssen, kann eine systematische Abstimmung über die Fächer hinweg erreicht werden.

In acht bayerischen Modell- und zwölf Netzwerkschulen läuft der Schulversuch „Digitale Schule 2020“. Wie sind die Reaktionen von Eltern, Schülern, Lehrern und Schulträger?

Kaulfuß: Der Schulversuch „Digitale Schule 2020“, der von der Stiftung Bildungspakt Bayern durchgeführt wird, stößt auf sehr großes Interesse bei Entscheidungsträgern in Politik, Wirtschaft und Verwaltung. Auch von Seiten der Eltern der Netzwerk- und Modellschulen sowie der Elternverbände in Bayern wird der Schulversuch als außerordentlich wichtig eingestuft. Denn die Erwartung aller beteiligten Gruppen an den Schulversuch ist enorm hoch: Alle hoffen auf hilfreiche Erkenntnisse, mit welchen die Digitalisierung an bayerischen Grund-, Mittel- und Realschulen sowie Gymnasien pädagogisch begründet erfolgreich vorangetrieben werden kann. Die Lehrer an den beteiligten Schulen arbeiten engagiert daran, bis zum Jahr 2020 zu zeigen, wie ihre erfolgreichen Unterrichtskonzepte für alle Schüler der jeweiligen Schule genutzt werden können.

Bildung ist Ländersache. Welche Rolle spielen dabei die Kommunen?

Kaulfuß: Die Kommunen in Bayern spielen eine sehr wichtige Rolle, sind sie doch Träger des Sachaufwands der meisten staatlichen Schulen. Das Selbstverständnis der Kommunen ist in einem Wandel begriffen. Eine bessere Kooperation aller beteiligten Institutionen und Träger in Bildungslandschaften oder in Bildungsregionen wird angestrebt. Ein kommunales Bildungsmanagement wird diskutiert. Die Herausforderungen der Digitalisierung dürften die Entwicklungen fördern.

Interview: Annika Wieland

Ralf Kaulfuß ist Geschäftsführer der Stiftung Bildungspakt Bayern und Ministerialrat im Bayerischen Staatministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst

Info: In der Stiftung Bildungspakt Bayern engagieren sich das Bayerische Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst, Unternehmen sowie Verbände, Lehrkräfte, Eltern und Schüler gemeinsam für eine zukunftsorientierte Bildung. Die Stiftung förderte bisher mehr als 200 Projekte auch im Bereich der Digitalisierung. Aktuell werden im Modellversuch „Digitale Schule 2020“ Konzepte und konkrete Umsetzungsstrategien entwickelt und erprobt, um digitale Medien beim Lernen und Arbeiten in der Schule zu nutzen.